Witten. Lena, Ageeshan und Felix arbeiten seit August in der Tagespflege in Wittens City. Die Gäste haben das Trio bereits in ihr Herz geschlossen.
Die junge Generation gilt vielerorts als verwöhnt und genussorientiert. Doch die aktuelle Shell-Jugendstudie straft das Vorurteil Lügen. Demnach sind vier von zehn jungen Leuten zwischen 18 und 25 Jahren sozial engagiert. Das sei sogar ein höherer Wert als vor der Corona-Pandemie. Eine Möglichkeit des sozialen Engagements ist ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ). Drei „FSJ‘ler“ arbeiten in der Tagespflege Wiesenviertel. Was treibt sie an?
Unter der Woche kommen regelmäßig um die 20 älteren Menschen zur Tagespflege der Stiftung Volmarstein. Mittendrin ist Lena Pliester. Die Herdeckerin ist gerade 20 Jahre alt geworden. Die Gäste der Tagespflege lassen sie in großer Runde hochleben, Umarmungen inklusive. Zu den Gratulanten, klar, zählen auch Lenas FSJ-Kollegen Ageeshan Samageethan aus Witten und Felix Harder aus Dortmund. Die beiden sind deutlich jünger als Lena.
Leiter der Wittener Tagespflege: Engagement der drei jungen Leute ist besonders
Alle stehen vor dem Fachabitur, Schwerpunkt Gesundheit und Soziales, im Wittener Berufskolleg. „Wir sind alle in derselben Klasse“, sagt Lena. Das FSJ hat für sie am 1. August begonnen. Ende Juli nächsten Jahres ist Schluss. Für Lena, Ageeshan und Felix ist die Zeit in der Tagespflege eine willkommene Chance, den Alltag in einer sozialen Einrichtung kennenzulernen. Das FSJ zählt als Praktikum.
Lena hat sich bewusst für diese Arbeit im Wiesenviertel entschieden. „Ich habe voriges Jahr hier schon ein Praktikum gemacht. Das war in der zehnten Klasse, und es hat mir so gut gefallen, dass ich gefragt habe, ob ich hier mein FSJ machen darf.“ Einrichtungsleiter Sascha Lengnick hat gern zugestimmt.
Er arbeitet so lange mit FSJlern zusammen, wie die Tagespflege besteht: seit drei Jahren. Lengnick weiß das Engagement zu schätzen. „Das ist etwas ganz Besonderes, und es ist für die FSJler eine Herausforderung. Ich finde das Engagement sehr angenehm – genauso wie die Gäste.“ Sascha Lengnick sieht das Freiwillige Soziale Jahr als Chance, die junge und ältere Generation zusammenzubringen. Von beiden Seiten gebe es „Akzeptanz“. Aber was machen die drei FSJler überhaupt den ganzen Tag?
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Ihr Arbeitstag beginnt mit dem Frühstück – für die Senioren. Ab 7.30 Uhr decken Lena, Ageeshan und Felix den Tisch. Auch Abräumen gehört dazu. Selbst die sogenannten „haushaltsnahen Tätigkeiten“ dienen im Arbeitsalltag in der Tagespflege immer dazu, Kontakte zu den Gästen zu ermöglichen. Mit dem Austausch über alltägliche wie sehr persönliche Themen entkommen die oft chronisch kranken Gäste ihrer Einsamkeit. Und die drei FSJler haben gelernt, genau hinzuhören.
Lena, Ageeshan und Felix wollen die Besucherinnen und Besucher aber auch munter machen. Sitzgymnastik ist möglich, dazu gemeinsames Singen, Gesellschaftsspiele, Kreuzworträtsel. „Ein bisschen Training für den Kopf, für den Geist“, meint Felix.
Zu den Aufgaben der Drei gehört auch, darauf zu achten, dass die oft betagten Gäste mäßig, aber regelmäßig trinken. Zu viel wie zu wenig Flüssigkeit tut den Seniorinnen und Senioren nicht gut. Vom Trinken zum Essen: Die Zubereitung der Mittagsmahlzeit dient allen Beteiligten dazu, im Team etwas gemeinsam zu machen – vom Kartoffelschälen bis zum Gurkenschneiden. Arbeit kann Gemeinschaft stiften. „Der überwiegende Teil macht mit“, weiß Felix. „Nur ein kleiner Teil möchte sich ausruhen.“ Es gilt die Devise: Alles kann, nichts muss.
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Unterm Strich jedoch weckt die Arbeit der FSJ‘ler die Lebensgeister der Gäste. Die Seniorinnen und Senioren lieben Lena, Ageeshan und Felix dafür. Bei den Geburtstagsglückwünschen für Lena ist das zu sehen und zu hören. In diesem Moment fühlt sich die Runde an wie eine große Familie. Einrichtungsleiter Lengnick sieht das mit Wohlgefallen. Er weiß, dass die Drei mit dem Gedanken spielen, hauptberuflich in die Pflege zu gehen. Sie werden dringend gebraucht.
Shell-Studie macht Mut
Die Shell-Jugendstudie befragt seit 1953 regelmäßig junge Menschen zwischen 18 und 25 Jahren nach ihren Wünschen, Ängsten und Zielen. Eines der Ergebnisse der aktuellen 19. Studie macht Mut. Der Anteil der Jugendlichen, die angegeben haben, oft für die Gesellschaft oder einfach nur für andere Menschen aktiv zu sein, liegt demnach bei 40 Prozent. Im Vergleich zu 2019 ist das soziale und gesellschaftliche Aktivitätsniveau bei den Jugendlichen sogar angestiegen.
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