Witten. Nach BVB-Ticketverkäufen vorbei am Finanzamt Witten droht einem „Viagogo-Trio“ dreimal Haft. Vor Gericht fällt ein legendäres Borussen-Zitat.

Im „Ticket-Prozess“ um mutmaßlich großangelegten Steuerbetrug zulasten der Finanzämter in und um Witten hat die Staatsanwaltschaft am Bochumer Landgericht empfindliche Strafen beantragt. Neben dem einschlägig vorbestraften Hauptangeklagten (44) sollen auch ein Ex-Anwalt (68) und sein Sohn (30), ein angehender Lehrer, ins Gefängnis.

Drei Jahre und drei Monate, zwei Jahre und drei Monate und zwei Jahre Haft: Während die höchste Gefängnis-Forderung für den derzeit in U-Haft sitzenden Hauptangeklagten aus dem Raum Dortmund erkennbar keine Überraschung war, blitzte in den Mienen von Vater und Sohn aus dem Sauerland dann doch ein wenig Nervosität auf.

Staatsanwalt unterstellt Angeklagten organisiertes und kriminelles Handeln

Staatsanwalt Ekkehart Carl unterstellte den Viagogo-Dealern am Mittwoch, 23. Oktober, in seinem Plädoyer über Jahre hinweg etabliertes, organisiertes und kriminelles Handeln durch zwielichtige – durchweg nicht umsatzversteuerte - Ticketverkäufe über Verkaufsbörsen. Der entstandene Steuerschaden gehe in die Hunderttausende, hieß es. „Alle drei Angeklagten“, davon zeigte sich Staatsanwalt Carl überzeugt, wussten mit Blick auf eine Steuerhinterziehung „ganz genau, was da läuft“. Dafür spreche nicht zuletzt auch das früher oder später in die Wege geleitete Konstrukt einer Firma im osteuropäischen Ausland.

Der Hauptangeklagte hatte in seinem Geständnis sogar schonungslos eingeräumt, durch seine Geschäfte mit Rammstein-, BVB- und weiteren begehrten Tickets Umsatzsteuern hinterzogen zu haben. Der mitangeklagte Ex-Anwalt, auf dem sozialen Netzwerk LinkedIn nach wie vor als „selbständiger Jurist in Witten“ aktiv, und sein Sohn hingegen hatten sich im Prozess darauf berufen, dass die Ticketverkäufe über die Börse Viagogo (mit Sitz in der Schweiz) nach ihrem Verständnis als steuerfreie Auslandsumsätze zu betrachten seien.

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Dieser Argumentation zog Staatsanwalt Carl in seinem Schlussvortrag aber den Stecker, bezeichnete sie als „Wunschdenken“. Viagogo sei rechtlich keinesfalls als Karten-Ankäufer, sondern vielmehr als Karten-Vermittler (gegen Provision) einzuordnen. Laut Ekkehart Carl könne die Börse durchaus sogar als Gehilfe für Steuerhinterziehungen in Betracht kommen und „kriminalisiert werden“.

Sämtliche Ticketumsätze und -gewinne, so der Staatsanwalt, hätten von den Angeklagten zwingend versteuert werden müssen. Und zwar hier, weil die BVB-Fußballspiele und Musikkonzerte in Deutschland stattgefunden haben. „Entscheidend is‘ auf‘m Platz“, sagte der Bochumer Staatsanwalt Ekkehart Carl wörtlich. Und bediente sich damit des berühmten Spruchs der BVB-Meisterlegende Alfred „Adi“ Preißler.

Anklage: Ex-Anwalt sollte Abmahnungen von Veranstaltern abblocken

Ab 2017 soll der schon seit Jahren im BVB-Ticketgeschäft tätige Hauptangeklagte den Ex-Anwalt und seinen Sohn mit ins Boot geholt haben. Zur Verschleierung soll das Trio mehrere Auslandsfirmen gegründet und über diese „Sammelstellen“ den Geldtransfer abgewickelt haben.

Eine der wichtigsten Aufgaben des Ex-Anwalts soll es gewesen sein, Abmahnungen von Veranstaltern abzublocken. Dessen Sohn habe, so Staatsanwalt Carl, anfangs die Rolle einer fleißigen „Ameise“ eingenommen und sich weit und breit um den Ankauf von BVB-Tickets zum Weiterverkauf gekümmert.

Für einen vierten Angeklagter (51), der dem Hauptangeklagten seine Konten zur Verfügung gestellt haben soll, beantragte die Staatsanwaltschaft eine siebenmonatige Bewährungsstrafe. Die Urteile könnten bereits am kommenden Prozesstag, 25. Oktober, verkündet werden.

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