Berlin/Essen. Mit 700.000 Kundenunterschriften und Gesprächen in Berlin stützt der Konzern seine Bitte um Staatshilfen. Die Kanzlerin allerdings hat schon klar gemacht: Arcandor ist nicht Opel. Und auch in der SPD gibt es warnende Stimmen: Wenn jetzt Arcandor Geld erhalte, seien alle Schleusen offen
Der ums Überleben kämpfende Handels- und Touristikkonzern Arcandor erhöht den Druck auf die Bundesregierung, ihm Staatsbürgschaften von 650 Millionen Euro zu gewähren. Konzernchef Karl-Gerhard Eick traf sich nach Unternehmensangaben am Dienstag in Berlin zu weiteren Gesprächen mit politischen Entscheidungsträgern, um seine Position nochmals klarzumachen.
Solidarische Kunden
Arcandor-Sprecher Gerd Koslowski sagte, die Kunden von Karstadt und Quellen seien «äußerst solidarisch» mit dem Konzern. Innerhalb einer Woche hätten sich rund 700.000 Kunden in Unterschriftenlisten zur Rettung des Unternehmens mit staatlicher Hilfe eingetragen. Er bestätigte damit einen Bericht der «WAZ»-Gruppe. Am Mittwoch wollen außerdem in Nürnberg Tausende Beschäftigte der Arcandor-Versandtochter Quelle für staatliche Hilfen für den Mutterkonzern demonstrieren.
Auch die Gespräche mit der Metro über eine mögliche Fusion der Warenhaustöchter Karstadt und Kaufhof würden in absehbarer Zeit fortgesetzt, sagte Koslowski. Ein neues Treffen von Arcandor-Chef Eick mit dem Metro-Vorstandsvorsitzenden Eckhard Cordes sei bereits vereinbart.
Guttenberg kündigt vorbehaltlose Prüfung an
Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg kündigte zwar eine vorbehaltlose Prüfung des Arcandor-Antrags an. Er werde sich aber nicht «allein durch die Größe der Unternehmen oder die Lautstärke der öffentlichen Diskussion» beeindrucken lassen, sagte der Minister. Der Staat könne nur dort Hilfestellung geben, wo es Sinn mache. Das Ergebnis sei noch offen. Der SPD warf der Unionspolitiker vor, einen «durchsichtigen Wahlkampf auf dem Rücken der Steuerzahler und der Beschäftigten von Arcandor» zu führen. Damit setzt der Minister seinen bisherigen Kurs fort: Auch gegenüber der staatlichen Aktion zur Rettung des Opel-Konzerns bleibt er auf kritischer Distanz
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht in der staatlichen Hilfe für Opel kein Vorbild für eine Unterstützung der angeschlagenen Karstadt-Mutter Arcandor. Opel sei ein «besonderer Fall», sagte Merkel am Dienstag in einer Rede in Berlin. «Ich sehe keinen zweiten solchen Fall.» Für die Anträge auf staatliche Hilfe gebe es feste Kriterien und zuständige Gremien, sagte Merkel mit Blick auf den sogenannten Deutschlandfonds. Arcandor hat Hilfen aus diesem Fonds beantragt.
Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) tendierte dagegen eher in Richtung Staatshilfen. «Es kann sein, dass man zu dem Ergebnis kommt, dass es auch im Hintergrund von Arcandor noch Aktionäre oder Vermögenspositionen gibt, die herangezogen werden können, dann kommt eine Garantie nicht infrage, und man kann auf der anderen Seite zu dem Ergebnis kommen, dass da ungefähr 50.000 Arbeitsplätze sind, die auch nicht so einfach im Hintergrund verschwinden können in der Betrachtung», meinte der Sozialdemokrat.
Warnung vor dem «Dammbruch»
Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider äußerte sich - im Gegensatz zum kanzlerkandidaten der SPD, Steinmeier, eher kritisch zu einer möglichen Staatsbürgschaft für den angeschlagenen Kaufhaus-Konzern. «Ich habe das Gefühl, dass manche Firmen den von der Bundesregierung bereitgestellten Kredit- und Bürgschaftsfonds als Einladung verstehen, sich Subventionen abzuholen «, so Schneider. Dies sei verbunden mit einer Dreistigkeit im öffentlichen Auftreten, wie er sie selten erlebt habe. Eine Arcandor-Bürgschaft könne «in der öffentlichen Wahrnehmung sehr schnell zu einem Dammbruch führen», sagte der SPD-Politiker. Deshalb müssten die Kriterien für eine Bürgschaft intensiv geprüft werden.
Der Touristik- und Handelskonzern fordert Staatsbürgschaften in Höhe von 650 Millionen Euro und einen 200-Millionen-Euro-Kredit der staatlichen Förderbank KfW. Andernfalls müsse das Unternehmen mit seinen rund 50.000 Beschäftigen in Deutschland am 12. Juni Insolvenz anmelden, warnt Konzernchef Karl-Gerhard Eick.
Der Deutschlandfonds soll Firmen helfen, die wegen der Finanzkrise in Schwierigkeiten geraten sind, unter anderem mit Staatsbürgschaften. Bei Anträgen mit großen Volumen hat ein sogenannter Lenkungsrat das letzte Wort, in dem Politiker, Unternehmer, Gewerkschafter und unabhängige Experten sitzen. (ap/afp)