Berlin. Arbeitnehmer können ab Januar 2010 ihre Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von der Steuer absetzen. Der Bundestag beschloss die Gesetzesänderung, die auf einem Urteil des Verfassungsgerichtes beruht. Der Staat verzichtet auf 9,3 Milliarden Euro. Auch Unternehmen werden entlastet.
Arbeitnehmer können ab Januar 2010 ihre Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung voll von der Steuer absetzen. Dies hat am Freitag der Bundestag in Berlin beschlossen. Der Staat nimmt deswegen nun jährlich 9,3 Milliarden Euro weniger Steuern ein, die Bürger werden entsprechend entlastet. Für die Arbeitnehmer bedeutet das eine Ersparnis von mehreren hundert Euro jährlich.
Urteil des Verfassungsgerichtes war der Auslöser
Steuerlich als Sonderausgaben angerechnet werden Zahlungen zur privaten und gesetzlichen Krankenversicherung - aber nur bis zu der Höhe, die den gesetzlichen Basisleistungen entspricht. Beiträge an die Privaten für eine besondere Versorgung wie etwa Chefarztbehandlung und Einbettzimmer gehören nicht dazu.
Versicherungsbeiträge für Ehepartner, eingetragene Lebenspartner und Kinder werden ebenfalls von der Steuerbefreiung erfasst. Die Beiträge werden bereits im Lohnsteuerabzugsverfahren berücksichtigt, bei gesetzlich Versicherten in pauschalierter Form.
Die Gesetzesänderung hatte das Bundesverfassungsgericht im Februar 2008 verlangt. Laut dem Urteil aus Karlsruhe umfasst das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums nämlich auch Beiträge zu Versicherungen für den Krankheits- und Pflegefall.
Weitere steuerliche Entlastungen von noch einmal mehr als 2,5 Milliarden Euro gibt es für Unternehmen. So wird die Freigrenze bei der sogenannten Zinsschranke von einer auf drei Millionen Euro angehoben. Auch die Umsatzgrenze für die sogenannte Ist-Besteuerung bei der Mehrwertsteuer wird erhöht, allerdings nur befristet bis Ende 2010. Außerdem werden für zwei Jahre Verlustvorträge bei Unternehmensübernahmen erleichtert. Grüne und FDP stimmten gegen das Gesetz, die Linke enthielt sich.
Mehr Netto vom Brutto
Der CSU-Abgeordnete Eduard Oswald sagte, mit dem Beschluss befreie die Große Koalition die Bürger auf Dauer von Belastungen, erhöhe die Gerechtigkeit. Dass Arbeitnehmern mehr Netto vom Brutto bleibe, steigere auch deren Motivation.
Der FDP-Finanzexperte Carl-Ludwig Thiele kritisierte, dass die Koalition gleichzeitig im Gegenzug die steuerliche Absetzbarkeit anderer Vorsorgeaufwendungen einschränke, etwa von Beiträgen zur Arbeitslosen-, Unfall- und Berufsunfähigkeitsversicherung. Der Regierungsentwurf sah ursprünglich sogar vor, diese Beiträge von der Freistellung ganz auszunehmen. Nach heftigen Protesten hatten die Koalitionsfraktionen dieses Vorhaben aber gemildert. Nun können Beiträge für andere Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben abgesetzt werden, wenn sie zusammen mit den Krankenversicherungs- und Pflegebeiträgen pro Jahr 1.900 Euro für Arbeitnehmer und 2.800 Euro für Selbstständige nicht überschreiten.
Thiele sagte, der Beschluss sei auch deshalb kein Zeichen einer «neuen Bescheidenheit» des Staates, weil die Wohltat nicht freiwillig sei, sondern ein zwingendes Urteil des Verfassungsgerichts umsetze.
Die Linken-Abgeordnete Barbara Höll monierte, dass Gutverdiener am stärksten profitieren. Die soziale Gerechtigkeit bleibe auf der Strecke.