Berlin. .

Wegen des Vulkanausbruchs auf Island bleibt der deutsche Luftraum bis mindestens 8 Uhr am Sonntag gesperrt. In Hamburg darf bis mindestens 14 Uhr am Sonntag kein Flugzeug starten oder landen. Auch die Lufthansa streicht alle Flüge bis 14 Uhr.

Nach dem Vulkanausbruch in Island werden noch mindestens bis Sonntag keine Flüge mehr in Deutschland und weiten Teilen Europas stattfinden. Den deutschen Luftraum sperrte die Flugsicherung am Samstag noch bis Sonntagmorgen, 08.00 Uhr. Mit einer weiteren Verlängerung wurde noch am Abend gerechnet. Lufthansa und Germanwings sagten alle Flüge bis Sonntag, 14.00 Uhr, ab, eine Reihe großer Reiseveranstalter wie Dertour, ADAC Reisen, ITS und REWE für den gesamten Sonntag, Thomas Cook bis 12.00 Uhr. Die Meteorologen machten Reisenden wenig Hoffnung auf schnelle Besserung.

Die vorherrschenden schwachen Windströmungen und die nach wie vor große Menge an Gletschereis an dem ausgebrochenen Vulkan in Island ließen für die kommenden Tage keine großen Veränderungen der Aschewolke erwarten. Nach Angaben von Graeme Leitch vom britischen Wetterdienst reicht die Aschesäule über dem Eyjafjallajökull mittlerweile bis in eine Höhe von auf 9.150 Meter. Die Vulkanaktivität intensiviere sich weiter.

Statt der üblichen 22.000 Flüge gab es in Europa am Samstag nur rund 5.000, wie die Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol in Brüssel mitteilte. Das sind weniger als ein Viertel der an Samstagen üblichen Flugbewegungen. Frei von Asche war noch der Luftraum über Portugal, Spanien, Süditalien, Bulgarien und südlich dieser Länder, der Luftraum über Norditalien wurde dagegen gesperrt.

Reifenpanne bei Bus mit Merkels Reisebegleitern

Bundeskanzlerin Angela Merkel, die am Freitag in Lissabon gelandet war, flog tags darauf nach Rom weiter und musste von dort Auto zunächst nach Südtirol reisen, von wo sie frühestens am Sonntag nach Berlin zurückkehren soll. Der Bus mit den mitgereisten Journalisten hatte auf dem Weg von Rom nach Südtirol eine Reifenpanne, Merkel fuhr nach kurzem Anhalten im gepanzerten Fahrzeug weiter. Da Auswärtige Amt sagte unterdessen den vielen Deutschen, die wegen der Flugabsagen nicht nach Hause fliegen konnten, zumindest bei individueller Notlage konsularische Hilfe zu. Die Bahn setzte weitere Züge ein, um des Ansturms von den Flughäfen ausgewichener Passagiere Herr zu werden.

Nach Nord- und Mitteleuropa schlossen auch immer mehr Länder im Osten und Südosten ihre Lufträume zumindest teilweise, etwa Slowenien, Kroatien, Serbien und Montenegro. Polen erweiterte die Flugverbote nahezu auf das gesamte Land - mit Ausnahme von Krakau, wo der tödlich verunglückte Staatspräsident Lech Kaczynski am Sonntag beigesetzt werden soll.

Von den Absagen betroffene Passagiere wurden gebeten, nicht an den Flughäfen zu erscheinen. Reisende können ihre Flüge kostenlos stornieren oder auf Flüge bis zum 31. Mai umbuchen. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer wies in der „Passauer Neuen Presse“ darauf hin, dass es nach den Flugausfällen noch zu tagelangen Beeinträchtigungen kommen könnte.

Lufthansa überführt Maschinen in niedriger Höhe

Die Lufthansa überführte am Samstag trotz der Sperrung des Luftraums zehn leere Langstreckenflugzeuge von München nach Frankfurt. Die Maschinen sollten am richtigen Startflughafen sei, wenn der Luftraum wieder geöffnet werde, sagte Lufthansa-Sprecher Wolfgang Weber. In enger Absprache mit der Deutschen Flugsicherung seien sie circa 3.000 Meter hoch nach Sichtflugregeln geflogen worden. In dieser Höhe bestehe keine Gefahr durch die Flugasche.

Flughäfen fordern befristete Aufhebung des Nachtflugverbots

Die deutschen Flughäfen fordern nun eine befristete Aufhebung des Nachtflugverbots. Dies soll zur schnellen Normalisierung des Luftverkehrs nach einer Wiederöffnung der wegen des Vulkanausbruchs in Island geschlossenen Airports beitragen.

Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) habe die Behörden gebeten, aufgrund der außerordentlichen Situation in den kommenden Tagen die Regelungen der Start- und Landezeiten flexibel zu handhaben, damit im Ausland wartende Passagiere so schnell wie möglich zurückkommen können und wieder ein stabiler Betrieb erreicht wird, sagte der Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbands, Ralph Beisel, am Samstag in Berlin. Die Flughäfen hielten mehr Personal vor, damit Flüge mit Sonderregelungen auch an den Tagesrandzeiten und den Nachtstunden abgefertigt werden können. Sie stünden mit den zuständigen Landesgenehmigungsbehörden in einem engen Kontakt.

Verzögerungen werden lange anhalt

Der ADV geht davon aus, dass die umfassenden Schließungen über mehrerer Tage zu Verzögerungen im Luftverkehr führen werden. „Jetzt geht es um pragmatische Ausnahmen für eine Zeit größter Anspannung“, sagte Beisel.

Auch mehrere Politiker sprachen sich dafür aus, bei Wiederaufnahme des Flugbetriebes das Nachtflugverbot vorübergehend aufzuheben, um das Verkehrschaos schneller zu beenden. Der CDU-Verkehrsexperte im Bundestag, Dirk Fischer, sagte der „Bild“-Zeitung (Samstagausgabe): „Wenn wartenden Passagieren damit geholfen werden kann, sollte das Nachtflugverbot vorübergehend aufgehoben werden.“ Politiker von FDP und SPD sprachen sich ebenfalls für eine solche Maßnahme aus.

Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Winfried Hermann (Grüne), sagte im Deutschlandfunk, die Bundesregierung müsse sich rasch mit der Deutschen Flugsicherung und den Flughafenbetreibern in Verbindung setzen, um die Lage zur normalisieren. Es sei aber unangemessen, diese „Katastrophe“ für eine Diskussion zur Aufhebung des Nachtflugverbots zu nutzen.

Auch Großbritannien verlängert Flugverbot bis Sonntag

Der Luftraum über Großbritannien bleibt wegen der Aschewolke nach dem Vulkanausbruch in Island bis Sonntagfrüh (08.00 Uhr MESZ) gesperrt. Allerdings könnten in Schottland und Nordirland bis Samstagabend 20.00 Uhr von Fall zu Fall Inlandsflüge zugelassen werden, teilte die britische Luftfahrtbehörde mit. Die Aschewolke bewege sich weiter und verändere ihre Form, weshalb sich bis zum Abend vereinzelt Fenster über Schottland, Nordirland und nördlich von Leeds in Nordengland auftun könnten.

In ganz Norditalien soll der Luftraum wegen der nach Süden ziehenden Aschewolke bis Montagfrüh 08.00 Uhr gesperrt bleiben, wie die zivile Luftfahrtbehörde ENAC mitteilte.

Auch in Dänemark und den baltischen Republiken Lettland und Estland bleibt der Luftraum bis in die frühen Morgenstunden am Sonntag gesperrt. In Dänemark und Estland erließen die Behörden ein Flugverbot bis 2 Uhr, während in Lettland bis 3 Uhr kein Flugzeug starten, landen oder den Luftraum durchqueren darf.

Die französische Regierung schloss bereits drei Flughäfen in Paris und im Norden Frankreichs bis Montagfrüh 08. 00 Uhr.

Vulkan ist weiterhin aktiv

Der Vulkan Eyjafjallajökull ist weiterhin aktiv. Dabei müsse aber nicht zwangsläufig auch Asche in die Atmosphäre gelangen, sagte die DFS-Sprecherin. In welcher Reihenfolge die 16 internationalen Flughäfen in Deutschland wieder für den Verkehr freigegeben werden könnten, hänge in den jeweiligen Regionen von Faktoren wie Regen oder Wind ab.

Die fünf in Afghanistan verwundeten Soldaten und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) mussten in Istanbul einen Zwischenstopp einlegen. Bis zum Rücktransport nach Deutschland werden sie im US-Militärkrankenhaus in Istanbul versorgt, wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Samstag auf ddp-Anfrage sagte. Zwei Schwerverletzte wurden dort inzwischen operiert.

Größtes Flugchaos seit dem 11. September

Auch am Flughafen Dortmund ging nichts mehr. Foto: Knut Vahlensieck/ WAZ Foto Pool.
Auch am Flughafen Dortmund ging nichts mehr. Foto: Knut Vahlensieck/ WAZ Foto Pool. © WR Dortmund/Knut Vahlensieck

Europaweit fielen am Freitag laut der europäischen Flugsicherung Eurocontrol weit mehr als die Hälfte aller Flüge aus. Täglich würden rund 29.000 Flugzeuge in Europa starten und landen, am Freitag seien es nur zwischen 12.000 und 13.000 gewesen. Eurocontrol zufolge handelt es sich um das größte Flugchaos seit dem 11. September. Für Montag kündigte Eurocontrol eine Telefonkonferenz aller Mitgliedsstaaten an, um die aktuelle Situation zu besprechen. Der Luftraum solle so bald wie möglich wieder geöffnet werden.

