Washington. Lance Armstrong, einer der schamlosesten und rücksichtslosesten Betrüger der Sportgeschichte, gibt in seiner TV-Beichte bei Talk-Queen Oprah Winfrey nur das über sein jahrelanges Doping zu, was bekannt war. Die erste Etappe des in zwei Teile aufgesplitteten Geständnisses hinterlässt einen mehr als schalen Nachgeschmack - ein Kommentar.

Als Radfahrer hat Lance Armstrong viele steile Berge bezwungen. Für seinen eigenen Mount Everest der Lügen und Selbsttäuschungen ist er entschieden zu schwach. Einer der schamlosesten und rücksichtslosesten Betrüger der Sportgeschichte hat in einer staunenswerten Mischung aus kontrollierter Rührseligkeit und dubioser Zerknirschtheit im Gespräch mit der TV-Talkshowgöttin Oprah Winfrey in groben Konturen zugegeben, was überfällig war: Der Radsport-Champ von einst hat die Sportwelt im Allgemeinen und den Radsport im Besonderen mehr als ein Jahrzehnt lang nach Strich und Faden belogen.

Keiner seiner sieben Tour de France-Siege war „sauber“. Immer waren verbotene Substanzen und Methoden der Leistungssteigerung im Spiel. So weit alles längst bekannt. Auf Tausenden Seiten offizieller Unterlagen von Dopingfahndern und Schiedsgerichten bescheinigt und von zwei Dutzend ehemaliger Teamkollegen und Mitfahrer beglaubigt.

Seit wann und warum hat Armstrong gedopt?

Neu wäre gewesen, hätte er erschöpfend und glaubhaft erklärt, seit wann und warum er gedopt hat? Neu wäre gewesen, hätte er nachvollziehbar erläutert, warum er nicht nur jahrelang gelogen, sondern seine Kritiker beleidigt, bedroht, verfolgt, vor Gericht gezogen und eingeschüchtert hat?

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Neu wäre gewesen, er hätte angekündigt, wer bei dem gigantischen Beschiss die schützende Hand über ihn gehalten hat. Neu wäre gewesen, er hätte signalisiert, wie er den immensen materiellen Schaden bei hinter die Fichte geführten Sponsoren beheben und die immateriellen Wunden heilen will, die er Wegbegleitern und Sportfans geschlagen hat?

Aber Fehlanzeige. Lance Armstrong hat im ersten Teil seiner akribisch vorbereiteten Fernsehbeichte immer dann auf die Bremse getreten oder auf Leerlauf geschaltet, wenn es heikel wurde:

  • Hat er bereits vor seiner Krebserkrankung 1996 Epo, Kortison und andere verbotene Substanzen eingenommen, wie frühere Wegbegleiter an Eides statt erklärt haben, weil sie an seinem Krankenbett Zuhörer entsprechender Gespräche wurden? Armstrong verweigerte die Aussage.
  • Hat der lebenslang gesperrte italienische Arzt Michele Ferrari ihn über ein Jahrzehnt mit Doping-Mitteln versorgt und dafür insgesamt eine Million Dollar kassiert? Armstrong fühlt sich „unkomfortabel“, will nicht über andere Leute reden.
  • Hat er, wie enge ehemalige Team-Kollegen unabhängig voneinander ausgesagt haben, jeden in seiner Nähe massiv zum Doping angehalten und so alles seinem krankhaften Siegeswillen untergeordnet? Armstrong sagt, nachdem er sich zum wiederholten Mal den Kopf gekratzt hat: Nein.

Erste Hälfte der TV-Beichte hinterlässt schalen Nachgeschmack

Die erste Etappe des aus Gründen der Einschaltquoten eines strauchelnden Senders in zwei Teile aufgesplitteten Geständnisses hinterlässt einen mehr als schalen Nachgeschmack. Armstrong schützt Dritte, das konnte man förmlich fühlen. Fast war man geneigt, dem 41-Jährigen anzurechnen, dass er im Beichtstuhl der Fernseh-Priesterin Winfrey nicht zuerst erzählte, dass die anderen auch Sünder waren. Aber selbst diese taktische Zurückhaltung hat einen üblen Geruch.

Am Ende der Sendung wurde die Erinnerungen an eine Szene wach, die sich im Dezember in Denver abgespielt haben muss. Armstrong persönlich suchte Travis Tygart auf, um den Chef der US-Doping-Agentur, die ihn im Oktober mit einem 1000-seitigen Bericht ans Messer geliefert hatte, für eine Strafmilderung gewogen zu stimmen. Das Gespräch verlief unfreundlich. Am Ende verließ Armstrong fluchend den Raum und rief: „Es gibt nur einen Menschen auf der Welt, der den Schlüssel zu meiner Rettung hat - und das bin ich.“

Keine Widerrede. Im ersten Teil seiner TV-Beichte hat Armstrong von diesem Schlüssel keinen Gebrauch gemacht. Es spricht nichts dafür, dass dies in der Fortsetzung anders wird.