Kamen. .
Einen Mangel an Weitsicht kann man Heinz Sändker nun wirklich nicht vorwerfen. Der Koordinator der Oberstufe am Gymnasium fragt sich: Wo um Himmels willen lässt sich 2013 ein Abitur-Ball mit, Pi mal Daumen, knapp anderthalbtausend Gästen feiern? Kommt Zeit, kommt (hoffentlich) Rat; nächste Woche geht im Rahmen des NRW-Turbo-Abis an Kamens „Penne“ der Doppel-Jahrgang an den Start: 260 Jungen und Mädchen in einer Stufe. Zum Vergleich: Vor drei Monaten haben 118 junge Leute die Abiprüfung abgelegt.
„Die ersten Wochen werden spannend“, sagt mit Blick aufs Ferienende Lehrerin Dörte Reinecke. Zusammen mit ihrem Kollegen Markus Hester steht sie dem Doppeljahrgang beratend zur Seite. Und schon das macht deutlich, dass das Kamener Gymnasium auf einen Jahrgang „aus einem Guss“ setzt – Heinz Sändker: „Wir wollen, dass die zusammenwachsen.“ Die – das sind jene Jugendlichen, die bis vor sechs Wochen die „alte“ Klasse 10 besucht haben, plus jene „Turbo-9er“, die den Stoff von einstmals sechs Jahren Sekundarstufe I in fünf Jahren durchackern mussten. Gemeinsam nehmen sie nun die – nach wie vor dreijährige – Oberstufe in Angriff. „9 + 3“ lautet also fortan die Abi-Formel. „10 + 2“ wäre Sändker, Reinecke und Hester lieber gewesen. Denn das hätte nicht die jüngeren Kinder zusätzlich belastet, sondern die älteren – die hätten das weit besser wegstecken können, sind die Pädagogen sicher.
Doch was hilft’s – es ist, wie es ist. Auf eben diesen Ist-Zustand sind Eltern wie Schüler am Kamener Gymnasium ausgiebig vorbereitet worden. Seit Herbst 2009 gab es Info-Veranstaltungen – im großen Stil, um die Knackpunkte des Turbo-Abis vorzustellen, ebenso wie im Vier- bis Acht-Augen-Gespräch, um individuell Fragen zu klären. So fühlten sich „Turbo-9er“ verständlicherweise überfordert mit der Fächerwahl, während ihre Mitstreiter in der „alten 10“ schon Erfahrung damit hatten sammeln können.
Räumlich ist der Doppeljahrgang in Kamen kein Problem: Unterm Strich werden die Gymnasiasten ja nicht mehr. Und bei der Versorgung mit Büchern habe die Stadt Kamen als Schulträgerin „sehr konstruktive Lösungen gefunden“, freut sich Sändker. Nun ist die Frage, wie die Jugendlichen sich zusammenraufen: „Reifetechnisch“, weiß Dörte Reinecke, fehle den 9ern halt noch ein „wichtiges Jahr in der Persönlichkeitsentwicklung“, wenn sie jetzt mit den 10ern zusammengewürfelt würden.
Nicht zu vergessen: Die Sache mit der Volljährigkeit – da werden die Älteren wohl demnächst VoFi-Feten organisieren, die für die Jüngeren noch tabu sind. Oder die Sache mit den Studienplätzen und Lehrstellen in drei Jahren, wenn der Doppeljahrgang Arbeitsmarkt und Unis überschwemmt. Wenigstens die Sache mit den Plätzen für Betriebspraktika während der Jahrgangsstufe 11 ist geklärt: Die Pennäler werden halbe-halbe, in zwei mal zwei Wochen, in Kamener Firmen ausschwärmen.