Witten. In Witten gibt es, wie andernorts, mehr Attacken gegen Einsatzkräfte als früher. Die Nerven liegen blank. Was kann die Polizei dagegen tun?

Der Anlass war banal. Und dennoch eskalierte die Situation. Ein 44-Jähriger aus Witten fiel am Boni-Center an der Schlachthofstraße am 23. September gegen 20 Uhr auf. Er schrie, wieder und immer wieder. Die Polizei erteilte ihm einen Platzverweis - ohne Erfolg. Als der Mann festgenommen wurde, pöbelte der 44-Jährige die Beamten nach deren Angaben an. Er trat einen Polizisten, traf ihn am Schienbein. Der Polizist wurde nicht verletzt. Am Ende erhielt der 44-Jährige eine Anzeige wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte plus Beleidigung. Kein Einzelfall. Die Polizei erlebt bei ihren Einsätzen in Witten mehr Gewalt.

Sprecher Jens Artschwager hat auf Anfrage Zahlen für die vergangenen Jahre vorgelegt. „Wir haben für das laufende Jahr eine leicht steigende Tendenz“, sagt er. Die Entwicklung entspreche den Daten, die das Bundeskriminalamt (BKA) jüngst für das gesamte Bundesgebiet sowie aufgeschlüsselt für die 16 Bundesländer vorgelegt habe.

Trend in Witten geht über Jahre hinweg nach oben

Polizeisprecher Jens Artschwager bestätigt: In Witten gibt es mehr Gewalt gegen Einsatzkräfte. 

Foto: Olaf Ziegler / FUNKE Foto Services
Polizeisprecher Jens Artschwager bestätigt: In Witten gibt es mehr Gewalt gegen Einsatzkräfte. Foto: Olaf Ziegler / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Der Trend geht mit Blick auf die vergangenen Jahre also nach oben – auch wenn Witten im Verhältnis zur Einwohnerzahl laut Polizei längst nicht so viele Attacken wie Bochum zu beklagen hat. Nach 31 Fällen von Widerstand gegen Beamte oder Angriffe auf sie im Jahre 2021 waren es 2022 bereits 58 Fälle, im Jahr 2023 wurden 49 Übergriffe aktenkundig.

Die Daten fürs laufende Jahr mag Jens Artschwager noch nicht nennen. Sie werden erst im nächsten Frühjahr veröffentlicht, im Rahmen einer NRW-weiten Statistik. Die Einordnung nach Delikten könne sich bei laufenden Verfahren ändern. Außerdem werden Einzelsachverhalte zusammengefasst.

Anlässe für Gewalt gegen Einsatzkräfte reichen von einer schlichten Verkehrskontrolle bis zur Vollstreckung eines Haftbefehls. „Es wird geschlagen, gekratzt, gebissen“, erklärt der Sprecher. Neben Widerstand gegen polizeiliche Maßnahmen gebe es tätliche Angriffe. Wie viele Messerangriffe dazugehören, gehe aus dem Zahlenmaterial nicht hervor. Artschwager: „Dasselbe gilt für die Anzahl verletzter Kollegen.“ 

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Häufig tragen Einsatzkräfte aber Blessuren davon – körperliche wie psychische. „Das sind Dinge, die Nachwirkungen haben können“, stellt der Polizeisprecher fest. „Es gibt Kollegen, die durchaus länger damit zu tun haben.“ Das Präsidium ist darauf eingestellt, seinen Beschäftigten bei der Verarbeitung der Folgen von Attacken zu helfen. Neben medizinischer Versorgung wird psychosoziale Betreuung angeboten. „Da gibt es ein Helfernetzwerk und da gibt es Supervisionsangebote für Menschen, die schwierige Einsätze bewältigt haben.“

Attacken auf Rettungskräfte

Während Wittens Feuerwehr bisher keinen körperlichen Angriff auf Einsatzkräfte zu beklagen hat, hat der Ennepe-Ruhr-Kreis innerhalb der vergangenen 18 Monate kreisweit zehn Attacken auf Rettungssanitäter dokumentiert. „Der Trend geht leicht nach oben“, kommentiert Kreissprecher Ingo Niemann die Entwicklung auf Anfrage der Redaktion. Zu Angriffen komme es durch gestresste Angehörige von Erkrankten, aber auch von Anwohnern, die glauben, Rettungsfahrzeuge würden ihre Fahrzeuge blockieren.

Einsatzkräfte sollen Konflikte deeskalieren

Obendrein setzt die Polizei auf Schulungen und Fortbildungen. Ziel sei es, Einsatzkräfte so zu schulen, dass sie deeskalierend bei Konflikten wirken können. Außerdem sollen Schulungen dazu beitragen, dass Maßnahmen polizeilicher Gewalt „sachgerecht, anlassbezogen und verhältnismäßig“ ablaufen, wie es heißt.

Das gelinge nicht immer, räumt Jens Artschwager ein, etwa wenn sich Bürgerinnen und Bürger bei Einsätzen in psychischen Ausnahmesituationen befinden oder unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen stehen. „Das ist wirklich ein Problem.“ Insgesamt zieht er dieses Fazit: „Das geht eher nach oben als nach unten. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Der Ton ist rauer geworden, wie Kollegen berichten.“

Polizei wirbt für mehr Respekt

Dabei erwarte die Polizei von der Bürgerschaft schlicht denselben Respekt, den sie ihr entgegenbringe. Öffentlichkeitsarbeit in Schulen soll die Akzeptanz der Einsatzkräfte erhöhen. Eine wichtige Rolle spielen zudem Einsatzkräfte im Bezirksdienst, auf den Straßen in der Innenstadt und in den Ortsteilen. Sie haben Augen und Ohren nicht nur offen, um Straftaten zu verhindern oder aufzuklären. Sie seien auch ansprechbar.

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