Witten/Hattingen. Seit 2023 wird die Wittener Straße zwischen A 43 und Steinenhaus umgebaut. Anwohner leiden unter Schleichverkehr. Was sagt die Polizei dazu?

„Früher war es so schön ruhig hier.“ Das sagt ein Ehepaar, das ein Reihenhaus an der Rüsbergstraße in der Nähe der Kämpenstraße bewohnt. Mit der Ruhe ist es längst vorbei. Damit meinen die langjährigen Hauseigentümer, die namentlich nicht genannt werden wollen, keineswegs die Verlegung eines Glasfaserkabels vor ihrer Haustür. Vielmehr beklagen sie, dass das Autofahrer wegen der Dauerbaustelle auf der Wittener Straße in A.43-Nähe die schmale Straße zwischen Herbede und Hammertal als Abkürzung missbrauchen. Die Polizei reagiert jetzt auf den Anwohnerprotest.I Seit mehr als zwei Jahren geht das so. Grund ist der Umbau der Wittener Straße.

Das Ehepaar steht mit seiner Wahrnehmung keineswegs allein da. Selbst Vorarbeiter Josef Bobowski vom Glasfasertrupp versteht die Verärgerung der Nachbarschaft. „Zwischen 6.30 und 8 Uhr ist es ganz schlimm – und nachmittags zwischen 17 und 18.30 Uhr.“ Gemeint ist der Berufsverkehr. Anwohnerin Sabine Pothöfer (56): „Es werden sogar immer mehr Autos.“

Stoßstange an Stoßstange: Diese Szene aus dem 2023 wiederholt sich morgens und nachmittags im Berufsverkehr auf Wittens Rüsbergstraße in unschöner Regelmäßigkeit.
Stoßstange an Stoßstange: Diese Szene aus dem 2023 wiederholt sich morgens und nachmittags im Berufsverkehr auf Wittens Rüsbergstraße in unschöner Regelmäßigkeit. © Privat | 220456325029102

Bis zu 2000 Autos brettern durch Wittens Rüsbergstraße

Die Situation, die Anwohner „Chaos“ nennen, lässt sich in Zahlen fassen. Die Polizei legte bereits vor gut einem Jahr Daten vor. Demnach brettern täglich 100 Laster durchs Wohngebiet. Dazu kommen bis zu 2000 Fahrzeuge pro Tag. „Mehr als die Hälfte der Autos, die durchfahren, gehören hier nicht hin“, hieß es.

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Die Rüsbergstraße ist nicht für den Durchgangsverkehr gemacht. Sie ist stellenweise nur 2,70 Meter breit. Auf dem ländlichen Teilstück zwischen Kämpen und Hammertal ist die Fahrbahn so schmal, dass nicht einmal zwei Kleinwagen sich ohne Ausweichmanöver begegnen können.

Zudem wird die Straße im Wohngebiet Kämpen mit versetzten Parkboxen, mal links, mal rechts, bewusst verengt. Doch es hilft alles nichts. Der Durchgangsverkehr nutzt das Nadelöhr trotz Sperren offenbar weiterhin, um große Umwege durch Sprockhövel oder Bochum-Stiepel zu vermeiden.

Die schmale Straße ist vielerorts für Begegnungsverkehr zu schmal. 
Die schmale Straße ist vielerorts für Begegnungsverkehr zu schmal.  © WAZ | jürgen overkott

Doch nicht nur die Blechkarawane an sich stresst. Dazu kommt nach Beobachtung von Anwohnern eine allzu häufig aggressive Fahrweise. „Die fahren einem den Hintern ab“, klagt Sabine Pothöfer. Wer sich darüber beschwere, werde beschimpft und angehupt. „Wenn man signalisiert, bitte langsamer fahren, dann geben manche erst richtig Gas. Und es wird gestikuliert“, beobachtet Pothöfer. „Frech, wirklich frech.“

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Gefährliches Chaos im Januar 2023 auf der Rüsbergstraße in Witten: Die stressige Belastung will kein Ende nehmen.
Gefährliches Chaos im Januar 2023 auf der Rüsbergstraße in Witten: Die stressige Belastung will kein Ende nehmen.

Es soll inzwischen sogar schon zu mindestens einem Unfall gekommen sein. Ein geparktes Anwohner-Auto wurde „wirklich heftig“ gerammt, wie es heißt. Es blieb, Gott sei Dank, nur bei Sachschaden. Dabei könnte gerade im Wohngebiet ein schwerer Unfall passieren. Neben Hauseigentümern im Ruhestand leben viele junge Familien. Deren Kinder gehen zur nahen Kämpenschule.

Die genervte Bürgerschaft war frühzeitig auf dem Baum. Sie hat die Behörden auf Trab gebracht hat. Sabine Pothöfer: „Wir haben alle Arten von Kontrollen eingefordert, von der Stadt, der Polizei, von Straßen NRW. Das reichte von Blitzen bis Straßensperre.“ Gelegentlich sei die Polizei auch da, die Stadt ebenfalls. Dann werde schon mal geblitzt. „Wenn wir nachfragen, ob sie noch mal kommen können, heißt es: Wir haben keine Kapazität“, sagt die Vertriebsexpertin für Reinigungsmaterialien.

Wittens Stadtsprecherin Lena Küçük räumt ein, dass Personal für Geschwindigkeitsmessungen nicht immer verfügbar sei. Zugleich gibt sie zu bedenken, dass die Vorschläge zur Verbesserung der Lage entweder rechtlich oder aber praktisch nicht umsetzbar seien - beispielsweise sogenannte Haifischzähne.

Sowohl Ordnungsamt als auch Polizei seien allerdings zu der Erkenntnis gekommen, so Kücük, „dass die Verkehrsmenge abgenommen hat“. Die Rüsbergstraße werde beispielsweise vom Navigationsprogramm Google Maps nicht mehr als Umleitung vorgeschlagen. Straßen.NRW habe sie im Baustellenatlas überdies als „Vollsperrung hinterlegt“.

Was die Stadtsprecherin nicht sagt: Der ortskundige Durchgangsverkehr aus Hattingen, Sprockhövel oder Bochum braucht keinen Navi. Deshalb sind die Anwohner auch so frustriert. Die Baustelle sollte eigentlich nur anderthalb Jahre dauern. Inzwischen geht sie ins dritte Jahr. Straßen NRW erwartet die Fertigstellung nicht vor Ende 2025. Sabine Pothöfer: „Das Problem wird nicht zur Zufriedenheit der Anwohner gelöst. Das wird geflissentlich ignoriert. Es muss wohl erst was passieren. Aber dann ist das Gejanke groß.“

So weit will es die Polizei nicht kommen lassen. Sie hat inzwischen auf den Anwohnerprotest reagiert. Polizeisprecher Jens Artschwager erklärte auf Anfrage, die Polizei unterstütze die Stadt Witten bei Kontrollen. Dabei würden Verstöße von Fahrerinnen und Fahrer geahndet, die sich nicht an die bestehende Regelung halten. Zudem seien Bürgergespräche vorgesehen. Artschwager weiter: „Um die Situation für die Anlieger dauerhaft zu verbessern, werden wir die Kontrollen werden auch in Zukunft fortgesetzt.“

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