Düsseldorf. .

G8? G9? Oder beides? Der Konflikt um das Turbo-Abitur könnte zum schulpolitischen Streitthema Nummer eins im Herbst werden.

Denn die von Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) angekündigte Wahlfreiheit für Gymnasien, die ihnen auch die Rückkehr zum Abi in neun Jahren er­laubt, sorgt für Widerstände.

Als erstes meldet der Philologenverband Kritik an. Landeschef Peter Silbernagel befürchtet, dass vielen der 630 Gymnasien in NRW ein „Organisationschaos” droht.

Bis zum Anmeldetermin im Frühjahr 2011 sollen die Gymnasien einmalig entscheiden können, ob sie beim achtjährigen Bildungsgang bleiben oder ihre Schüler in Zukunft wieder in neun Jahren zur Reifeprüfung bringen wollen. Für die Eltern bedeute das „Planungssicherheit”, wenn sie ihr Kind zu Jahresbeginn an ei­nem Gymnasium anmelden, so Löhrmann.

Lange Unterrichtstage

Löhrmann setzt um, was SPD und Grüne vor der Wahl gefordert hatten. Landesweit hatten Eltern und Lehrerverbände beklagt, das von CDU-Schulministerin Barbara Sommer eingeführte achtjährige Abitur sei pädagogisch nicht abgesichert gewesen. Vor allem Schüler in der Sekundarstufe I sahen sich plötzlichem Turbo-Stress ausgesetzt, weil vor allem hier die „Stoffverdichtung” stattfand. Viele Schulen waren auf lange Unterrichtstage nicht vorbereitet, konnten Kindern kein Mittagessen anbieten.

„Das war stümperhaft eingestielt”, räumt selbst Silbernagel ein. Alles in allem habe das Turbo-Abi „dem Gymnasium geschadet, nicht nur in NRW”. Dennoch sieht sein Verband wie auch die Landeselternschaft an Gymnasien und die Schulleiter-Vereinigung keinen Sinn darin, die schwarz-gelbe Re­form zurückzudrehen. Ein Gymnasium „der zwei Ge­schwindigkeiten” würde den Schulwechsel er­schweren. Zudem bestehe die Gefahr der Spaltung in Schulen „erster und zweiter Ordnung. Löhrmann, so Silbernagel, sei „feige”, weil sie sich auf kein Modell festlegen wolle.

GEW will Wahlfreiheit

Während der Philologenverband das achtjährige Turbo-System lieber in sich verbessern würde, befürwortet die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) die Wahlfreiheit – allerdings verbindlich an allen Gymnasien.

Am Ende von Klasse 10 sollten sich Schüler entscheiden können, ob sie in eine zwei- oder dreijährige Oberstufe bis zum Abi eintreten, sagte Landeschef Andreas Meyer-Lauber. Für die GEW wäre das die Auswahl zwischen „6 plus 2” und „6 plus 3”. In diesem System müssten lernstarke Schüler, die den kürzeren Weg zum Abi einschlagen, speziell unterstützt werden, so Meyer-Lauber, designierter DGB-Chef in NRW. Ob Löhrmann aber das Abitur nach acht und neun Jahren an einer Schule zulassen will, ist noch völlig offen.