Nürnberg. Ein Versandhaus wird abgewickelt: Die meisten Beschäftigten des Nürnberger Konzerns werden in knapp zwei Wochen bereits entlassen. Eine Auffanggesellschaft ist nach Angaben des Insolvenzverwalters nicht mehr finanzierbar. Das Unternehmen wird zerlegt.

Die meisten der rund 3000 Quelle-Mitarbeiter im Raum Nürnberg-Fürth erhalten nur noch bis zum Ende Oktober ihr Gehalt. Ab 1. November sollen die meisten Beschäftigten freigestellt werden, wie Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg bei einer Betriebsversammlung am Dienstag in Nürnberg mitteilte.

Lediglich einige Mitarbeiter in den Bereichen Callcenter, Bestellaufnahme und Warenlogistik könnten noch einige Zeit weiterarbeiten, hieß es. Mit Rabattaktionen wolle der Insolvenzverwalter nun versuchen, noch ein wenig Geld einzunehmen. Die Finanzierung der Transfergesellschaft, in der bereits entlassene ehemalige Quelle-Beschäftigte unterkamen, sei aber nicht mehr möglich.

Tränen bei der Betriebsversammlung

Bei der Betriebsversammlung selbst gab es nach Angaben von Teilnehmern keine lauten Proteste. Die Stimmung sei sehr angespannt gewesen. Viele Mitarbeiter umarmten sich vor dem Eingang des Werksgelände. Es flossen auch Tränen.

Nach monatelanger Zitterpartie muss das insolvente Versandhaus endgültig schließen und bis zu 9.000 Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit entlassen. Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg und Banken schoben sich gegenseitig die Schuld dafür zu. Ver.di-Gewerkschaftssekretär Johann Rösch sagte: «Das ist eine Katastrophe von A bis Z.»

Görg erklärte die Suche nach einem Käufer für das traditionsreiche Versandhaus in der Nacht zum Dienstag endgültig für gescheitert. Kunden hätten Quelle den Rücken gekehrt, und die Banken hätten die für Quelle lebensnotwendige Vorfinanzierung von Ratenkäufen - das sogenannte Factoring - über das Jahresende hinaus nicht mehr garantiert. Deshalb gebe es jetzt «keine Alternative zur Abwicklung von Quelle Deutschland mehr».

Die Quelle-Hausbank Valovis erklärte dagegen, sie hätte das Factoring auch im nächsten Jahr weitergeführt, und zeigte sich vom Aus für Quelle überrascht. «Damit haben wir nicht gerechnet», sagte eine Sprecherin. Der Bank sei nicht einmal bekannt gewesen, wer die Bieter gewesen seien.

Aus anderen Kreisen hieß es, die Finanzierung sei bis Ende des Jahres gesichert gewesen. Damit hätte es ausreichend Zeit gegeben, einen Käufer zu finden und ein unternehmerisches Konzept für Quelle zu entwickeln. Wer den Banken die Schuld gebe, stelle die Dinge auf den Kopf.

Kein verbindliches Angebot

Der Arcandor-Konzern mit den Töchtern Karstadt und Quelle hatte im Juni Insolvenzantrag gestellt. Seither war die Versandhandelsparte Primondo samt Quelle mit Hilfe eines 50-Millionen-Euro-Kredits von Bund, Bayern und Sachsen über Wasser gehalten worden. Keiner der vier potenziellen Investoren hatte bis Fristablauf ein verbindliches Angebot vorgelegt.

Gewerkschafter Rösch sagte, mit der Abwicklung gingen fast alle der vormals 10.500 Arbeitsplätze verloren. Rund 3.900 Mitarbeitern seien bereits gekündigt worden. Görg spreche von 1.500 weiteren Betroffenen, aber «das ist aus meiner Sicht noch nicht alles», sagte Rösch. In den fünf Quelle-Call-Centern arbeiteten arbeiteten noch über 3.000, bei Primondo-Logistik in Leipzig und Nürnberg 1.250 Mitarbeiter. «Wir befürchten, dass diese Arbeitsplätze bei einer Liquidation auch betroffen sind», sagte Rösch der AP.

Massive Umsatzeinbrüche

Der Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly hofft, dass «vielleicht 1.500, vielleicht 2.500 gerettet werden können». Zugleich kritisierte er im Deutschlandradio den Insolvenzverwalter: «Man hat den Käufern nicht sehr viel Zeit gegeben», sagte Maly. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer sagte, die Politik habe «das Menschenmögliche getan». «Aber wir können als Staat nicht an die Stelle eines Unternehmens treten.»

Die Kunden, die Quelle bis August noch die Stange gehalten hatten, waren zuletzt abgewandert. Nach dem verspäteten Erscheinen des Winterkatalogs sei es zu «massiven Umsatzeinbrüche bis zu 50 Prozent» gekommen, sagte der mittelfränkische SPD-Landtagsabgeordneten Thomas Beyer. Görg sagte, die Debatte über das Factoring habe die Kundschaft verunsichert.

Ausverkauf der Filetstücke

Jetzt will der Insolvenzverwalter Baby-Walz und die anderen Spezialversender der Primondo-Gruppe ihr Geschäft selbstständig weiterführen lassen. Der Verkaufssender HSE24 und das gesunde Auslandsgeschäft von Quelle sollen schnell verkauft werden.

Rösch erklärte, vielleicht sei Görg von seiner Strategie eines Verkaufs der gesamten Primondo-Gruppe abgerückt und habe sich für eine Liquidation von Quelle entschieden, um die Filetstücke wie Baby Walz oder Hess natur besser verkaufen zu können. Unterdessen signalisierte Otto Interesse an Teilen von Quelle. Vor allem die Spezialversender und das Osteuropageschäft von Quelle sollen in Gesprächen mit dem Insolvenzverwalter näher untersucht werden, wie Otto-Sprecher Thomas Voigt sagte.