Berlin. Nach dem Magna-Einstieg bei Opel beginnen die Verhandlungen über den Personalabbau. Rund 10.000 Jobs stehen europaweit auf der Kippe. Das Bochumer Werk wird es wohl besonders treffen. Hier droht der Abbau von 2000 Arbeitsplätzen. «New Opel» soll noch dieses Jahr stehen.

Bochumer Opel-Werk droht Abbau von 2000 Jobs

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    Patient vor dem Tode bewahrt, aber noch nicht gerettet. So könnte man die Lage bei Opel nach dem Zuschlag für Magna zusammenfassen. Nach der Entscheidung des US-Konzerns General Motors, die Anteilsmehrheit an den kanadischen Zulieferer und die mit ihm verbündete Sberbank abzugeben, kann nun die Sanierung von Opel und der britischen Schwestermarke Vauxhall beginnen. Rund 10.000 Jobs stehen auf der Kippe.

    «Das wird eine große Herausforderung», sagt Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz mit Blick auf die nun anstehenden Verhandlungen mit Magna. Auch der Frankfurter IG-Metall-Bezirksleiter Armin Schild stellt sich aufgrund langjähriger Erfahrungen mit dem kanadischen Zulieferer auf ein hartes Ringen ein: «Da, wo wir mit Magna zu tun haben, ist es ein konfliktreiches Geschäft.»

    Klar ist, Opel muss saniert werden. Fachleute von Magna, die die Opel-Fabriken in den vergangenen Monaten unter die Lupe nahmen, förderten alarmierende Zahlen zutage. So wird der angeschlagene Autobauer im laufenden Jahr wahrscheinlich nur noch 1,16 Millionen Fahrzeuge vom Band rollen lassen, über eine halbe Million weniger als noch vor zwei Jahren und ein Einbruch um fast 20 Prozent gegenüber 2008. Erwartet wird für das laufende Jahr ein Verlust von 2,1 Milliarden Euro. Die deutschen Opel-Werke sind derzeit durchschnittlich nur zu 56 Prozent ausgelastet.

    Bochum besonders betroffen

    Um Opel wieder auf die Beine zu bringen, werden rund fünf Milliarden Euro nötig sein. Unter anderem muss enorm viel Geld aufgebracht werden, um Mitarbeiter loszuwerden. Da Franz und die IG-Metall-Führer seit Monaten immer wieder verdeutlicht haben, dass sie betriebsbedingte Kündigungen nicht mittragen werden, bleibt der künftigen Firmenleitung nichts anderes übrig, als den Beschäftigten Abfindungen anzubieten. Rund 10.000 Jobs will Magna europaweit bei Opel und Vauxhall streichen, das wäre rund ein Fünftel der Belegschaft.

    Nach einem am 17. Juli von Magna und Sberbank vorgelegten Zukunftskonzept für Opel sollen in Deutschland über 3.000 Stellen wegfallen. Die härtesten Einschnitte sind dabei in Bochum geplant. Das Bochumer Werk soll die Produktion des wichtigsten Opelmodells Astra verlieren und künftig nur noch den Zafira bauen. Auch die Produktion von Getrieben soll in Bochum geschlossen werden. Alles in allem droht hier ein Abbau von rund 2.000 Arbeitsplätzen.

    In Rüsselsheim ist nach dem Magna-Papier der Abbau von rund 700 Stellen in der Produktion geplant. Unter anderem sollen 500 Jobs in der Montage, weitere 200 Stellen in der Getriebeproduktion gestrichen werden. Darüber hinaus will Magna rund 1.500 Stellen in Verwaltung und Vertrieb streichen. Da in Rüsselsheim die Opel-Hauptverwaltung steht, dürfte der Standort mindestens 500 Schreibtisch-Jobs verlieren. Im Motorenwerk Kaiserslautern ist der Abbau von rund 300 Stellen geplant.

    "Markt für Markt anschauen"

    Durch den Stellenabbau könnte die Kostenbelastung von Opel pro Jahr um rund eine Milliarde Euro gesenkt werden. Zudem ist der Opel-Betriebsrat bereit, über weitere Einschnitte bei den verbliebenen Beschäftigten mit sich reden zu lassen. Im laufenden Jahr haben die Mitarbeiter auf die ihnen eigentlich zustehenden Tariferhöhung von 4,2 Prozent vorerst verzichtet. Für die Jahre 2009 bis 2014 hat der Gesamtbetriebsratschef einen Sanierungsbeitrag von insgesamt 1,65 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Im Gegenzug sollen die Mitarbeiter zehn Prozent der Anteile an Opel erwerben.

