Herne. Es fallen Beleidigungen, jemand ruft „Heil Hitler“. Menschen mit psychischen Erkrankungen verunsichern Passanten in Herne. Die Polizei kommt.
Es geht seit Stunden so: Der Mann in der Herner Fußgängerzone wirft mit Beleidigungen um sich, brabbelt unverständliches Zeug in ohrenbetäubender Lautstärke. Passanten zucken zusammen. Ein anderer Mann marschiert auf und ab und brüllt: „Heil Hitler!“ Passanten empören sich. Was bei näherem Hinsehen aber schnell klar wird: Er tut das nicht aus rechter Gesinnung oder Wut, sondern weil er eine offensichtliche Erkrankung hat. Dennoch bleibt der Straftat-Bestand ein Straftat-Bestand. Wie geht die Polizei damit um? Die Erklärung ist komplex.
+++ Auch interessant: Herner zerstört drei Fahrzeuge der Bundespolizei +++
Viele der „Brüller“ sind bereits einschlägig bei der Polizei bekannt
Einer der Heil-Hitler-Fälle ist aktenkundig bei der Polizei: „Es gibt eine Anzeige vom 21. September“, sagt Polizeisprecher Jens Artschwager. Die Polizei sei zur Bahnhofstraße gerufen worden, weil jemand den Hitlergruß gezeigt hatte und „Heil Hitler“ gerufen habe. Der Mann sei auch in Gegenwart der Polizei weiter aggressiv gewesen und sogar festgenommen worden. Für die Beamten sei schnell klar gewesen, dass hier eine psychische Erkrankung vorliege. „Es war kaum möglich, ein normales Gespräch zu führen.“ Offensichtlich habe der vermeintlich Rechtsextreme auch unter dem Eindruck von berauschenden Mitteln gestanden.
Dennoch: „Es wurde alles an Maßnahmen durchgeführt“, sagt Artschwager. Die Beamten schrieben eine Strafanzeige, schalteten den Staatsschutz ein. Der Mann wurde erkennungsdienstlich behandelt, Zeugen wurden vernommen. Später wurde der Heil-Hitler-Rufer wieder in Freiheit entlassen.
Straftat bleibt Straftat - über die Schuld entscheidet ein Gericht
Was strafrechtlich am Ende daraus werde, müsse ein Gericht entscheiden. Die Staatsanwaltschaft müsse bereits den Sachverhalt bewerten und entscheiden, ob Anklage erhoben wird. In der Zwischenzeit, das ist polizeiliche Realität, könne es durchaus passieren, dass jemand erneut auffällig wird - oft zum Leid Dritter.
„Man kann jemanden nicht für immer festhalten“, betont Jens Artschwager. Oft sei es aber die Masse an einschlägigen Vorfällen, die zu weiteren Maßnahmen führe. Bei akuter Selbstgefährdung oder Gefährdung anderer könne geprüft werden, ob jemand nach „PschKG“ zwangseingewiesen wird. Das Psychisch-Kranken-Gesetz regelt solche Maßnahmen. Über solche länger andauernden Maßnahmen müsse dann aber ein Gericht entscheiden. „Das ist ein starker persönlicher Eingriff.“
+++ Auch interessant: Ukrainische Familie richtet sich auf Leben in Herne ein +++
Jens Artschwager betont die Zusammenarbeit mit anderen Behörden im Rahmen der Ordnungspartnerschaft. Da sei es nicht mit der Anzeige getan, sondern man versuche dem Menschen zu helfen, stelle Kontakt zu Ärzten oder anderen nachhaltigen Hilfsangeboten her. „Es gibt auch eine spezielle Schulung, Polizeibeamte werden geschult im Umgang mit psychisch Erkrankten“, sagt Artschwager.
Wie soll man sich selbst verhalten?
Was ist, wenn die mutmaßliche Strafbarkeit nicht so klar ist, wie im Fall des Hitler-Grußes oder einer Sachbeschädigung? Jens Artschwager rät Passanten oder Beobachtern, die Polizei zu rufen, wenn jemandem die Situation komisch vorkomme. „Da sollte man auf sein Bauchgefühl hören.“ Die strafrechtliche Bewertung sei ja dann Sache der Polizei und letztlich der Justiz.
Wo sich niemand beschwert und wo keine Straftat passiert, könne man toleranter sein: Einige der laut rufenden Menschen, sind mittlerweile stadtbekannt. Selbst an einem, der tierische Grunzgeräusche von sich gibt, stört sich kaum noch jemand.
Wie geht die Polizei mit psychisch Erkrankten um, die wiederholt mit dem gleichen Verhalten auffällig oder sogar straffällig werden? Gewöhnung dürfe bei der Polizei nicht einsetzen. Die Polizei müsse jedem Straftatverdacht nachgehen: „Weggucken ist keine Option.“
+++ Auch interessant: Herner Kult-Betrieb sagt für Cranger Weihnachtszauber ab +++