Witten. 8080 Meter über dem Meer: Sven Kortmann aus Witten gehört zu den wenigen, die ohne künstlichen Sauerstoff den „Hidden Peak“ bestiegen haben.

Er sucht das Extreme und hat es in einem der anspruchsvollsten Hochgebirge der Welt gefunden. Sven Kortmann bezwang mit dem „Hidden Peak“ den elfthöchsten Berg der Erde. Er war ganz oben und hat es ohne künstlichen Sauerstoff geschafft.

„Ich weiß, dass Bergsteigen kein sicheres Lebenskonzept ist“, sagt der junge Wittener. „Aber es gibt einem persönlich und mental zu viel, als dass man damit aufhören könnte. Auch auf die Gefahr hin, dass man nicht wieder zurückkommt.“ Aber der 29-jährige ist zurückgekommen, vom Gipfel des Hidden Peak, der „versteckten Spitze“, auch Gasherbrum I genannt, im Karakorum. Dafür hat über Wochen eine Leben am Limit geführt.

Eine Höhenrettung gibt es nur bis 5000 Meter. Sonst bleibt man im ewigen Eis

Bergsteiger Sven Kortmann, hier 2017 in der Wittener Bahnhofstraße.
Bergsteiger Sven Kortmann, hier 2017 in der Wittener Bahnhofstraße. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald (theo)

Auf einen Achttausender klettert man nicht einfach so. 75 Tage hat Kortmanns Pakistan-Expedition gedauert, die er mit zwei befreundeten Alpinisten bewältigt hat, Jacob Andreas aus Berlin und Olaf Rieck aus Leipzig. Geplant haben sie ihren Trip schon seit Anfang 2018. Vor dem Hidden Peak steht ein Riesenberg an Logistik. Wer in solche Höhen vordringen will, ist praktisch auf sich allein gestellt.

Das heißt im Kleinen: Man muss sein Essen, Zelte, alle Lebensnotwendige mitbringen. Und im Großen: Eine Höhenrettung gibt es nur bis 5000 Meter. Wer auf dem Berg verunglückt (und Kortmann hat durchaus einen Toten gesehen), bleibt im ewigen Eis liegen. Überhaupt heben die Retter nur mit ihrem Hubschrauber vom Boden ab, wenn vorab eine fünfstellige Summe auf ihr Konto fließt.

Wittener erklimmt Hidden Peak

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    Kortmann und Kollegen haben sich dem „fairen Klettern“ verschrieben. Sie hinterlassen keinen Müll, verzichten auf Aufstiegshilfen und Sauerstoff. Gebucht hatten sie nur eine Agentur, die sie vom Flughafen in Islamabad zum Basiscamp auf 5100 Metern bringt. Das heißt allerdings: 120 Träger wurden engagiert, die die drei Deutschen erst in Jeeps in die Berge fahren, dann Mulis (Maultiere) und sich selbst beladen – mit 1200 Kilo Gepäck. Der Weg führt über den 60 Kilometer langen Baltoro-Gletscher, den weltweit größten fließenden Gletscher. Der Hidden Peak liegt auf der Grenze zwischen Pakistan und China. Das Areal ist militärisches Sperrgebiet.

    Ein Bild vom Dach der Welt zu mailen, dauert eine Viertelstunde und kostet 50 Euro

    Das dritte Lager befand sich auf 7100 Meter Höhe. Der Blick ist grandios, die Luft sauerstoffarm. „Man wird nachts wach und hat das Gefühl zu ersticken“, erinnert sich der Wittener Bergsteiger.
    Das dritte Lager befand sich auf 7100 Meter Höhe. Der Blick ist grandios, die Luft sauerstoffarm. „Man wird nachts wach und hat das Gefühl zu ersticken“, erinnert sich der Wittener Bergsteiger. © Sven Kortmann

    Was kostet eine solche Reise? 15 000 Euro pro Person werden es wohl gewesen sein. Für 400 Euro wurde zum Beispiel ein Wetterdienst gebucht, der täglich Daten lieferte. 1200 Euro kostete die Nutzung eines Satellitentelefons, um E-Mails zu empfangen oder zu verschicken. Ein Bild zu mailen, dauert vom Dach der Welt etwa eine Viertelstunde. Und kostet: 50 Euro.

    Der Bommeraner gab für diesen Traum alles, was er hatte. Er löste zwei Bausparverträge auf und nahm all seine Ersparnisse mit. Vor Ort sah er, dass Bergsteigen auch ganz anders geht. Vermögende Alpinisten lassen Sherpas aus Nepal einfliegen, sie tragen nicht mal einen Rucksack selbst. „Man trifft am Achttausender extrem unangenehme Egos“, sagt Sven Kortmann.

