Witten. Die schwache Nachfrage der Autoindustrie wirkt sich bei Zulieferern aus. Pilkington-Beschäftigte in Witten bekommen das schmerzhaft zu spüren.
- 80 von über 700 Stellen fallen bei Pilkington in Witten weg
- Umgesetzt wird das Sparprogramm innerhalb weniger Monate
- Betriebliche Kündigungen noch nicht ausgeschlossen
Mit schlechten Nachrichten beginnt das neue Jahr beim Wittener Automobilzulieferer Pilkington. Er will 80 von rund 730 Stellen in Witten abbauen. Umgesetzt wird das umfangreiche Sparprogramm bis April. Grund ist die maue Auftragslage aufgrund der schwachen Nachfrage der Automobilindustrie.
Mitte November waren die „Umstrukturierungspläne“ des alteingesessenen Industrieunternehmens bekannt geworden. Pilkington ist seit 200 Jahren am Standort zwischen Crengeldanz und Sonnenschein. Seinerzeit waren aber noch keine konkreten Zahlen genannt worden, wie viele Beschäftigte betroffen sein könnten.
Beide Fertigungslinien in Witten bleiben erhalten
Anders als in Gladbeck, wo eine von zwei Fertigungslinien für Flachglas seit Anfang Januar stillsteht und rund 100 Mitarbeitende ihren Job verlieren, sollen die zwei Bearbeitungslinien in Witten erhalten werden. Pilkington will sie nun miteinander kombinieren. „Das heißt, wir können dann auf beiden Linien Front- und Heckscheiben herstellen“, sagt Unternehmenssprecher Benjamin Hardt. Infolge des geplanten Stellenabbaus wird dann aber nur noch jeweils eine Linie in Betrieb sein und nicht mehr parallel produziert.
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Das Traditionsunternehmen mit großem Energiebedarf strebt nach eigenen Angaben eine sozialverträgliche Lösung an, schließt derzeit aber auch betriebsbedingte Kündigungen nicht aus. Wenn die Gespräche über Alterszeit und andere Vorruhestandsregelungen geführt worden seien, wisse man mehr, sagte Hardt am Donnerstag auf Nachfrage der Redaktion.
Betriebsbedingte Kündigungen in Witten noch nicht ausgeschlossen
„Im Idealfall gibt es gar keine betriebsbedingten Kündigungen“, so der Unternehmenssprecher. Pilkington befinde sich „kontinuierlich im Dialog mit den Arbeitnehmervertretern und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE), um den Prozess für die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so fair und transparent wie möglich durchzuführen“, wie es in einer offiziellen Mitteilung heißt.
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Offen bleibt derweil noch die Antwort auf die Frage, welche Summen Pilkington durch den Personalabbau einsparen will. Das Unternehmen reagiere mit dieser Maßnahme auf die schwache Nachfrage auf dem deutschen und internationalen Automobilmarkt, heißt es. „Es ist ein Schritt, der uns sehr schmerzt. Aber vor dem Hintergrund der gesamtwirtschaftlichen Situation ist er unumgänglich.“ Im Kalenderjahr 2024 sei der Standort Witten etwa 18 Prozent hinter dem geplanten Volumen zurückgeblieben, „wodurch diese Maßnahme notwendig wurde“, erklärt Sprecher Benjamin Hardt auf Nachfrage.
Enger Austausch zwischen Unternehmen und Betriebsrat
Das Unternehmen betont, schon frühzeitig im engen Austausch mit Betriebsrat und Mitarbeitervertretung gewesen zu sein. „Denn für uns alle ist klar, dass wir den Standort in Witten nur gemeinsam für eine erfolgreiche Zukunft wappnen können“, erklärt Wolfgang Endemann, Geschäftsführer der Pilkington Automotive Deutschland GmbH.
Das unterstreicht auch Volkan Boruk, Vorsitzender des Betriebsrates in Witten sowie des Gesamtbetriebsrates. Er sei guter Hoffnung, dass die anstehenden Veränderungen letztendlich „zukunftsweisend“ sein werden und der Standort noch lange bestehen bleiben wird. Doch der Abbau der rund 80 Stellen sei „nicht abzuwenden“.
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Auch die Arbeitnehmervertretung will einen sozialverträglichen Abbau der Arbeitsplätze, etwa über Altersteilzeit. „Wir versuchen aber, einen Sozialplan abzuwenden“, so Boruk. Denn ein solcher würde ja in erster Linie jüngere Kolleginnen und Kollegen treffen. „Und wir wollen ja zukunftsgerichtet weiterarbeiten“, sagt der 46-Jährige.
2006 aufgekauft
Pilkington ist 2006 von der japanischen Nihon Ita Glass (NSG) Group übernommen worden. Die NSG Group bezeichnet sich als einer der weltweit führenden Anbieter von Glas und Verglasungssystemen im Bereich Architectural, Automotive und Creative Technology.
Die Gruppe verfügt heute über Produktionsstandorte auf der ganzen Welt sowie Vertriebsaktivitäten in über 100 Ländern. In Deutschland ist die NSG Group mit den Geschäftsfeldern Architectural Glass und Automotive vertreten und beschäftigt rund 2500 Mitarbeitende.
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