    Doch auch das wird nicht reichen, um den Hersteller wieder profitabel zu machen. «Es wird «für alle Beteiligten ein harter Weg werden», sagte Magna-Gründer Frank Stronach im Interview der Zeitung «Österreich». Opel habe schon lang keinen Profit mehr gemacht. Um dauerhaft aus den roten Zahlen herauszukommen, muss Opel wieder mehr Autos verkaufen. Und so setzt der Magna-Plan auf die allmähliche Steigerung des Absatzes. 1,25 Millionen Fahrzeuge sollen es im kommenden Jahr sein, 1,52 Millionen im Jahr 2012 und 1,64 Millionen 2014.

    Viel ist darüber geschrieben worden, dass der Einstieg der Moskauer Sberbank Opel den russischen Markt öffnen könnte. Von dieser Seite allerdings ist in der nahen Zukunft kaum Entspannung zu erwarten. Der russische Automarkt liegt derzeit genauso am Boden wie der westeuropäische. Opel-Chef Carl-Peter Forster will daher Wachstumschancen für die Marke Opel in bereits entwickelten Märkten weltweit suchen. Auch Taiwan oder Australien gebe es einen Bedarf für Fahrzeuge gehobener Qualität: «Wir werden uns das Markt für Markt anschauen.»

    Kritik an Treuhand-Vertreter

    Die Bundesregierung hat ihren eigenen Vertreter bei der Opel-Treuhand, Manfred Wennemer, wegen dessen Ablehnung des geplanten Verkaufs des Autobauers an Magna kritisiert. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm machte am Freitag deutlich, dass von dem ehemaligen Manager Manfred Wennemer erwartet worden sei, «die Interessen des Treugebers» zu vertreten. Die Bundesregierung bleibe bei ihrer Haltung, dass die Verkaufsentscheidung für Opel eine «gute, eine wirtschaftlich tragfähige Lösung» darstelle. In diesem Sinne hatte sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel geäußert.

    Die eine oder andere Erklärung Wennemers sei «in der Sache nicht nachvollziehbar», sagte Wilhelm. Auf Empfehlung des Verwaltungsrates der Konzernmutter GM hatte der Treuhand-Beirat am Donnerstag nur mit den Stimmen der beiden GM-Vertreter dem Verkauf von 55 Prozent der Opel-Anteile an die Magna-Gruppe und weiterer zehn Prozent an die Opel-Belegschaft zugestimmt. Der zweite deutsche Vertreter, Dirk Pfeil, enthielt sich als Abgesandter der Bundesländer in der Abstimmung.

    Wennemer sagte Opel Insolvenz voraus

    Wennemer, der ehemalige Vorstandsvorsitzende von Continental, hatte am Donnerstagabend nach der Entscheidung im Beirat kritisiert, die notwendige Umstrukturierung finde bei Opel aus politischen Gründen künftig nicht statt. Er sehe den Autobauer in einigen Jahren vor dem Insolvenzrichter. Mit 1,5 Millionen Einheiten pro Jahr sei Opel zu klein. «Opel baut viel zu wenig Autos, um effizient zu sein». Die Vereinbarungen mit GM beließen das volle finanzielle Risiko beim deutschen Steuerzahler. Selbst für den Fall einer Insolvenz werde GM nicht auf Patentzahlungen verzichten.

    Pfeil warf der Bundesregierung vor, sich viel zu früh auf Magna festgelegt zu haben. Aus seiner langjährigen Erfahrung als Insolvenzverwalter wisse er, dass eine frühe Festlegung völlig falsch sei. Er hätte die Aufgabe nicht übernommen, wenn er gewusst hätte, dass es nicht um eine betriebswirtschaftliche, sondern eine politische Entscheidung gegangen sei.

