Witten/EN-Kreis. Astrid Hinterthür leitete jahrelang den Krisenstab für Hattingen, Sprockhövel, Witten und den EN-Kreis. Zum Schluss wurde ihr Job extrem fordernd.
„Sie haben doch Krisenstabserfahrung“ - Erst sechs Wochen zuvor hatte Astrid Hinterthür ihre neue Stelle beim Ennepe-Ruhr-Kreis angetreten, als die damalige Kreisdirektorin Iris Pott im Juli des Jahres 2015 mit diesem Satz auf sie zutrat. Der Startschuss für eine berufliche Zielgerade, die der erfahrenen Fachbereichsleiterin noch einmal alles abverlangte. Plötzlich saß sie im Krisenstab des Kreises, ohne zu ahnen, dass dieser während der kommenden Jahre stärker gefordert sein würde als jemals zuvor. An ihrem letzten Arbeitstag blickt die 63-Jährige auf ihr Berufsleben zurück und sagt einen Satz, um den sie nach 44 Jahren Vollzeit sicherlich viele beneiden: „Ich gehe zufrieden.“
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Astrid Hinterthür lächelt, als sie die Tür zu ihrem Büro öffnet. Die persönlichen Gegenstände hat sie bereits eingepackt, durch die Fenster, die sich komplett ums Eck ziehen, fällt die Sonne auf ihren Schreibtisch, der auch in den letzten Minuten ihres Berufslebens nach Arbeit aussieht. „Ich denke, die sind nicht zufrieden, wenn ich gehe“, sagt sie mit der für sie charakteristischen kräftigen und deutlichen Stimmen. Ein Fazit, dass sich die Firma Kienbaum Consulting sicherlich gern auf die Fahne schreiben wird.
Der Personaldienstleister, der für den Ennepe-Ruhr-Kreis regelmäßig als Headhunter arbeitet, war es nämlich, der sich vor zehn Jahren telefonisch bei Astrid Hinterthür meldete. Die war bei der Stadt Mettmann als Fachbereichsleiterin Bildung, Jugend und Soziales beschäftigt und dort durch ihre pragmatische, lösungsorientierte Arbeitsweise und Klarheit aufgefallen. Ob sie sich einen Wechsel ins Schwelmer Kreishaus vorstellen konnte, wollten die Personalexperten wissen. Am Ende des zweistündigen Gesprächs antwortete sie: „Das kann ich.“
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Es folgten ihr Vorstellungsgespräch bei Landrat Dr. Arnim Brux im März, ihr Dienstantritt im Juni als Fachbereichsleiterin Gesundheit und Soziales. Im Oktober bereits wurde Olaf Schade Landrat. Da war Astrid Hinterthür bereits fest im Krisenstab und half dabei, die Flüchtlingskrise irgendwie zu bewältigen. Unter anderem richtete der Krisenstab in der Turnhalle des Berufskollegs in Ennepetal eine Aufnahmeeinrichtung ein.
Doch das war maximal ein zarter Vorgeschmack dessen, was sie vier Jahre später erwartete, als plötzlich das Corona-Virus die Welt lahm legte und es mit in ihrer Verantwortung lag, wie der Ennepe-Ruhr-Kreis damit umging. „Die Pandemie war die größte Herausforderung meines Berufslebens“, sagt Astrid Hinterthür, die mittlerweile gemeinsam mit Michael Schäfer die Leitung des Krisenstabs innehatte. „Wir hatten ja alle keine Erfahrungswerte, niemand wusste, wie wir mit dieser Krankheit umgehen sollten. Zum Glück hatten wir ein sehr gut aufgestelltes Gesundheitsamt“, erinnert sie sich.
Impfzentrum aus dem Boden gestampft
Immer mehr brach über die Kreisverwaltung herein. Hinterthür und ihre Mitstreiter stampften das Impfzentrum in Ennepetal aus dem Boden und mussten sich mit massivem Protest aus Witten auseinandersetzen. „Und dann hatten wir am ersten Impftag Glatteis. Aber jeder ist erschienen“, erinnert sie sich. Sieben Tage die Woche tagte der Krisenstab, in der wenigen Freizeit klingelte unablässig das Handy. „Mein Mann hat Rückrufe zugesichert, wenn ich unter der Dusche stand.“
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Es folgte ein mobiles Impfzentrum in einem ständigen Chaos, weil auch aus Düsseldorf und Berlin Entscheidungen zweifelhaft oder auf den letzten Drücker getroffen wurden. „Ich bin unter dem Strich sehr, sehr stolz darauf, wie wir das gemeistert haben“, sagt Astrid Hinterthür, die später sogar noch die Bildung als dritten Fachbereich hinzubekam und 310 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kreises führte.
Einblick ins Gesundheitsamt beeindruckt
Vor allem der Einblick ins Gesundheitsamt habe sie nachhaltig beeindruckt und betont: „Es war die richtige Entscheidung, zum Ennepe-Ruhr-Kreis zu gehen. Ich wurde vom ersten Tag an sehr, sehr herzlich empfangen.“ Auch das Pendeln habe sie niemals gestört. „Ich habe den Rückweg im Auto oft dazu genutzt, um runterzukommen.“ Doch was macht eine Frau, die seit Jahren derart unter Strom steht, denn nun in ihrer Pensionierung? „Wir ziehen erstmal von Mettmann in die Pfalz, da fahren wir seit 20 Jahren in den Urlaub hin und freuen uns schon sehr auf den neuen Lebensabschnitt.“ Dazu sollen Fernreisen kommen und außerdem will Astrid Hinterthür auch wieder mehr Sport machen.
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Denn - neben all den anderen Dingen - hat die ausgebildete Fitness-Trainerin auch noch bei der Kreisverwaltung eine Betriebssportgruppe geleitet. Donnerstags gab es mit einigen Frauen Bodyworkout. Nachdem sie ihr duales Studium bei der Stadt Wuppertal gemacht hat, und von der Stadt Mettmann in den EN-Kreis weiterzog, schlägt sie nun also ihr berufliches Kapitel zu. Zur Verabschiedung von Michael Schäfer im kommenden Jahr will sie aber gewiss noch einmal nach Schwelm kommen; und zu dieser Gelegenheit sicherlich auch viele langjährige Weggefährtinnen und Weggefährten wiedersehen. Denn auf die Frage, was sie denn wohl vermissen wird, antwortet sie wie aus der Pistole geschossen: „Ganz doll die Kolleginnen und Kollegen.“