    Über 8000 Meter- Wittener besteigt den Hidden Peak

    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen.
    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen. © Sven Kortmann | Sven Kortmann
    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen.
    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen. © Sven Kortmann | Sven Kortmann
    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen.
    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen. © Sven Kortmann | Sven Kortmann
    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen.
    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen. © Sven Kortmann | Sven Kortmann
    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen.
    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen. © Sven Kortmann | Sven Kortmann
    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen.
    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen. © Sven Kortmann | Sven Kortmann
    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen.
    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen. © Sven Kortmann | Sven Kortmann
    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen.
    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen. © Sven Kortmann | Sven Kortmann
    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen.
    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen. © Sven Kortmann | Sven Kortmann
    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen.
    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen. © Sven Kortmann | Sven Kortmann
    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen.
    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen. © Sven Kortmann | Sven Kortmann
    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen.
    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen. © Sven Kortmann | Sven Kortmann
    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen.
    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen. © Sven Kortmann | Sven Kortmann
    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen.
    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen. © Sven Kortmann | Sven Kortmann
    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen.
    Ohne Flaschensauerstoff hat Sven Kortmann den elfthöchsten Berg der Erde bestiegen. © Sven Kortmann | Sven Kortmann
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    Vom Basislager schleppten die drei Deutschen ihre Ausrüstung zu drei weiteren Camps, auf 5900, 6400 und 7100 Meter. Dort stellten sie je ein Zelt auf und deponierten Proviant. Zwischendurch erfolgten immer wieder Abstiege, um weiteres Gepäck zu holen und um sich an die Höhe zu gewöhnen.

    „Der Körper schreit durchgehend: Lass mich hier wieder runter!“

    Wie belastend ist das Leben mit so wenig Sauerstoff? „Man leidet unter Kopfschmerzen, Übelkeit, schleppt sich durch den Tag. Der Körper schreit durchgehend: Lass mich hier wieder runter!“ sagt der Wittener. Schlafen kann man kaum. „Man wird nachts wach und hat das Gefühl zu ersticken.“

    Der Sprung über eine Gletscherspalte: Bis zu 50 Meter tief geht es dort hinunter. Eine Höhenrettung gibt es nicht.  
    Der Sprung über eine Gletscherspalte: Bis zu 50 Meter tief geht es dort hinunter. Eine Höhenrettung gibt es nicht.   © Sven Kortmann

    Am 19. Juli, 0.30 Uhr, macht sich die Gruppe schließlich auf zum Gipfel. Mit seiner Kopfkamera filmt Sven Kortmann den mühsamen Aufstieg. Teils geht es kräftezehrend durch knie- und hüfthohen Schnee. Über Gletscherspalten, die 50 Meter in die Tiefe führen oder sich unter Schneeverwehungen verstecken. „Man geht durchgehend über seine Grenzen. Das ist eine Selbsterfahrung mit sich, gerade beim Gipfelgang“, sagt der studierte Umwelttechniker. Um 14 Uhr haben sie ihr Ziel erreicht, genau als Schneefall einsetzt und den Blick über das Karakorum-Panorama versperrt. Aber ein Lebenstraum ist erfüllt, für 20 Minuten ganz oben auf der Spitze.

    Die große Gefahr ist der Abstieg. Kortmann, Andreas und Rieck brauchen nur drei Stunden bis in ihr oberstes Lager. In den nächsten Tagen räumen sie jeweils ihre kleinen „Camps“ und klettern tiefer. Die Anspannung ist weiterhin groß. „Lawinen, Steinschlag, Eisschlag, Spaltensturz, das sind ja Gefahren, die bleiben“, so der 29-Jährige. Richtig aufatmen konnte er erst bei der Ankunft im Basislager. „Bergsteigen ist kein Genusssport. Man sieht unfassbar schöne Dinge, aber man muss sehr leidensfähig sein“, sagt Sven.

    Der Baltoro-Gletscher liegt zwischen den Achttausendern. Mit Maultieren wurde die Ausrüstung - 1400 Kilo - zum Basislager am Hidden Peak transportiert.  
    Der Baltoro-Gletscher liegt zwischen den Achttausendern. Mit Maultieren wurde die Ausrüstung - 1400 Kilo - zum Basislager am Hidden Peak transportiert.   © Sven Kortmann

    Rückblickend war diese Reise für ihn „ein Startschuss“, sein Leben dem Bergsteigen zu widmen. Schon jetzt arbeitet der Ruhrstädter weltweite als Guide, also als Führer. Zurzeit sucht er einen Sponsor. Er trainiert täglich, indem er viel Rennrad fährt und zum Beispiel im Muttental klettert. Und er plant Vorträge – etwa im März bei der Wittener VHS.

    Profitieren können andere nicht nur von schönen Bildern, sondern vor allem seinen Erfahrungen, etwa wie man seine Angst kontrolliert. Für Sven Kortmann ist das die entscheidende Komponente. „Die Angst ist es, die uns am Leben hält.“

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    Zahl der Extrem-Bergsteiger klettert nach oben

    Laut Wolfgang Wabel, Geschäftsbereichsleiter Bergsport beim Deutschen Alpenverein, dürfte Sven Kortmann zu einer Handvoll Menschen aus dem Ruhrgebiet zählen, denen es gelungen ist, einen Achttausender ohne Sauerstoff und auf eigene Faust zu besteigen. Diese 14 Berge sind Mount Everest, K2, Kangchendzönga, Lhotse, Makalu, Cho Oyu, Dhaulagiri I, Manaslu, Nanga Parbat, Annapurna I, Gasherbrum I (Hidden Peak), Broad Peak, Gasherbrum II und Shishapangma liegen alle im Himalaya bzw im benachbarten Karakorum. Den Hidden Peak haben laut einer Zählung bis zum Jahre 2010 erst 298 Menschen bestiegen.

    Insgesamt steigt die Zahl der Extrem-Bergsteiger rasant: Grund sind kommerzielle Expedition, die bis hin zu Trägern und Sauerstoffflaschen alles organisieren. Touristische Auswüchse wie man sie zurzeit am Mount Everest erleben kann, gibt es an den anderen Bergen nicht, so Wabel.