Berlin. In den Reihen der Union wächst der Widerstand gegen die geplanten Steuersenkungen durch einen Sonderfonds. Einige Ministerpräsidenten warnen vor dem Schattenhaushalt. Roland Koch (CDU) befürchtet tiefe Löcher in den öffentlichen Kassen.

In den Unionsländern wächst der Widerstand gegen die geplanten Steuersenkungen der schwarz-gelben Koalition, die mit der Schaffung des Sonderfonds möglich werden sollen. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch sei "äußerst besorgt über die Vorstellungen von FDP und CSU", berichten Medien. Er fürchte, dass die geplanten massiven Steuersenkungen "tiefe Löcher in die öffentlichen Haushalte reißen."

Die Schuldenbremse im Grundgesetz diene dem Zweck, die Politik des Schuldenmachens zu begrenzen "und nicht darin, die Schulden vor sich selbst zu verstecken", ließ Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) verlauten. Zuvor hatten schon der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff und sein baden-württembergischer Kollege Günther Oettinger (CDU) eindringlich vor Steuersenkungen auf Pump gewarnt.

Die FDP kritisierte die Haltung Kochs. Der Ministerpräsident "hat sich an sonnigen Tagen gern auf der Seite der marktwirtschaftlichen Vernunft gezeigt", äußerte sich Generalsekretär Dirk Niebel. Deshalb solle er jetzt "nicht vergessen, dass spürbare Steuerentlastungen gerade dann geboten sind, wenn die Konjunktur wieder angeschoben werden muss."

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast warf Schwarz-Gelb in Berlin "Trickserei" vor und wurde deutlich: "Die Koalition der kurzen Beine baut einen Haushalt allein auf Lügen auf." Grünen-Haushaltsexpertin Christine Scheel ergänzte zum Thema Sonderfonds: "Er verkleistert den Ernst der Haushaltslage, verlagert das Problem in die Zukunft und ist Lug und Betrug am Bürger." Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir bezeichnete den geplanten Schattenhaushalt für die Sozialversicherungen als "unverantwortlich und skandalös". Den Preis dafür müssten noch Kinder und Enkel abbezahlen. Bürger."

Auch Chefvolkswirt der Deutschen Bank warnt

Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, sprach sich ebenfalls gegen die Einführung von Sonderfonds aus. "Schattenhaushalte gehören ins Schattenreich. Die Ausgaben des Staates dagegen in einen gemeinsamen Haushalt", sagte er in mehreren Interviews. Schwarz-Gelb verletze den Haushaltsgrundsatz der Einheitlichkeit, wenn Teile des Budgets aus der offiziellen Rechnung verbannt würden. "Dieses Vorgehen erinnert an die kreative Ausgliederung von Bilanzteilen durch die Finanzinstitute in der Vergangenheit", kritisierte der Ökonom und mahnte, die Größe und Struktur des öffentlichen Haushalts müsse für den Bürger erkennbar und nachvollziehbar bleiben. Durch die Schaffung eines Schattenhaushalts würden dagegen die strukturellen Probleme der Sozialversicherungssysteme "vernebelt".

Der geplante Schattenhaushalt, der laut Berichten bis zu 60 Milliarden Euro umfassen dürfte, soll über frische Kredite finanziert werden. Im Gespräch ist ein dritter Nachtragshaushalt für das laufende Haushaltsjahr 2009. Die Folge wäre eine Explosion der Neuverschuldung, die jetzt schon den Rekordwert von gut 40 Milliarden Euro erreicht hat.

Schulden dürfen nicht versteckt werden

Skeptisch äußerte sich der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Martin Wansleben. "Schulden dürfen nicht versteckt werden. Wir sollten dazu stehen, dass es Schulden infolge der Krise gibt", sagte er. Der Vorsitzende des Verbands der Jungen Unternehmer, Dirk Martin, sprach von einem faulen Trick auf Kosten der jungen Generation. "Mit dem Schattenhaushalt hebeln die Koalitionäre die gerade erst eingeführte Schuldenbremse wieder aus", fügte Wansleben hinzu. "Anstatt neue Schuldenberge aufzutürmen, sollte die künftige Koalition konkrete Sparvorschläge machen."

Kritik kam auch vom Steuerexperten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Alfred Boss: "Es darf nicht sein, dass die Verfassung einfach ignoriert wird." Der Präsident des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung, Klaus Zimmermann, bezeichnete den Schattenhaushalt als schwarze Kasse: "Damit stellt sich die Koalition einen Blankoscheck für haushaltspolitisches Fehlverhalten in den nächsten Jahren aus." Union und FDP würden mit diesem Vorhaben ihr finanzpolitisches Ansehen von Anfang an ruinieren. Zimmermann: "Die neue Haushaltsparty auf die große Wirtschaftskrise buchen zu wollen, ist ganz schön kühn."

Raumsauer findet Vorwürfe fantasielos

Der Chef der CSU-Landesgruppe, Peter Ramsauer, wies die Kritik an dem Koalitionsvorhaben zurück: "Wenn der Opposition in wichtigen Zukunftsfragen unseres Landes nichts Besseres einfällt als so eine verantwortungslose und fantasielose Kritik, dann tut es mir jetzt schon leid um diese Opposition." Bayerns Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) wies darauf hin, dass es sich um eine begrenzte Maßnahme in der aktuellen Krise handele.

Die bisherige Bundesregierung, insbesondere Finanzminister Peer Steinbrück habe quasi der Bundesagentur für Arbeit jedes Jahr 20, 15, 11 Milliarden Euro als Darlehen zur Verfügung gestellt. Es sei aber nie die Frage gestellt worden, ob die BA überhaupt in der Lage sei, dieses zurückzuzahlen. Fahrenschon: "Deshalb räumen wir auf."

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel erklärte zu dem Sonderfonds: "Ich glaube, dass es ein Ausdruck von Transparenz wäre, wenn wir zu diesem Modell kommen." Die FDP-Justizexpertin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sagte, dass mögliche Ausnahmen bei der Schuldenbegrenzung in krisenhaften Zeiten legal seien. Auch in der zu Ende gehenden Legislaturperiode seien Sondervermögen für die Konjunkturpakete eingerichtet worden. Dieser Sonderfonds werde als eine Möglichkeit diskutiert, um die Defizite der Sozialversicherungen decken zu können, ohne Beiträge zu erhöhen. (ap/afp/ddp)