Witten. Nicht früh genug können sich Unternehmen um ihre Nachfolge kümmern. Wohl denen, die das in der Familie regeln - wie bei Edeka in Witten-Bommern.
Manchmal drückt sich der Unterschied zwischen den Generationen ja schon sprachlich aus, auch wenn man sich in der Sache einig ist. Um einen großen Supermarkt wie den Edeka in Witten-Bommern zu führen, „muss man mit dem Herzen dabei sein“, sagt Inhaber Ralf Schwalemeyer (64). Seine Tochter Christina (28), die in wenigen Jahren seine Nachfolgerin werden könnte, sagt es so: „Man muss Bock darauf haben.“ Hat sie. Vielleicht noch nicht sofort, aber bald, wenn sie richtig in diese Schuhe hineingewachsen ist.
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Es geht um das Thema „Nachfolge“, mit dem sich viele Unternehmen bekanntlich schwer tun, auch oder gerade Familienbetriebe. Die Generation „Work-Life-Balance“ will nicht mehr wie die Eltern schuften, sondern lieber gut leben, gern in Teilzeit. Und wer will schon, dass der Papa ständig noch reinquatscht? Aber vielleicht lässt sich ja beides miteinander vereinbaren - Lebensqualität und trotzdem alles für den Job geben, eigenständig sein und dennoch die Begleitung durch den erfahrenen Elternteil zulassen.
Bei den Schwalemeyers klingt es so, als könnte es funktionieren. Sie haben vier Marktleiter, denen sie das Tagesgeschäft vor Ort überlassen, „und wir sind morgens auch nicht die Ersten“, sagt der Senior. Er wohnt in Witten, seine Tochter in Bottrop-Kirchhellen. Wer wann was tut, ist jedem selbst überlassen. Selbst bestimmt zu arbeiten, gehört zweifelsohne dazu, wenn der Papa sagt: „Man muss Spaß daran haben, was man tut.“ Das treffe auf die 50-köpfige Belegschaft genauso zu. Dann kann man auch was verlangen.
„Man muss Spaß daran haben, mit Menschen umzugehen, mit der Ware und auch damit, Stress zu haben“, sagt Ralf Schwalemeyer, der 1974 seine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann gemacht hat. Er ist zwar mit Lebensmitteln groß geworden - die Mutter arbeitete bei der „VA Verkaufsanstalt“ in seiner Heimatstadt Oberhausen, der Vater war Bergmann. Doch er hat nicht davon geträumt, später an der Obst- und Gemüsetheke zu stehen. „Ich wollte Direktor werden“, erinnert sich der 64-jährige schmunzelnd an seine Kindheit. Nun, irgendwie hat er das ja auch geschafft.
Nach fünf Jahren als Marktleiter - aus der Verkaufsanstalt wurde „Spar“ - heuerte er später bei Edeka an. Als dort die Scanner-Kassen Einzug hielten, habe er „600 Märkte“ darauf umgestellt. „Mein Vater liebt Technik“, sagt Tochter Tina, die als Kind natürlich einen Kaufladen bekommen hat. „Gespielt hat damit aber mein Vater.“ Ihr gefiel die große Kasse.
Auch Christina Schwalemeyer war trotz ihrer Herkunft nicht von vornherein auf eine Laufbahn in der Lebensmittelbranche fixiert. „Ich wollte nach dem Abi eigentlich erst in die Medizin“, sagt die 28-Jährige, deren Schwester Zahnärztin geworden ist. Dann ist sie aber doch „schnell in den kaufmännischen Part“ hineingerutscht.
Der Ausbildung folgten fünf Jahre im Vertrieb von Edeka. „Dort habe ich Märkte umgebaut.“ Trends zu entdecken, gehörte zu ihren damaligen Aufgaben. Christina Schwalemeyer spricht von „Sortimentsoptimierung“. Was nicht heißt, dass sie den väterlichen Betrieb nach ihrem Eintritt im November letzten Jahres gleich komplett umgekrempelt hat.
Aber etwas Veränderung tut ja immer gut, und so konnte sie zum Beispiel schon manches umstellen oder modernisieren, etwa im „Non-Food“-Bereich, wo sie Neues wie Tupperware in die Regale stellen ließ. Im Juli, wenn Elektro Hoffmann als Untermieter ausgezogen ist, wollen sie den Edeka in Bommern ein wenig umbauen.
Obst und Gemüse wird neu, „da vorne kommt die Bioecke rein. Da lässt er mir freie Hand“, sagt Christina Schwalemeyer und sieht ihren Vater an. Und wenn man sich mal nicht einig ist? „Dann wird das ausdiskutiert“, sagt der Seniorchef.
Und betont: „Ich habe meine Tochter nie gezwungen, in den Laden zu kommen.“ Aber natürlich freut er sich, wenn sich die Nachfolge familiär regeln ließe. Noch ist er ein ganzes Weilchen da, der Kaufmann könnte sich eine „geregelte Übergabe in zwei, drei, vier Jahren“ vorstellen. Derzeit teilen sich Vater und Tochter die Geschäftsführung. Sie haben ja auch noch einen „neuen Laden vor der Brust“. Mitte 2025 wird eine weitere Filiale in Wengern eröffnet.
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Ralf Schwalemeyer hat seinen ersten eigenen Markt 1999 in Bochum-Laer gegründet. Später übernahm er einen kleinen Edeka in Heven, bevor er 2006 an den Bodenborn und 2014 schließlich in die „Neue Mitte“ am Bommerfelder Ring zog.
Seine Tochter sagt, dass sie sich „auf der Fläche“ gut auskenne, aber noch viel „im hinteren Bereich“ lernen müsse. Gemeint ist vor allem das Wirtschaftliche. Sie hat ja noch genug Zeit und muss sich heute noch nicht entscheiden, ob sie ihrem Vater das Geschäft eines Tages abkauft oder nicht.
Für gute Tipps ist es also noch ein wenig zu früh, aber einen hätte Ralf Schwalemeyer schon: „Immer Mensch bleiben und nicht den großen Zampano spielen.“ Er selbst, der früher noch den typisch weißen Baumwollkittel eines Lebensmittelhändlers trugt, wirkt heute schon recht unauffällig, wenn er in seiner dunklen Weste durch den Laden geht. „Oh, da kommt ja der Chef“, sagt hier keiner. Würde er auch gar nicht wollen.
Den Einkaufszettel schreibt seine Frau
Bleiben noch zwei wichtige Fragen zum Schluss: Wer kauft beim Ehepaar Schwalemeyer eigentlich ein? „Meine Frau schreibt mir einen Zettel“, sagt der 64-Jährige. Und was isst er selbst am liebsten? Nun, da ließe sich einiges aufzählen. Zu seinen Lieblingsgerichten gehört Rinderroulade nach Hausenfrauenart „mit Zwiebeln und Senf“. Tochter Tina, ein Kind des Ruhrgebiets, mag Currywurst Pommes, ohne Majo. „Das war früher das Standardgericht der Marktleiter.“