Nachterstedt. Der Katastrophenstab hat die Suche nach den drei Vermissten im sachsen-anhaltinischen Nachterstedt eingestellt. Auch die Bundeswehr konnte nach dem verheerenden Erdrutsch nicht helfen. Unterdessen hat der Energiekonzern RWE davor gewarnt, den Braunkohleabbau in NRW infrage zu stellen.
Die Suche nach den drei am Samstag bei einem Erdrutsch in Nachterstedt verschütteten Menschen wird eingestellt. Dazu habe sich der Katastrophenstab entschieden, sagte Landrat Ulrich Gerstner am Montag in dem Ort in Sachsen-Anhalt. Unmittelbar zuvor war deutlich geworden, dass die Bundeswehr bei der Bergung der Vermissten nicht helfen kann.
RWE warnt vor Instrumentalisierung
Der Energiekonzern RWE Power AG warnt indes davor, den folgenschweren Erdrutsch von Nachterstedt in Sachsen-Anhalt als Argument gegen den Braunkohlabbau in NRW zu instrumentalisieren. Es sei unseriös, wegen des Unglücks die Sorgen und Ängste der Bürger zu schüren, sagte ein Unternehmenssprecher am Montag in Essen der Nachrichtenagentur ddp.
Der Sprecher verwies darauf, dass die Unglücksursache noch nicht feststehe. Allerdings unterscheide sich die Situation in Sachsen-Anhalt erheblich von der im Rheinland. Während sich die Wohnhäuser in Nachterstedt auf einem ehemaligen verkippten Tagebaugelände befinden, lägen die Ortschaften in der rheinischen Tagebauregion dagegen fast ausnahmslos auf natürlich gewachsenem, ursprünglichem Gelände.
BUND: Gefahr im Rheinland besonders hoch
Auch seien die geologischen Gegebenheiten und die Grundwasser-Situation unterschiedlich. Die Böschungen der rheinischen Tagebaue würden ständig auch mit modernsten technischen Hilfsmitteln wie GPS überprüft, um bei auffälligen Veränderungen schnell reagieren zu können. Zudem sei eine Sicherungszone entlang der Abbaugrenzen eingerichtet worden, in der sich Menschen nicht dauerhaft aufhalten oder gar wohnen dürften. Außerhalb dieser großräumig definierten Sicherheitszone seien schädliche Folgen durch den unmittelbaren Tagebaubetrieb nicht zu befürchten, sagte der Unternehmenssprecher.
Im Gegensatz zur RWE Power geht der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hingegen von «ähnlichen Risiken» wie in Sachsen-Anhalt durch den Braunkohlentagebau im Rheinland aus. Wegen der enormen Dimensionen der rheinischen Braunkohlentagebaue sei die Gefahr von Erdrutschen hier sogar wesentlich größer als in Ostdeutschland. Auch mehrere Bürgerinitiativen forderten einen vorläufigen Stopp des Tagebaus, bis die Unglücksursache geklärt ist.
Weitere Risse
Derweil erwarten Experten an der Unglücksstelle weitere Erdbewegungen. Es habe weitere Risse gegeben, sagte der Sprecher der Lausitzer- und Mitteldeutschen Bergbauverwaltungsgesellschaft (LMBV), Uwe Steinhuber, am Montag im ZDF-«Morgenmagazin». Es sei nicht auszuschließen, dass auch das «halbe Haus» in den nächsten Tagen abrutschen werde. Das betroffene Gebäude steht direkt an der Unglücksstelle und wurde bereits zur Hälfte in die Tiefe gerissen.
Die Rettungskräfte haben in der Nacht zum Montag mit hochauflösenden Wärmekameras und Nachtsichtgeräten nach den drei Vermissten gesucht. Es wurden jedoch keine Lebenszeichen entdeckt, wie der Katastrophenstab mitteilte.
Zwei Häuser in die Tiefe gerissen
Nach Angaben des Landkreises soll nun ein Pionierbataillon prüfen, ob die Unglückstelle von der Seeseite her erreichbar sein könnte. In der Nacht zum Montag gab es keine weiteren Erdabbrüche.
Am Sonntagabend hatten Anwohner persönliche Dinge aus ihren gesperrten Häusern holen können. Unter Begleitung von Rettungskräften durften sie für eine halbe Stunde um erstmals seit dem Unglück von Samstagmorgen ihre einsturzgefährdeten Häuser wieder betreten. Gegen 21.30 Uhr kehrten die Anwohner mit Kisten und Säcken bepackt wieder auf sicheres Gelände zurück.
Der Erdrutsch hat in Nachterstedt zwei Häuser mehr als 100 Meter in die Tiefe gerissen und drei Menschen begraben. Die Erde brach auf Hunderte Meter weg und stürzte in einen angrenzenden See. Das Gebiet wurde zur Katastrophenregion erklärt.
Im Schlaf überrascht
Die Bewohner der beiden in die Tiefe gerissenen Häuser wurden im Schlaf von dem Unglück überrascht. Verschüttet wurden eine 48-jährige Frau und zwei Männer im Alter von 50 und 51 Jahren.
Wegen der Gefahr weiterer Erdrutsche mussten 44 Menschen ihre Häuser verlassen. Diese sind auf unabsehbare Zeit - möglicherweise nie wieder - unbewohnbar. Der nahe liegende Concordiasee entstand durch die Flutung des früheren Bergbaulochs und wird als Erholungsgebiet genutzt. (ap/ddp)