Nach den Sommerferien starten auch die ersten Velberter Schüler in die Turbo-Abitur-Jahrgänge.

Während bisher Abiturienten 13 Schuljahre vor ihren Prüfungen absolviert haben, muss dieser Jahrgang es erstmals in zwölf (vier Grundschuljahren plus acht Jahre weiterführende, daher der Name G8-Abitur) schaffen. „Zunächst einmal ganz schön verwirrend“, findet dann auch Oberstudiendirektor Werner Schuhmacher-Conrad, der das Nikolaus-Ehlen Gymnasium leitet.

„Aber eigentlich ist es ganz einfach“, fährt er seine Erläuterungen fort, „nach den Sommerferien beginnt für die jetzige Klasse 9 die Vorbereitung auf das Abitur. Das gleiche gilt auch für die jetzige 10. Klasse. Beide werden dann gemeinsam in die Einführungsphase der Oberstufe gehen.“ Somit fällt für die jetzige 9. Klasse das zehnte Schuljahr weg. „Wir haben jetzt auch keine 11., 12. und 13. Klasse mehr“, ergänzt Axel Plitsch, Studiendirektor des Städtischen Gymnasiums in Langenberg. „Stattdessen findet ab der bisherigen 10. Klasse die Einführungsphase in die Oberstufe und in den zwei Jahren danach die Qualifikationsphasen I und II statt.“

Um den Wissensstand beider Klassen anzugleichen, werden sie in der Einführungsphase in den Hauptfächern Deutsch, Mathematik und in den Fremdsprachen getrennt unterrichtet. „Die jetzige Neun erhält zusätzlich Vertiefungskurse“, so Schuhmacher-Conrad. Ab der Qualifikationssphase I wird dann gemeinsam unterrichtet.

Bleibt die Frage, was mit den Sitzenbleibern der aktuellen 10. Klasse passiert, wenn es nach den Sommerferien keine reguläre 10 mehr gibt? „Wir haben in diesem Jahr nur drei Schüler, die das Klassenziel nicht erreicht haben und die haben im Moment noch die Chance, über ihre Nachprüfungen nachzuziehen“, antwortet der NEG-Schulleiter ganz entspannt. „Wenn tatsächlich der Fall eintreten sollte, dass sie es nicht schaffen, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder lassen sie sich per Antrag um zwei Jahre in die 9. Klasse zurückversetzen oder sie treten ebenfalls in die Vorbereitungsphase der Oberstufe ein.“ Somit bliebe für diese Schüler der Wiederholungseffekt aus, was der Oberstudiendirektor nicht so schlimm fände. „In der Oberstufe haben sie dann günstigstenfalls die Möglichkeit, die Fächer in denen sie sitzen geblieben sind – wie etwa Latein oder Französisch – einfach abzuwählen.“

Ähnlich sieht es im Geschwister-Scholl Gymnasium aus. „Dank früh einsetzender Förderungsmaßnahmen haben wir in diesem Jahr nur zwei Schüler der 10. Klasse, die eine Nachprüfung machen müssen“, freut sich Oberstudiendirektorin Angelika Vogt. „Mit den speziellen Stützungskursen, die für sie in den Sommerferien stattfinden, haben sie gute Chancen, die Versetzung auch zu schaffen.“

So weit hat man es Gymnasium Langenberg erst gar nicht kommen lassen. „Wir haben in diesem Jahr keine Sitzenbleiber“, freut sich Schulleiter Axel Plitsch. Bereits vor zwei Jahren wurde an dieser Schule – nach einer Auswertung der Lehrentwicklung – damit begonnen, schwächere Schüler gezielt zu fördern. „Dafür haben wir an der Initiative ‚Komm Mit! - Fördern statt Sitzenbleiben’, die gemeinsam vom Schulministerium und den NRW-Lehrerverbänden ins Leben gerufen wurde, teilgenommen.“ Dank dieser erhalten gefährdete Schüler rechtzeitig Auffrischungskurse, um bestehende Lücken zu schließen.

Bei aller Euphorie darüber, dass es alle Schüler in die Oberstufe geschafft haben, hat der Schulleiter dennoch auch die damit einhergehenden Belastungen im Blick: „Die Fünft-Klässler starten ja inzwischen schon mit 30 bis 32 Wochenstunden. Ab der 8. Klasse haben die Schüler eh schon an zwei Tagen Unterricht bis in die Nachmittagsstunden, um das G8-Abitur bewältigen zu können. Für die geförderten Kinder kommt dann noch ein weiterer langer Tag hinzu.“

Überhaupt hätte er sich mehr Zeit für die Umsetzung der neuen Schulform gewünscht. „Weil alles so schnell gehen musste, fehlen uns immer noch ein großer Teil der Bücher. Die Neuanschaffungen kosten Geld und sind nur nach und nach möglich.“ Ein Einwand, den auch der NEG-Leiter teilt: „Die Einführungsphase war einfach schlecht geplant, was wohl auch den vielfach schlechten Ruf des Turbo-Abis begründet.“ Dennoch kann er der neuen Schulform Positives abgewinnen: „Die Entwicklung der Schulen geht immer mehr zum Ganztag hin. In anderen Ländern sind solche Wochenstundenzahlen, wie wir sie jetzt haben, längst üblich. Ich finde es heutzutage nicht mehr angebracht, junge Menschen 13 Jahre in der Schule zu halten. Viele jobben in dem Alter schon.“