Bochum. Nach monatelanger Unsicherheit soll die Zukunft für Opel nun Magna heißen. Viele Opelaner hatten auf den Verkauf an den österreichisch-kanadischen Zulieferer gehofft. Aber das lange Warten hat sie mürbe gemacht.
Überzeugter Opelaner war er schon, da wusste er noch gar nicht, dass er dort einmal arbeiten würde. Damals fuhr er einen Kadett Olympia Coupe, sein erstes Auto eben, und es sollten noch viele weitere Opel in seinem Leben geben.
Beruflich jedoch litt er nun monatelang unter einer Art Überdosis davon. Denn seit November, seit erste Gerüchte die Runde machten, das Unternehmen könne die Gehälter nicht mehr zahlen, gab es von morgens früh bis abends spät nur noch dieses eine Thema. Für Rolf Bürkner und seine Familie wie für viele anderen, die sich Opelaner nennen. Und jetzt soll ihre Zukunft Magna heißen. Magna, so groß wie ihre Hoffnungen.
Unsicherheit in der Krise
Zu Hause bei einem von 5300. Bei einem, der Woche für Woche, Tag für Tag ins Werk 1 am Bochumer Opelring fährt. Und das seit 31 Jahren. Nett haben die Bürkners es sich gemacht. Eine komfortable Wohnung mit Balkon im zweiten Stock eines Mehrfamilienhauses, geschätzte zehn Autominuten vom Werk entfernt. Erst letztes Jahr sind Rolf und Marion Bürkner hier eingezogen und haben kräftig investiert. Letztes Jahr, da ging das alles noch. Der Urlaub in Griechenland, der Umzug. Dieses Jahr war alles anders, da wussten sie nicht einmal, ob es Opel demnächst noch geben würde.
Ein paar Tage Bad Zwischenahn haben sie sich gegönnt, ansonsten das Geld zusammengehalten. "Uns geht es ja noch gut. Wir verdienen beide. Wir haben zwei Autos, sind jedes Jahr in den Urlaub gefahren. Schlimm war es für all die Familien, in denen es nur einen Verdiener, aber zwei Kinder gibt", sagt Rolf Bürkner.
Seit Februar ist im Bochumer Werk an 87 Tagen kurzgearbeitet, heißt, nicht gearbeitet worden. "Das sind 200 bis 400 Euro netto im Monat, und die tun vielen wirklich weh", weiß Bürkner. Und obendrauf die ständige Angst, was wohl werden würde.
Bei Opel arbeitet der gelernte Kaufmann seit seinem 21. Lebensjahr. Anfangs am Band, später in der Werkslogistik und seit sieben Jahren, seit seinem Bandscheibenvorfall, in der Qualitätssicherung. Drei Minuten für jeden Opel. Einer rechts, einer links. Blicke, die außen und innen alles abtasten. Den Lack, das Blech, die Einbauteile.
Bochum wird bluten
Wie er hatten viele in Bochum gehofft, dass Opel an Magna, den österreichisch-kanadischen Zulieferer, verkauft werde. Magna, von dem sie sich erhoffen, er könne "uns den russischen Markt öffnen". Doch die Unsicherheit der letzten Monate hat sie mürbe gemacht.
Natürlich sind sie jetzt erleichtert, dass es so gekommen ist. Schließlich gibt es die Zusage von Magna, dass alle vier Opel-Werke erhalten bleiben. Doch Bochum wird dennoch bluten. "2000 bis 2200 Arbeitsplätze werden im nächsten Jahr wohl abgebaut werden, durch Altersteilzeit und Abfindungen", sagt Bürkner. 2200 von insgesamt 5300 Arbeitsplätzen, das ist bitter. Eine Insolvenz hätte sie allerdings härter getroffen, sie hätte für viele Hartz IV bedeutet.
Marion, Bürkners Frau, ist gelernte Dekorationsnäherin. Vor elf Jahren, als ihr letzter Arbeitgeber nur noch Abschläge des Lohnes zahlte, hat sie jedoch den Job gewechselt. Seitdem arbeitet sie in der Küche eines Altenheims, bereitet das Abendessen für die alten Leute zu. In Dauer-Mittagsschicht. Dass er arbeitslos werden könnte, diese Angst hat sie beide belastet. "Ich bekäme nur ein Jahr Arbeitslosengeld und dann - wegen ihres Verdienstes - wäre Schluss. Das ist doch ungerecht. Wenn man so lange gearbeitet hatö, sagt er.
"Zwei Söhne aus erster Ehe hat Rolf Bürkner. Der jüngere, Sebastian, geht noch zur Schule, für ihn zahlt Bürkner Unterhalt. Tobias, der 20-Jährige, macht gerade eine kaufmännische Ausbildung bei Karstadt. Ausgerechnet! Am 1. August erhielt der Sohn ein Schreiben der Geschäftsleitung, sein Lohn werde erst am 28. August ausgezahlt. Auch das sind Sorgen, die Bürkner umtreiben.
Druck lastet auf den Familien
Nicht zu wissen, was wird, das sind die Opelaner gewöhnt. Seit 1994 gab es schließlich immer wieder Probleme. Und auf eine gewisse Art und Weise "stumpft man mit der Zeit sogar ab", doch der Druck, der auf ihm, auf seinen Kollegen und deren Familien in den letzten Monaten lastete, war immens. "Man ist nicht mehr so locker wie früher", sagt er, "da sagte man 'Dann geh ich eben woanders hin!'. Wenn Opel heute dicht machen würde, gäbe es im Umkreis von 300 Kilometern keine Arbeit mehr für uns", sagt er.
Und weil keiner wusste, was wird, sparten sie eisern. Kündigten Handy-Verträge, kürzten Versicherungen, dachten über ihre Lebensversicherungen nach. Seit Donnerstag jedoch ist ihre Zukunft Magna. Zum Greifen nah. Und so hoffen sie beide, Marion und Rolf Bürkner. Sie, "dass endlich Ruhe einkehrt und nicht mehr eine Nachricht die andere jagt". Er, "dass wir noch lange vernünftige Autos bauen können und wir nicht immer denken müssen: Was ist Morgen?"