Witten. Rabatte im Supermarkt gibt‘s oft nur noch digital. Doch nicht jeder besitzt ein Smartphone. Eine Wittenerin findet das App-System ungerecht.

Früher war nicht nur mehr Lametta, früher gab‘s auch Rabattmarken im Supermarkt. Die hat der Kunde gesammelt, eingeklebt und sich über Vergünstigungen gefreut. Doch diese Zeiten sind so gut wie überall vorbei. Ob bei Lidl, Aldi, Netto, Penny, Rewe, Edeka oder Kaufland: Längst sind digitale Payback-Punkte oder Bonus-Apps auf dem Vormarsch. Die funktionieren nur mit einem Smartphone - und sind deshalb nicht jedermanns Sache. „Das ist schrecklich“, sagt etwa Rentnerin Brigitte Vieth über die digitalen Preisnachlässe. Die 75-jährige Wittenerin spricht gar von „Altersdiskriminierung“.

Die Frau vom Crengeldanz hat zwar keine üppige Rente, „ich komme aber zurecht“. Über günstige Angebote, vor allem beim Kauf von Lebensmitteln, freut sie sich dennoch. Brigitte Vieth besitzt auch ein Smartphone, mit dem sie einigermaßen umgehen kann. Doch eine App herunterzuladen, um damit Rabatte auf Obst, Gemüse und anderes zu bekommen - das ist nicht ihr Ding.

Wittener Seniorin erntet mitleidige Blicke

Regelmäßig steht sie deshalb im Discounter oder Supermarkt an der Kasse und hört die Frage: „Haben Sie eine App?“ Regelmäßig muss sie verneinen - und erntet oft mitleidige Blicke anderer Kunden. Neulich wollte sie fünf Pakete Butter kaufen, um Kekse zu backen. Sie freute sich: Die Butter war im Angebot. Doch den günstigeren Preis hätte sie nur mit der App erhalten. „Ich habe dann gezwungenermaßen - wie so oft - den vollen Preis bezahlt“, sagt die Seniorin. „Ich finde das ungerecht.“

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Ihr seien diesbezüglich noch keine Beschwerden zu Ohren gekommen, sagt Songül Grütter vom Edeka-Markt in Herbede. Seit etwa fünf Jahren erhalten Kunden im Supermarkt an der Wittener Straße mit der Bonus-App zusätzliche Rabatte. Die Nachfrage sei groß. „Rund 90 Prozent unserer Kunden nutzen das“, schätzt die Chefin. Es gebe aber nach wie vor auch ganz klassische Angebote im Laden, von denen alle profitieren.

Auch die Wittener Rewe-Märkte bieten ab sofort eine eigene Bonus-App an.
Auch die Wittener Rewe-Märkte bieten ab sofort eine eigene Bonus-App an. © dpa | Georg Hilgemann

Die sind auch im Boni-Center stets in den Regalen zu finden. Ganz neu: Seit Montag (30.12.) setzt Rewe auf ein eigenes Kunden-Bindungsprogramm. „Die Daten werden dann nicht mehr an Dritte weitergegeben wie vorher bei Payback, sondern sind ausschließlich über unsere Rewe-Datenbank verfügbar“, erläutert Boni-Marktleiter Kevin Neale. Man habe grundsätzlich sehr gute Erfahrung mit den Treueprogrammen gemacht. „Das hat sich etabliert, auch bei Älteren“, sagt er. Sein Credo: „Kunden, die die App nicht nutzen, sind nicht benachteiligt. Sie haben nur keinen Vorteil.“

„Möge man uns das Bargeld lange erhalten.“

Rentnerin Brigitte Vieth (75)

Bei Edeka Schwalemeyer in Bommern ticken die Uhren etwas anders. „Modern und altmodisch muss kompatibel sein“, sagt Christina Schwalemeyer. Natürlich gibt es die eigene Bonus-App, bei deren Nutzung viele Rabatte drin sind. „Doch unser Markt funktioniert auch autark - mit Angeboten und Aktionen außerhalb der App.“

Die Mischung sei entscheidend, sagt die Chefin, die sich mit Vater Ralf die Geschäftsführung teilt. Deshalb gebe es zwischendurch auch noch echte Rabattkärtchen sowie Prospekte aus Papier. „Wir haben so viele Kunden, die danach fragen.“ Gleichzeitig bietet der Laden auch digitale Einkaufswagen an - für die man kein Handy benötigt.

Wittenerin: Angst vor der digitalen Zukunft

Brigitte Vieth wüsste das sicher zu schätzen, wenn sie in der Nähe wohnen würde. Sie weiß aus ihrem Bekanntenkreis: „Wir sind keine Einzelfälle. Viele ältere Menschen scheuen die App.“ Und damit, sagt sie, hören die digitalen Hürden ja nicht auf. Auch Arzttermine könnten oft nur noch online gebucht werden. Nicht ihr Ding. Da schaut sie lieber persönlich vorbei. Bankgeschäfte würde die Wittenerin niemals online abwickeln. „Davon lasse ich die Finger. Das ist mir zu gefährlich.“

Zwar weiß sie, wo sie Unterstützung findet, wenn es mal absolut gar nicht ohne Handy geht oder Schwierigkeiten im Umgang mit dem Gerät auftauchen: eine Treppe höher. „Ich habe eine tolle Hausgemeinschaft mit vielen jungen Leuten. „Die helfen mir dann.“ Trotzdem habe sie manchmal regelrechte Zukunftsangst. Sie hofft: „Möge man uns wenigstens das Bargeld lange erhalten, sonst weiß ich nicht mehr, wie es weitergehen soll.“

Einkaufen mit Bonus-Programmen

Es gibt hierzulande verschiedene Bonus-Programme, die die Kundenbindung verstärken sollen. Rewe und Penny verlassen aktuell Payback mit seinem Punktesystem und nutzen ein eigenes Treueprogramm. Dafür werden bei Payback ab dem neuen Jahr andere Supermärkte hinzukommen, etwa Edeka und Penny. Beide waren bislang beim Konkurrenzanbieter Deutschlandcard.

Und so funktioniert die neue Bonus-App: Wer an dem Programm teilnimmt, lädt vor dem Einkauf die App herunter und scannt diese an der Kasse ein. So können Kunden ein Geld-Guthaben sammeln, das nicht zuerst in Punkte umgerechnet wird. Dieses Guthaben können sie beim nächsten Einkauf insgesamt oder auch nur teilweise einlösen.

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