Witten. Sven Kortmann aus Witten hat sich ganz dem Bergsport verschrieben – und riskiert dafür auch immer wieder sein Leben. Warum macht er das?
Gerade ist Sven Kortmann zu Hause in Witten. Doch nicht mehr lange. Dann zieht es den Extrem-Bergsteiger wieder hinaus auf die Gipfel der Welt. Schon im Februar steht eine Expedition auf den Kilimandscharo in Tansania an, die der 34-Jährige als Bergführer begleiten wird. Doch er hat ein noch größeres Ziel vor Augen: den über 8000 Meter hohen Nanga Parbat im Himalaya. Er ging als „Schicksalsberg der Deutschen“ in die Geschichte ein.
Für den Wittener wäre es nicht der erste Achttausender, den er besteigen würde. 2019 bezwang er den ebenfalls im Himalaya gelegenen „Hidden Peak“ (8080 Meter) – und das ohne Sauerstoff. „Ich versuche jedes Jahr mindestens eine Expedition zu machen“, erzählt Kortmann, der für den Bergsport lebt. „Ich habe mein Leben ums Bergsteigen herumgebaut.“
Ein Leben fürs Bergsteigen
Soll etwa heißen: Kortmann, der Umwelttechnik und Ressourcenmanagement studiert hat, arbeitet derzeit einerseits selbstständig als Industriekletterer, anderseits als Angestellter in einem Logistikbetrieb. „Da kann ich aber auch sagen, dass ich mal zwei Monate weg bin.“ Gleichzeitig nehme er, wann immer es sich anbiete, Aufträge als Bergführer an. Er brauche diese Flexibilität, sagt Kortmann. Gleichzeitig ist seine Leidenschaft teuer, etwa für Flüge und Ausrüstung.
Doch Kortmann riskiert bei seinen Besteigungen auch regelmäßig sein Leben. Denn wer in solche Höhen vordringen möchte, der ist dabei praktisch auf sich allein gestellt - abgesehen von einigen wenigen Expeditionspartnern. Und ab 6000 Metern fliege auch kein Hubschrauber mehr. „Man geht einen Pakt ein: Ab einer bestimmten Höhe kann man sich nicht mehr gegenseitig helfen“, so der Wittener. Breche sich also ein Mitglied der Gruppe etwa ein Bein, dann dürften die Freunde ihm oder ihr nicht helfen, weil sie sich damit selbst gefährden würden.
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Ohne Sauerstoffflasche auf die höchsten Gipfel
Entscheidend sei dabei auch, auf den eigenen Körper zu hören. Und so etwa erste Anzeichen für ein Lungen- oder Hirnödem - häufige Höhenkrankheiten - zu erkennen. „Wenn der Sauerstoff so niedrig wird, verbraucht der Körper irgendwann wahnsinnig viele Kalorien“, beschreibt Kortmann die Situation im Hochgebirge und besonders in der sogenannten „Todeszone“ ab circa 7500 Metern. Dann sei jeder Schritt eine Qual, der Körper beginne, die eigene Muskulatur zu verbrennen. „Er frisst sich langsam selber auf.“
Dennoch verzichtet Kortmann bei seinen Touren auf eine Sauerstoffflasche. „Es würde sich nicht fair anfühlen“, sagt der 34-Jährige. „Ich möchte den Berg aus eigener Kraft bezwingen.“ Und das gelingt ihm auch regelmäßig. Zuletzt war er von Juni bis August 2024 in Pakistan und hat dort den Spantik (7027 m) bestiegen. „Man ist einfach komplett weg, kann abschalten. Das kann man sonst in der Form in unserer Gesellschaft schwer durchsetzen“, beschreibt Kortmann den Reiz der Berge.
„Angst ist der wichtigste Schlüssel beim Bergsteigen“
Gedanken, die sonst kreisen könnten, würden am Berg „auf Null gesetzt“. „Das bleibt zu Hause, sonst macht man Fehler.“ Und genau die könne man sich nicht erlauben. Auch deshalb sei Angst der „wichtigste Schlüssel beim Bergsteigen“. Denn je nachdem, wo man sich gerade befinde, erlaube der Berg nur ein „geringes Fehlerpotenzial“. So wie etwa der Yellow Tower im Ama Dablam, einem Berg in Nepal. Kortmann war 2023 dort.
„Wenn man da klettert, hat man 2000 Meter Luft unter sich.“ Denn es geht steil noch oben, auch für erfahrene Kletterer kann die Stelle eine Herausforderung sein. Am Ende steigt man auf einem kleinen Plateau aus, auf dem sich auch das spektakuläre zweite Hochlager des Berges befindet - auf über 6000 Metern Höhe. Nur die wenigsten würden sich wohl trauen hier zu schlafen, denn die rund zehn bis zwölf Zelte stehen schräg auf einem spitz zulaufenden Felsen. Fast an allen Seiten geht es steil bergab.
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Der perfekte Moment
Kortmann war mit einer Gruppe Freunde unterwegs, kletterte vor und wartete dann auf die Ankunft der anderen. Als sie schließlich ankamen, sei „alles perfekt gewesen“. „Der Ort, die Situation, die Freunde – alles ist im Idealzustand, im Flow.“ Solche Momente seien unbezahlbar – und man erlebe „so intensive Emotionen, die kann der Alltag einfach nicht hergeben.“ Auch deshalb falle er nach der Rückkehr in ein Loch - und plane meist direkt die nächste Tour.
Die geht bekanntlich auf den Kilimandscharo. Den sieht der erfahrene Bergsteiger aber nicht als wirkliche Herausforderung an. Dafür umso mehr den Nanga Parbat, mit 8125 Metern Höhe der neunthöchste Berg der Erde. Die ersten Planungsschritte hat Kortmann bereits getan. 2026 soll es so weit sein. „Das ist einfach ein wunderschöner Berg, die Route ist spannend und technisch interessant“, schwärmt er. Und schließlich sei es ja auch der deutsche Schicksalsberg. In den 1930er-Jahren versuchten mehrere deutsche Expeditionen eine Erstbesteigung - sie endeten fast ausnahmslos mit dem Tod derer, die den Versuch wagten.
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