Witten. . Sven Kortmann unternimmt ambitionierte Expeditionen in den Himalaya. Schon drei Sechstausender bezwang der 27-jährige Student.

Schon den halben Tag ist Sven Kortmann unterwegs. Die letzte Meter mit Steigeisen an den Füßen und Eispickeln in den Händen sind eine Qual. Doch dann hat es der 27-Jährige geschafft und steht auf dem Gipfel des Nirekha, 6 169 Meter über dem Meer. Vor ihm wirft der Himalaya mit seinen eisbedeckten Steinkolossen die bizarrsten Formen. Am Horizont thront über allen der Mount Everest – der höchste Punkt der Erde. Für den Wittener Bergsteiger scheint das Dach der Welt zum Greifen nah.

Es ist nicht so, als wäre Kortmann schon in Kindertagen in den Kletterhallen der Region herumgekraxelt. Lange Zeit war Thaiboxen die sportliche Leidenschaft des Anneners. „Ich war auch nie im Urlaub in den Bergen. Trotzdem haben die mich schon immer fasziniert. Irgendwann habe ich mir gedacht, du lebst nur einmal“, verrät er. Das war 2013. Seitdem steckt der Student, der gerade für seinen Masterabschluss im Fach Umwelttechnik und Ressourcenmanagement büffelt, alles an Zeit und Geld in seine außergewöhnliche Freizeitbeschäftigung: Die Besteigung der Dächer dieser Welt.

Himalaya-Trip startet in Lukla

Nach einem viertägigen Gletscherkurs und zwei kleineren Klettertouren in den Alpen, ging es schon bald von Düsseldorf über Istanbul nach Kathmandu und von dort nach Nepal. „Ich habe mich im Internet schlau gemacht, wie man im Himalaya unterwegs sein kann und wie man dort am besten hinkommt. Mein ursprünglicher Plan war, da einfach mit einem Zelt unterwegs zu sein“, erklärt der 27-Jährige, der so mit dem erfahrenen Leipziger Bergsteiger Olaf Rieck in Kontakt kam. Im April 2015 brach Kortmann schließlich zu seiner ersten großen Expedition ins Himalaya-Gebirge auf. Mit einer kleinen Propellermaschine landete die achtköpfige Gruppe unter der Führung Riecks auf dem unter Nepal-Touristen berüchtigten Regionalflughafen Lukla. Von dort ging es bis hinauf zum 6 461 Meter hohen Mera Peak.

Seither stand Kortmann zusammen mit Rieck u.a. auf dem höchsten Alpengipfel, dem Mont Blanc (4 810 m), dem Nirekha in Nepal (6 169 m) und bestieg das Breithorn (4 164 m) in der Schweiz über die gefürchtete weil steile und vereiste Nordwand. „Das war lustig. Als ich mit Olaf oben über den Rand kletterte, machten die Hobbygruppen große Augen und fragten, wo wir denn herkämen“, erinnert er sich.

Sein bislang größtes Abenteuer erlebte der Wittener zwischen September und Oktober am Shivling (6 543 m) in Indien. „Die Gipfelwand war 400 Meter hoch und bis zu 60 Grad steil. Um Pause zu machen konnte man sich nur mal kurz in die Wand lehnen, mehr ging nicht“, sagt Kortmann, dass er insgesamt zwei Stunden hinauf gebraucht hätte und die Euphorie auf dem Gipfel eher gedämpft gewesen wäre: „Schließlich mussten wir ja auch wieder runter. Beim Abstieg passieren 80 Prozent der Unfälle. Man muss immer superkonzentriert bleiben.“ Nach insgesamt 14 Stunden Kletterei am Stück war es schließlich geschafft und die Gruppe war zurück im Lager.

Asketische Vorbereitung

Beeindruckender Ausblick vom Schlafgemach der Bergsteiger auf den Himalaya.
Beeindruckender Ausblick vom Schlafgemach der Bergsteiger auf den Himalaya. © Sven Kortmann

Um es mit einer der unwirtlichsten Regionen der Erde aufnehmen zu können, bereitet sich der Student fast asketisch auf seine Trips vor. Alkohol ist tabu. Dafür wird fünf Mal in der Woche trainiert. Vor allem Kondition. Ins Fitnessstudio geht Kortmann nicht. „Das wäre uneffektive Muskulatur“, erklärt er. Für Ausrüstung und um die Expeditionskosten, die schon im hohen vierstelligen Bereich liegen können, zu bezahlen, verzichtet Kortmann auf einiges. „Ich stecke all mein erarbeitetes Geld da rein“, erklärt er. Sein Ziel: Einmal als Profi seinen Lebensunterhalt mit dem Bergsteigen verdienen zu können.

In sportlicher Hinsicht steht noch der Hidden Peak zwischen Pakistan und China auf Kortmanns Agenda. Mit 8 080 Metern ist er der elfthöchste Berg der Erde. 2018 geht’s allerdings erst einmal zum Muztagata (7 509 m/China). Schon bald wird es den Studenten, der Weihnachten im Kreis der Familie verbringt, also wieder hinausziehen in die Welt der weißen Steinkolosse.