    Er habe sich nur enthalten, weil ein weiteres Hinziehen der Sache noch abträglicher gewesen wäre, sagte Pfeil mit Blick auf die monatelange Ungewissheit für die Opel-Mitarbeiter. Er bekannte auch, dass er dem Konzept des belgischen Investors RHJ zugeneigt gewesen sei, weil dieser das europafreundlichere Konzept vorgelegt habe.

    "New Opel" soll noch dieses Jahr stehen

    Die Verträge für «New Opel» können nach Ansicht der Bundesregierung noch dieses Jahr unter Dach und Fach gebracht werden. Zwischen der Konzernmutter GM und der Magna-Gruppe, die 55 Prozent an Opel übernehmen soll, seien «keine grundlegenden Fragen» mehr zu verhandeln, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Freitag in Berlin. «Eine zügige Lösung noch vor Jahresende» sei möglich.

    Die Bundesregierung muss in den kommenden Wochen mit der EU die finanziellen Hilfen für Opel abklären. Er erwarte nicht, dass es darüber zum Streit komme, sagte Wilhelm.

    Die Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums, Beatrix Brodkorb, teilte mit, es seien Gespräche mit Spanien, Polen und Großbritannien darüber geplant, wie die dem GM-Magna-Geschäft zugesicherten Finanzhilfen von 4,5 Milliarden Euro aufgeteilt werden können. Diese drei Länder sind Opel-Standorte.

    Nach Medienberichten sind ihre Regierungen zu finanziellen Hilfen bereit. Beträge konnte Brodkorb nicht nennen. Es gehe um eine «faire und angemessene Lastenteilung». Zu berücksichtigen sei dabei auch, dass die einzelnen Länder für Staatshilfen unterschiedliche Instrumente zur Verfügung hätten.

    Bundesregierung bekräftigt Unterstützung für Verkauf an Magna

    Die Bundesregierung hat ihre Unterstützung für den Verkauf von Opel an Magna bekräftigt. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte am Freitag in Berlin, es sei «ein gutes, tragfähiges Ergebnis» erzielt worden. Der Verkauf an Magna sei «die beste aller in Rede stehenden Alternativen gewesen» und als solche auch von der Bundesregierung begrüßt worden.

    Nach den Worten des Regierungssprechers werden bereits in der kommenden Woche Gespräche mit den Vertretern der anderen europäischen Länder mit Opel-Standorten aufgenommen. Dabei gehe es auch um die Frage der Verteilung der Lasten von insgesamt 4,5 Milliarden Euro. Daneben gehe es in Gesprächen mit der EU-Kommission um die Beihilfeproblematik. Zudem müssten noch «einige letzte Fragen» im Verhältnis zu General Motors sowie zwischen General Motors und Magna geklärt werden. Die Gespräche würden von den unterschiedlichen Akteuren «mit dem Ziel einer zügigen Lösung noch vor dem Jahresende» geführt, sagte Wilhelm.

    Wilhelm betonte, dass die Bundesregierung den Erfolg Opels nicht garantieren könne. Die Frage sei gewesen, ob das Konzept von Magna wirtschaftlich tragfähig ist - und das sei es aus Sicht der Bundesregierung. Alles weitere sei Sache des Unternehmens. Die Bundesregierung glaube, dass die Voraussetzungen für einen Erfolg Opels bestehen. Dieser müsse aber vom Unternehmen am Markt erreicht werden.

    EU kündigt mögliches Sondertreffen an

    Die Europäische Kommission hat ein mögliches Sondertreffen zum geplanten Verkauf von Opel an den Autozulieferer Magna angekündigt. Das EU-Ministertreffen könne «so schnell wie möglich» einberufen werden, wenn sich dies als nötig erweise, sagte ein Kommissionssprecher am Freitag in Brüssel. Europäische Partnerländer mit Opel-Standorten sind wegen möglicher Entlassungen besorgt. Insbesondere Belgien hatte die Bundesregierung wegen des von der Schließung bedrohten Opel-Werks in Antwerpen zu Absprachen gedrängt. In der nordbelgischen Stadt stehen nach Industrieschätzungen 4000 bis 5000 Arbeitsplätze auf der Kippe.

    Opel beschäftigt in Deutschland im hessischen Rüsselsheim sowie in Bochum, im thüringischen Eisenach und im rheinland-pfälzischen Kaiserslautern 25 000 Mitarbeiter, 5000 davon in Bochum. (ap/afp/ddp)