Witten. Vier Menschen wurden an der A43-Brücke bei Witten-Herbede mit einer unerwarteten Situation konfrontiert. Sie bewiesen Zivilcourage.

  • Vier Menschen haben mutig reagiert, als sie mit einer unerwarteten Situation konfrontiert wurden.
  • Eine Frau wollte sich an der Autobahnbrücke der A43-Anschlussstelle Witten-Herbede auf die Fahrbahn stürzen.
  • Ein Ehepaar aus Herbede war dabei und schildert seine Perspektive der Ereignisse.

Diesen Vormittag werden Detlef (58) und Tina (56) Claus nicht so schnell vergessen. Das Ehepaar wollte gerade an der Anschlussstelle Witten-Herbede auf die A 43 in Richtung Wuppertal auffahren. Plötzlich sahen die beiden auf der Autobahnbrücke einen älteren Menschen, der über das Geländer geklettert war. Während zig Autofahrer zuvor nicht angehalten hatten, trat Detlef Claus sofort auf die Bremse - und bewies Zivilcourage.

„Die Situation war auch im Vorbeifahren eindeutig. Da wollte sich offenbar jemand hinabstürzen. Die Frau stand mit dem Gesicht zur Autobahn, hielt sich nur noch mit den Händen fest“, schildert Claus sein Erlebnis einen Tag später. Er dachte sofort: „Hier geht es um Leben und Tod.“ Wenige Meter entfernt sah er, wie ein Mann telefonierte. Es war ein Mitarbeiter der Straßenmeisterei, der bereits die Polizei informierte, wie sich später herausstellte.

„Ich habe halt irgendwas geredet“

Detlef Claus

Detlef Claus stieg aus seinem Wagen und lief über die Gegenfahrbahn in Richtung der Frau. Diese signalisierte ihm per Handzeichen, nicht näherzukommen. „Ich habe sie dann ganz ruhig angesprochen, erzählt, dass ich aus Herbede komme“, sagt er. „Ich habe halt irgendwas geredet.“ Man wisse ja nicht, was in so einem Moment richtig und falsch ist. Zuzugreifen - das war jedenfalls keine Option. „Dazu war ich zu weit weg. Und das hätte auch schiefgehen können.“

Dann fiel Claus auf, dass die Frau immer wieder auf die Autobahn hinabschaute. „Ich dachte, die wartet auf einen Lkw, um sich überfahren zu lassen.“ Inzwischen - er hatte vielleicht eine Minute „geplaudert“ - stieg auch Tina Claus aus dem Wagen. „Wir dachten, es wäre vielleicht eine gute Idee, von Frau zu Frau zu reden.“ Unterdessen traf Detlef Claus eine Entscheidung, die für ihn böse hätte enden können: „Ich wollte die Autobahn sperren.“

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Die Treppe, die zur richtigen Fahrbahn führt, konnte er nicht nutzen, da sie sich in der Nähe der Frau befand. Also ist Claus auf die Auffahrt gefahren und hat dort einfach angehalten. Weil es die falsche Seite war, musste er die vierspurige Autobahn zunächst überqueren - ein ebenfalls halsbrecherisches Unterfangen. „Berufsbedingt muss ich oft einen Überblick über Gefahrensituationen behalten“, erklärt Claus, der seinen richtigen Job nicht nennen möchte.

Er wartete große Lücken ab, bevor er hinüberging, winkte dann den ersten beiden entgegenkommenden Fahrzeugen zu, brachte sie sofort zum Stehen und erklärte die Situation. „Ich wollte ja nicht, dass die Frau bei denen auf der Motorhaube landet.“ Irgendwann schaute er nach oben. Dort hatten es der Mann von der Straßenmeisterei und eine weitere Herbederin, die mit ihrem Wagen von der A43 gekommen war, inzwischen geschafft, der Frau näherzukommen und sie schließlich in die Arme schließen können.

Polizei und Feuerwehr loben das Verhalten der Retter

Polizei, Notarzt und Feuerwehr lobten alle vier für ihr Verhalten und bedankten sich für das mutige Eingreifen. „Wir hätten alles richtig gemacht. Die Feuerwehr hat sogar angeboten, dass wir immer vorbeikommen können, wenn wir nochmal über das Geschehene sprechen möchten“, sagt Claus.

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Ob Detlef und Tina Claus das Angebot in Anspruch nehmen, wissen sie noch nicht. „Was da passiert ist, war aufregend und es beschäftigt uns noch, aber es belastet uns nicht“, sagt der 58-Jährige, der sich selbst als „rationalen Menschen“ bezeichnet, der ruhig und besonnen handelt. Schon einmal hat er vor Jahren eine Frau aus einem Auto gezogen, das sich auf der Ardeystraße überschlagen hatte.

Seiner Gattin allerdings hätten nach der Aktion die Knie gezittert. „Sie hat sich natürlich Sorgen gemacht, als ich auf der Autobahn rumgelaufen bin.“ Doch er versucht sie im Nachhinein zu beruhigen: „Es ist nichts passiert.“ Doch noch lange werden die beiden Herbeder an das Geschehen zurückdenken. Nicht nur, wenn sie mal wieder auf die A 43 fahren.

Hier finden Menschen Hilfe

Die Polizei weist auf verschiedene Anlaufstellen für Menschen hin, die daran denken, sich das Leben zu nehmen. Sie sollten auf jeden Fall mit anderen darüber sprechen. Hilfe bietet etwa die Telefonseelsorge. Sie ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar unter 0800 111 0 111 und 0800 111 0 222. Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention: www.suizidprophylaxe.de.

Erst im Mai ist der Wittener Daniel Molsich von der Polizei für sein couragiertes Verhalten geehrt worden. Er hatte Ende Februar einen jungen Menschen davor bewahrt, von der Ruhrbrücke in Bommern zu springen.

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