Witten. Immer wieder nehmen Menschen eine Abkürzung über die Gleise, um zum Bahnsteig in Witten-Annen zu kommen. Trotz schwerer Unfälle tut sich nichts.

  • Bahn verzichtet in Witten-Annen auf Sonderprüfung
  • Menschliches Fehlverhalten habe den jüngsten Unfall verursacht
  • Es gibt nur einen Zaun an der Märkischen Straße

Einen Schutzengel hatte ein Jugendlicher, der Weihnachten von einer S-Bahn in Witten-Annen-Nord erfasst wurde. Der junge Mann überlebte, nachdem er den Bahnübergang an der Stockumer Straße trotz geschlossener Schranke überquert hatte. Immer wieder kommt es in der Nähe der Station zu Unfällen, zumal es keine wirkliche Hindernisse wie Zäune gibt. Menschen wollen eine Abkürzung nehmen. Die Bahn sieht trotzdem weiterhin keinen Anlass, die Sicherheit zu erhöhen.

Zumal der jüngste Unfall in keinem direkten Zusammenhang mit dem Bahnübergang stehe, wie ein Konzernsprecher auf Anfrage mitteilte. Soll heißen: Nicht technische Mängel an den Bahnanlagen haben das Unglück verursacht. Sondern menschliches (Fehl-)Verhalten. Daher habe man auch keine sogenannte „Sonderverkehrsschau“ veranlasst. „Bei einer solchen würde überprüft, ob man an einem Bahnübergang etwas ändern muss“, so der Bahnsprecher.

Jugendlicher läuft trotz geschlossener Schranke in Witten über die Gleise

Der 17-Jährige wollte am Abend des 25. Dezembers vermutlich die herannahende S-Bahn erreichen und rannte trotz geschlossener Schranke über die Schienen an der Stockumer Straße. Nach Angaben der ermittelnden Bundespolizei in Dortmund soll der junge Mann dabei ausgerutscht und dann von dem einfahrenden Zug erfasst worden sein.

Der Teenager kam mit großflächigen Beinbrüchen ins Krankenhaus. Dort wurde er intensivmedizinisch betreut. Er war erst einige Tage nach dem Unfall wieder bei Bewusstsein, so eine Sprecherin der Bundespolizei. Lebensgefahr habe aber nie bestanden. 2016 ist am Bahnhof in Annen schon einmal ein junger Mensch verunglückt - damals tödlich.

Sicherheit am und um den Bahnhof Annen-Nord ist schon lange Thema

Die Sicherheit am und um den Bahnhof ist schon lange Thema in der Stadt. Schon vor 20 Jahren habe sich die Bürgerinitiative „Liebenswertes Annen“ für einen anderen Zugang zu den Gleisen eingesetzt, sagt Ratsmitglied Siegmut Brömmelsiek. Doch bislang hat sich nicht wirklich viel verändert. Hinzugekommen ist etwa ein Zaun entlang der Märkischen Straße. Eine Fußgängerbrücke über die Gleise hinweg ist zwar von der Stadt angedacht, bislang aber reine Zukunftsmusik.

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Und so ist der Bahnhof weiterhin nur von einer Seite aus über eine Unterführung zugänglich, von Süden über die Annenstraße. Wer aus dem nördlichen Annen kommt, muss zunächst den Bahnübergang an der Stockumer Straße überqueren. Manche sparen sich dann den Weg um das Bahnhofsgebäude herum und laufen direkt entlang der Schienen auf den Bahnsteig. Diesen Zugang zu schließen, ist schwierig bis unmöglich.

Der Bahnhof Witten-Annen-Nord von der Stockumer Straße aus gesehen: Über Trampelpfade gelangt man hier vor Kopf auf den Bahnsteig (hinten rechts im Bild).
Der Bahnhof Witten-Annen-Nord von der Stockumer Straße aus gesehen: Über Trampelpfade gelangt man hier vor Kopf auf den Bahnsteig (hinten rechts im Bild). © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Bahn setzt auf Prävention statt Zäune

Das Betreten der Gleise ist zwar generell verboten, nur halten sich viele nicht daran. „Man darf auf gar keinen Fall, auch nicht für einen kurzen Moment, ins Gleisbett treten“, appelliert die Bahn deshalb nachdrücklich. Das Bahngelände vollständig einzuzäunen, sei nicht möglich. „Schließlich ist unser Streckennetz 34.000 Kilometer lang“, sagt ein Konzernsprecher. „Ein Zaun, der das gesamte Netz absichern würde, hätte eine Länge, die rund zweimal um den Äquator reicht.“

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Zudem hätten Zäune auch einige Nachteile. So wären die Bahnanlagen nicht mehr frei zugänglich, etwa bei einem Notarzteinsatz am Gleis. Auch Reparatur- oder Ausbauarbeiten am Gleis wären dann kaum noch möglich. Aus diesen Gründen würden Bahnanlagen nur in seltenen Fällen in geringem Umfang eingezäunt, so der Sprecher. Man setze vielmehr auf Vorbeugung, gehe etwa in Kitas und Schulen, um Kinder und Jugendliche für die Gefahren zu sensibilisieren.

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Den Bahnhof Annen-Nord hat sich das Unternehmen, das dem Bund gehört, nach eigenen Angaben zuletzt 2022 angeschaut. Dabei sei nichts festgestellt worden. „Jeder Unfall ist einer zu viel, und der aktuelle Fall ist sehr bedauerlich“, so der Bahnsprecher. Aber derzeit seien keine Maßnahmen für den Haltepunkt geplant.

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