Witten. Beim Sturm Ela ist Feuerwehrmann Thomas Bremer vor Jahren verletzt worden. Bis heute kämpft er mit den Folgen. Auf die Stadt Witten ist er sauer.

  • Thomas Brremer war Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr in Stockum. Beim Pfingssturm „Ela“ im Juni 2014 war er im Einsatz.
  • Dabei wurde er an der Schulter verletzt und hat bis heute mit den Folgen zu kämpfen.
  • Er bemängelt die fehlende Unterstützung der Stadt. Knapp neun Jahre lang folgte ein Rechtsstreit.

Der Pfingststurm „Ela“ traf im Juni 2014 auch Witten hart. Thomas Bremer wird das Unwetter und seine Verwüstungen aber aus einem ganz persönlichen Grund für immer in Erinnerung bleiben. Der heute 64-Jährige war damals als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Stockum im Einsatz und wurde dabei verletzt. Mit den Folgen kämpft er bis heute. Von der Stadt ist er bitter enttäuscht.

Damals haben Bremer und seine Kollegen nachts durch Ela umgestürzte Bäume zersägt und beiseite geräumt. Am Ende hob der Feuerwehrmann eine schwere Kiste ins Fahrzeug zurück, diese rutschte ab. Beim Nachgreifen wurde Bremer an der rechten Schulter verletzt. Seitdem sei er in seiner Bewegungsfähigkeit stark eingeschränkt, erzählt der Wittener.

Wittener: Autofahren nicht länger als 15 Minuten möglich

„Ich kann keine Wasserflasche über den Tisch reichen, nicht länger als 15 Minuten Auto fahren.“ Er könne seinen Arm nur kurzzeitig heben, danach habe er schlimme Schmerzen. Sie würden ihn täglich begleiten. Bei der Schmerzambulanz sei er Dauergast. Seit dem Unfall 2014 ist er deshalb weder einsatz- noch arbeitsfähig gewesen, sondern ununterbrochen krankgeschrieben. Das belegt ein Dokument seines behandelnden Arztes, das der Redaktion vorliegt.

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Seit 1980 war Bremer aktives Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr. Doch nach dem Unfall war das vorbei. Auch sein kleines Unternehmen im Wullener Feld gab der bis dahin Selbstständige nach einer Weile auf - aufgrund seiner Einschränkungen und Schmerzen. „Ich war 35 Jahre bei der Freiwilligen Feuerwehr, hab 35 Jahre lang meine Knochen hingehalten“, sagt er. Doch die Stadt habe mit allen möglichen Mitteln versucht, eine Zahlung an ihn abzuwenden.

Gericht bescheinigt Stadt Witten „schuldhafte Amtspflichtverletzung“

Denn für einen Fall wie seinen hat die Stadt eigentlich eine Versicherung bei der GVV Kommunalversicherung abgeschlossen. Diese tritt bei Dienstunfällen von Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr ein, wenn die Unfallkasse NRW nicht zahlt. Doch die zuständige Sachbearbeiterin hatte es damals versäumt, den Unfall fristgerecht zu melden. Damit war Bremers Anspruch auf Leistungen verfallen. Für den Ex-Feuerwehrmann folgte ein neun Jahre langer Rechtsstreit, erst mit der Unfallkasse NRW, dann mit der Stadt. In diesem Jahr fiel das Urteil vor dem Landgericht Bochum.

Thomas Bremer, Witten ex Freiwilliger Feuerwehrmann
Ein Bild aus besseren Zeiten: Thomas Bremer in seiner Einsatzkleidung der Freiwilligen Feuerwehr Witten. © Bremer | Bremer

Die Fünfte Zivilkammer stellt darin fest, dass die Stadt eine „schuldhafte Amtspflichtverletzung“ begangen habe. Und betont, dass die Stadt dem Kläger als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr gegenüber eine „gesteigerte Fürsorgepflicht“ gehabt habe. Dieser sei sie „nicht hinreichend nachgekommen“.

War der Unfall Auslöser für die Probleme?

In dem Rechtsstreit ging es etwa auch um die Frage, ob der Unfall an Pfingsten 2014 so überhaupt stattgefunden habe. Die Stadt zweifelte das an. Auch, dass der Dienstunfall für den Schaden an Bremers Schulter verantwortlich sei - oder nicht doch ein Vorfall aus dem Jahr 1999, bei dem sich der Maschinenbauer das Schultergelenk ausgerenkt hatte. Aus Bremers Sicht lächerlich: „Das ist damals folgenlos verheilt, über Jahrzehnte hatte ich keine Probleme.“ Der Sachverständige am Gericht sah das allerdings etwas anders.

Zwar bescheinigt er Bremer eine dauerhafte Invalidität, die durch den Unfall 2014 verursacht worden sei. Jedoch sei diese nur sehr gering ausgeprägt und nicht im „wirtschaftlich messbaren Maße“. Zugleich sah das Gericht bei dem ehemaligen Feuerwehrmann eine Mitschuld, weil er die Kiste alleine und nicht mit einem Kameraden zusammen gehoben hatte.

Gericht spricht Wittener Feuerwehrmann 1400 Euro zu

Letztendlich sprach ihm die Vorsitzende Richterin eine Summe von 1400 Euro zu, die die Stadt an ihn zahlen muss. So hoch wären nach Ansicht der Zivilkammer die Versicherungsleistungen für Bremer ausgefallen, wäre der Unfall rechtzeitig gemeldet worden. Was Bremer im Nachhinein aber am meisten ärgert, ist gar nicht der für ihn unvorteilhafte Ausgang des Verfahrens.

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„Sondern dass seitens der Stadt trotz ihrer Fürsorgepflicht jeder, aber auch wirklich jeder Haken und jede Öse betrachtet wurde, um nicht zahlen zu müssen“, so Bremer. Und das für einen ehrenamtlichen Feuerwehrmann, der seit 1980 „im Dienst an den Wittener Bürgern meine körperliche Unversehrtheit riskiert und letztlich verloren“ habe. Er sei einfach maßlos enttäuscht.

Stadt räumt „Missverständnis“ ein

Die Stadt räumt auf Nachfrage ihr damaliges Versäumnis ein. Aufgrund „eines Kommunikationsmissverständnisses“ sei der Unfall der Versicherung nicht gemeldet worden. Aus Verwaltungssicht hätte aber auch kein Anspruch auf Leistungen aus der Versicherung bestanden - was das Gericht nun aber anders sah.  

Thomas Bremer kann das Urteil nicht mehr anfechten, eine Berufung könne er sich nicht mehr leisten, sagt er. Sein Verständnis für die Entscheidung des Gerichts hält sich in Grenzen. „Ich will darauf aufmerksam machen, wie es laufen kann, wenn man als freiwilliger Feuerwehrmann im Dienst verletzt wird“, begründet er seinen jetzigen Schritt in die Öffentlichkeit. Letztendlich habe er Glück gehabt, dass er durch sein früheres Unternehmen einiges Erspartes angesammelt hatte. Davon leben seine Familie und er bis heute. Denn der 64-Jährige ist wegen seiner Schmerzen weiterhin krankgeschrieben.

„Hätte ich alles vorher gewusst, wäre ich niemals in die Freiwillige Feuerwehr mit der Absicht eingetreten, Hilfe für in Not geratene Menschen leisten zu wollen“, sagt Thomas Bremer. So könne er jedem möglichen Beitrittskandidaten nur dringend von diesem Schritt abraten.

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