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Fünf Jahre nach der Umstellung auf eine verkürzte Gymnasialzeit hakt es immer noch an den Schulen. Es fehlen Bücher für einen ganzen Jahrgang, es fehlen Klassenräume und ein geregeltes Mittagessen. Es wird noch enger: Im Sommer geht der Doppeljahrgang gemeinsam in die Oberstufe.
Nach den Sommerferien erreicht der erste Jahrgang, der nur noch acht Gymnasialjahre zum Abitur braucht, die Oberstufe und trifft dort auf den letzten Jahrgang, der noch neun Jahre absolviert. Dieser Doppeljahrgang überfordert so manche Schule.
Das zeigt das Beispiel Mittagsverpflegung für Schüler. Manche Schule hat Glück und kann die Kantine der Polizei nebenan nutzen. Wer Pech hat, muss die Schüler mit Brötchen im Stehen abspeisen. Viele Gymnasien in der Region behelfen sich mit einer verkürzten Mittagspause, um die Kinder früher heimlassen zu können. Ab Februar 2011 soll laut NRW-Schulministerium aber flächendeckend warmes Essen samt 60 Minuten pädagogisch betreuter Mittagspause angeboten werden.
Peter Silbernagel, Sprecher des Philologenverbandes in NRW, weiß: „Viele Schulen, die noch keine Umbauten für den langen Schultag haben, wünschen sich weiterhin eine kurze Mittagspause.” Er rechnet damit, dass für die Gymnasien jetzt „drei harte Jahre kommen, wenn der Doppeljahrgang die Oberstufe durchläuft. Vor allem bei der Abstimmung des Stundenplans wird es knirschen.”
Das fürchten auch die Lehrer. Der Doppeljahrgang treibt Schulen an die Grenzen ihrer räumlichen und personellen Möglichkeiten. „In Kurse zersplitterte Klassen brauchen mehr Räume und Lehrer”, erläutert Rüdiger Käuser, Vorsitzender der westfälischen Direktorenvereinigung.
Ilse Führer-Lehner vom Landesverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sieht noch andere Probleme. „Es wird G8-Kindern geraten, die Schulform zu wechseln, weil sie nicht für die Oberstufe geeignet seien. Dabei will man auch Sitzenbleiben für die eigene Statistik vermeiden oder kann die individuelle Förderung nicht so anbieten, wie sie nötig wäre beim Turbo-Tempo.” Und das nur, weil es zu wenige Lehrer und Fortbildungen gebe. Zudem sei seit Start der G8-Phase zu spät kommuniziert worden, auf welchen Stoff verzichtet werden kann und worauf nicht.
Lehrpläne nicht entrümpelt
Erst ab 2007, zwei Jahre nach dem G8-Start, lagen die meisten Kernlehrpläne vom Land vor. Entsprechend spät konnten Schulen und Schulbuchverlage auf die neuen Vorgaben reagieren. Zudem können Schulen sich die Neuanschaffungen für alle Fächer nur schrittweise leisten.
Im August wechseln die ersten Turbo-Gymnasiasten in die Oberstufe. An deren Ende sollen sie eine Zentralabitur-Prüfung ablegen, gemeinsam mit den letzten Neunjahres-Pennälern. Doch für die dringend benötigte doppelte Bücherzahl gibt es kein Extra-Geld vom Land.
Viel improvisieren
71 Euro je Schüler und Jahr vom Schulträger, meist den Kommunen, sind vorgesehen. „Erhöhte Bedarfe werden durch langfristige Planung aufgefangen”, erklärt Jörg Harm, Sprecher des Schulministeriums in Düsseldorf. „Der erhöhte Bedarf wird zudem dadurch ausgeglichen, dass ab 2010/11 erstmals eine Klasse 10 am Ende der Sek I entfällt, für die dauerhaft keine Schulbücher mehr angeschafft werden müssen.” Das hilft den Schulen aktuell freilich wenig.
Improvisieren ist angesagt, ein Buch für zwei Schüler oder Kopien. Die allerdings müssen die Lehrer oder die Eltern bezahlen. Denn auch dafür sind die Etats zu knapp. Die Stadt Moers hat das Thema dem Städtetag NRW angetragen. Der Mehrbedarf von 20 000 Euro je Schule sei der vom Land beschlossenen Reform geschuldet, also Landessache, heißt es darin.