Bochum/Witten. . Im „Ticket-Prozess“ listet eine Steuerfahnderin die Geschäftspraktiken der Ticketbörse Viagogo auf. Betrogen wurde das Finanzamt Witten.

Mit der Vernehmung einer Steuerfahnderin (50) ist am Bochumer Landgericht der Prozess um mutmaßlich großangelegten Steuerbetrug zulasten des Finanzamts Witten fortgesetzt worden. Undurchsichtige Ticketgeschäfte für Top-Konzerte und Bundesligaspiele sollen vier Männern verholfen haben, den Fiskus um Millionen zu prellen. Der Fall ist komplex: Auf der Tagesordnung vor Gericht steht akribische Detailarbeit.

Vor der 13. Wirtschaftsstrafkammer drehte sich am Mittwoch, 19. September, nahezu alles um die hochumstrittenen Geschäftspraktiken der Ticketbörse Viagogo. Die Zeugin der Steuerfahndung Bochum skizzierte, wie Viagogo und zahlreiche seiner sogenannten „Powerseller“ (Verkäufer im großen Stil) einst unter Verdacht geraten sind. Darunter auch der jetzt in Bochum neben einem ehemaligen Anwalt (68) angeklagte Hauptverdächtige (44) aus Warburg. 

Vermittler ist selber Tickethändler

Es sei ein Mix aus einer anonymen Anzeige, journalistischen Recherchen und Reportagen zu angeblich skandalösen Viagogo-Praktiken gewesen, die die Bochumer Fahnder dazu veranlasst hätten, die steuerliche Seite der Ticketbörse intensiv unter die Lupe zu nehmen, hieß es.

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In einem ersten Schritt, so die Fahnderin weiter, sei dabei aufgefallen, dass die in der Schweiz ansässige Viagogo AG mit Blick auf abzuführende Umsatzsteuer gar nicht in Deutschland, sondern „nur“ in Irland registriert gewesen ist. In einem zweiten sei der begründete Verdacht ans Licht gekommen, dass Viagogo im großen Stil unvollständig Umsatzsteuern erklärt hat. Für diese sei lediglich die Provision und nicht der Verkaufspreis zugrunde gelegt worden. Und in einem dritten, dass Viagogo unter dem Deckmantel eines bloßen Vermittlers, ähnlich wie Ebay, in Wahrheit im großen Stil selber Tickethändler ist. Die AG macht um ein Vielfaches mehr Profit und bietet – wenn auch etwas im Verborgenen - eine Vielfalt an Dienstleistungen für private Tickethändler an. Wie etwa den sogenannten „LMS“ (Last Minute Service), sprich die Verwahrung und Übergabe von zum einmaligen Spielbesuch übergebenen Dauerkarten.

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Hausdurchsuchungen bei Profifußballklubs - „Unter anderem beim FC Bayern“

In der Folgezeit, so die Fahnderin, seien die Viagogo-Ermittlungen deutschlandweit intensiviert und mit der Steuerfahndung in Nürnberg und der Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Mannheim eine gemeinsame Ermittlungskommission „EK Ticket“ ins Leben gerufen worden. Im Juli 2021 sei es vor dem Hintergrund der Ermittlungen gegen Viagogo sogar zu Hausdurchsuchungen bei Profifußballklubs gekommen. „Unter anderem beim FC Bayern“, berichtete die Bochumer Steuerfahnderin. Beim Rekordmeister aus München sei der umstrittene Tickethändler schon seit 2010 Sponsor gewesen. Auch mit anderen Bundesligisten habe Viagogo Kooperationen gehabt. „Dabei ging es insbesondere um die Betreuung der Zweitticketbörse“, so die Zeugin. Spätestens 2014 hätten alle Klubs ihre Zusammenarbeit mit Viagogo beendet.

Im aktuellen Prozess sollen die vier angeklagten „Ticket-Dealer“ nicht nur über Viagogo, sondern auch über Ebay und Seatwave jahrelang im großen Stil Rammstein-, BVB- und weitere begehrten Tickets an der Steuer vorbei verkauft haben. Angeblicher Steuerschaden: mehr als zwei Millionen Euro. Die Einkünfte hätten laut Anklage unter anderem beim Finanzamt Witten erklärt werden müssen. Der Prozess wird fortgesetzt.

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