Notfallrettung ist gewährleistet

„Flugausfälle wegen einer Vulkanaschewolke hat es in Europa bislang nicht gegeben“, sagte die DFS-Sprecherin. Solche Störungen seien bisher nur in Alaska oder Indonesien aufgetreten. Die Fluglotsen setzten angesichts der ungewöhnlichen Ereignisse den für Montag geplanten Streik auf unbestimmte Zeit aus. Die Notfallrettung ist einer Sprecherin der Deutschen Luftrettung zufolge gewährleistet. Flüge zur Verlegung von Patienten fänden aber nicht statt. Die Luftwaffe stellte dagegen ihren Flugbetrieb in ganz Deutschland ein. Bis Montagmorgen sollten keine Ausbildungsflüge stattfinden.

An Deutschlands größtem Flughafen in Frankfurt hatten sich vor den Schaltern in den Terminals lange Schlangen gebildet, weil die Passagiere ihre Flüge umbuchen oder stornieren wollten. Im Fernbahnhof am Flughafen spielten sich tumultartige Szenen ab, weil Tausende Passagiere auf ICE-Züge ausweichen wollten. Am Frankfurter Fernbahnhof musste die Bundespolizei sogar in einem Fall eingreifen, weil Reisende in einen bereits voll besetzten Zug drängten. Die Deutsche Bahn räumte ein, keine Vorkehrungen für die Ausnahmesituation treffen zu können, da das Verkehrsaufkommen zum Start ins Wochenende ohnehin sehr hoch sei. Die Busanbieter, wie die Deutsche Touring - und Eurolines, sowie der größte deutsche Autovermieter Sixt erhöhten ihre Kapazitäten.

Fluggesellschaften rechnen mit massiven Einbußen

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU, l.) machte sich am Flughafen Hamburg ein Bild der Lage. Foto: ddp
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU, l.) machte sich am Flughafen Hamburg ein Bild der Lage. Foto: ddp © ddp

Indes rechnen die Fluggesellschaften mit massiven wirtschaftlichen Schäden durch die Flugausfälle. Solch ein Schaden sei höhere Gewalt und daher nicht versicherbar, sagten Sprecher der größten deutschen Fluggesellschaften Lufthansa und Air Berlin. Der Verband der europäischen Fluggesellschaften erwartete Schäden in dreistelliger Millionenhöhe. Der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen sprach von einer „nie dagewesenen Schließung europäischer Flughäfen“ mit „enormen wirtschaftlichen Auswirkungen“. Die genauen Einbußen seien allerdings „noch nicht absehbar“.

Die DFS rechnete derweil mit längeren Auswirkungen. Selbst wenn sich die Aschewolke des Vulkans sofort verflüchtige, werde es dauern, bis sich der Betrieb normalisiere, sagte die Sprecherin. Allein nach dem Streik der Lufthansa-Piloten habe es vier Tage gedauert, bis sich die Lage normalisiert habe. Nun handele es sich jedoch um ein europaweites Ereignis.

Wohl keine Gesundheitsgefahr

Eine Gesundheitsgefahr geht von der Aschewolke nach Einschätzung des niedersächsischen Umweltministeriums nicht aus. Auch für die Landwirtschaft sei die Wolke unbedenklich, die Asche sorge sogar für fruchtbare Böden. Die Zugvögel sind dem bayerischen Landesamt für Umwelt zufolge nicht von der Aschewolke betroffen. Der Zug der meisten Vögel sei schon vorbei. Außerdem liege ihre Zughöhe bei 2000 Metern, die Aschepartikel befänden sich auf rund 5000 Meter Höhe, sagte eine Sprecherin.

Die DFS empfiehlt allen Passagieren, sich mit ihrer Fluggesellschaft in Verbindung zu setzen. Da die Flugpläne der Airlines durcheinander geraten seien, sei auch nach Auflösung der Aschewolke mit weiteren Behinderungen im Flugverkehr zu rechnen.

Der Vulkan unter einem Gletscher war am Mittwoch ausgebrochen. Die Lava brachte das Gletschereis über dem Vulkan zum Schmelzen und ließ Rauch und Asche kilometerhoch aufsteigen. Der Wind treibt sie über die britischen Inseln auf das europäische Festland. Falls Flugzeuge durch die Aschewolken fliegen, können die sehr harten und scharfen Partikel gefährliche Schäden verursachen. (ddp/afp/dapd)