Essen. . Viele Bürger in NRW müssen in diesem Jahr extrem lange auf ihren Steuerbescheid warten. Einige Finanzämter sind nach Umstrukturierungen völlig überlastet. Nun gibt es Wartezeiten von bis zu sechs Monaten.
Die 2000 Euro waren fest für den Sommerurlaub eingeplant. So viel sollte Familie Meyer (Name von der Redaktion geändert) laut Steuerprogramm im Rahmen der Steuererklärung von ihrem Finanzamt zurückerhalten. Doch mit der Rückzahlung hat sich die Familie verkalkuliert. Waren es im vergangenen Jahr lediglich wenige Wochen, bis das Finanzamt den Steuerbescheid in der Regel zurückschickte, so sind es mittlerweile über fünf Monate. Und ein Ende ist nicht in Sicht – „bis zur Rückzahlung kann es noch einige Zeit dauern“, so die Auskunft des Finanzamtes auf Anfrage.
Damit steht die Familie in diesem Jahr nicht alleine da. In den vergangenen Monaten registrierte der Bund der Steuerzahler viele Beschwerden über eine außergewöhnlich langsame Bearbeitung von Steuererklärungen. „Leute, die relativ pünktlich ihre Steuererklärung im Februar oder März abgegeben haben, mussten drei bis fünf Monate warten“, sagt Hans-Ulrich Liebern vom Bund der Steuerzahler. „Aber eine Wartezeit von sechs Monaten ist nicht mehr tolerierbar für den Bürger“. Dabei seien die Finanzverwaltungen vor zwei Jahren noch auf einem guten Weg gewesen: „Spätestens nach sechs Wochen traf in der Regel der Steuerbescheid bei den Bürgern ein“.
Finanzämter übernehmen Aufgaben der Kommunen
Für die Deutsche Steuer-Gewerkschaft (DSTG) sind die Ursachen vielschichtig: Ein Grund ist die Umstellung auf die elektronische Lohnsteuerkarte (ELStAM). Wer früher Probleme mit der Steuererklärung hatte, wurde in Bürgerbüros betreut. Statt der Kommunen sind nun die Finanzämter direkte Ansprechpartner der Kommunen, – ohne dass das Personal aufgestockt wurde. „Mit diesem Ansturm durch die Systemumstellung hatte wohl niemand gerechnet“, ärgert sich Manfred Lehmann, NRW-Vorsitzender der DSTG. „Jetzt wurden zwar neue Leute eingestellt, aber bei den Auszubildenen dauert das zwei bis drei Jahre, bis sie eingearbeitet sind. Und noch immer gehen jährlich mehr Finanzbeamte in Rente, als neu hinzukommen“, so Lehmann.
Eine weitere Erschwernis sind Änderungen im Steuerrecht bei den Vorsogeaufwendungen. „Dadurch gibt es neue Bezeichnungen in den Vordrucken, weshalb irritierte Bürger in den Finanzämtern anrufen“, berichtet Lehmann.
Publikumsverkehr verdoppelt sich
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Die Konsequenzen bekommen nun erst die Finanzbeamten in Mehrarbeit und schließlich die Steuerzahler in längerer Wartezeit zu spüren. „In Köln-Nord stieg der Publikumsverkehr innerhalb eines Jahres von 8.000 auf 19.000 Besucher“, berichtet Manfred Lehmann, NRW-Vorsitzender der DSTG. In Oberhausen ist die Zahl der Besucher um einige Hundert im Monat gestiegen, heißt es aus dem dortigen Finanzamt. Und auch der Bearbeitungszeitraum in Hagen hat sich auf drei bis sechs Monate verlängert.
Da verwundert es schon, dass das NRW-Finanzministerium nach eigenen Angaben keine bedeutenden Veränderungen bei den durchschnittlichen Durchlaufzeiten der Steuererklärungen festgestellt hat. Die Bearbeitungszeiten dauern je nach Komplexität des Sachverhaltes vier Wochen bis sechs Monate, so ein Sprecher des Ministeriums. Laut Deutscher Steuer-Gewerkschaft sei die Bearbeitungszeit in NRW im Vergleich zu 2009 im Durchschnitt um fünf Tage gestiegen. Da können einige Steuerzahler, die nun schon mehrere Monate warten nur verärgert abwinken. „Die Zumutbarkeitsgrenze liegt bei sechs Monaten“, bestätigt auch Lehmann – diese Grenze dürften die Bürger in einigen Finanzämtern erreicht haben. (we)