Witten. Sechs Monate Cheesecake und Schokobällchen, Kaffee und Karottenkuchen: Linda zieht eine erste Zwischenbilanz ihres schwedischen Traums in Witten.
Es ist leer an diesem Mittag im „L & A“-Café auf der oberen Bahnhofstraße, Gelegenheit für eine kleine Zwischenbilanz nach einem halben Jahr. Im Mai haben Linda Gustafsson und ihr Ehemann Mohammed das Café neben Rossmann eröffnet. Das Besondere: Die Schwedin backt fast alles selbst und bietet viele Spezialitäten aus ihrer Heimat an.
Gefragt, was am besten läuft, verweist die 29-Jährige auf den Käsekuchen, sei es Lotus, Himbeer oder Zitrone, und die Zimtschnecken, die auf Schwedisch „Kanelbullar“ heißen. Wer sich mit der richtigen Aussprache schwer tut, kann Linda gut verstehen. Das Wort „Zimtschnecke“ sagt sie zwar auf Deutsch. Doch ansonsten bevorzugt sie eher noch Englisch. Sie lernt aber fleißig und kann die Bestellung schon in Deutsch aufnehmen.
Wittener Cafébetreiberin stammt aus einer der ältesten Städte Schwedens
Zwei jüngere Damen, die gerade reinkommen, ordern zu Latte Macchiato und Cappuccino Himbeer-Rhabarber und Lotus-Käsekuchen. Hildegard ist mit ihrem Stück „Himbeer-Mascapone-Cheesecake“ schon fertig. Wie sie das schwedische Café findet? „Gut“, sagt die 76-Jährige. „Atmosphäre, auch das Frühstück, alles bestens.“ Gerade war sie allerdings noch der einzige Gast. Warum nicht mehr Betrieb ist, erklärt sich die Anwohnerin vom Sonnenschein so: „Was wollen Sie von Witten denn erwarten?“
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Sie meint damit das Auf und Ab im Handel, mehr wohl das Ab, sprich die Geschäfte, die schließen. Linda, die Cafébetreiberin aus Nyköping, eine der ältesten Städte Schwedens an der Ostseeküste, eine Autostunde von Stockholm entfernt, sieht die Situation der Innenstadt eher gelassen. „Das ist doch normal“, sagt die junge Frau, die aus einem anderen Grund Heimweh hat. „Mir fehlt meine Familie.“ Linda denkt aber nicht ans Aufgeben, obwohl mehr los sein könnte und sie Freunde und Angehörige vermisst.
Viele laufen nur vorbei und schauen ins Fenster
„Ich sehe so viele Menschen vorbeilaufen, die durchs Fenster gucken, aber nicht reinkommen“, sagt die Gastronomin, deren Mann Familie in Dortmund hat und die sich mit dem Café in Witten einen Traum erfüllt hat. Sie wünschte sich, mehr Leute würden es zumindest ausprobieren - und „Fika“ machen, wie man in Schweden sagt, wenn man Kaffee trinken geht und was Süßes dazu isst.
Ganz leicht sind die vielen verführerischen Torten sicher nicht, aber inzwischen gibt es auch den Käsekuchen für Veganer, vegane Schokobällchen oder das zuckerfreie Bananenbrot für Diabetiker. Herzhaft kann Linda natürlich auch, auf der Frühstückskarte steht das Omelett genauso wie das vegane Käsebrötchen.
Eis für den Sommer und neue Torten-Spezialität in Planung
„Es braucht einfach Zeit“, ist die Gastronomin optimistisch, dass doch noch viel mehr Menschen ihr Café in der Fußgängerzone entdecken. Vielleicht sind die Wittener ja auch zurückhaltender, weil sich das Ladenlokal wie ein langer Schlauch in die Tiefe zieht und von außen nicht so leicht zu erkennen ist. „Wir sind jedenfalls glücklich, hier eröffnet zu haben“, sagt die Skandinavierin nun, nach einem halben Jahr. Der ein oder andere mag auch etwas stur sein. Offenbar hat sie die Westfalen schon durchschaut.
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An den heißen Sommertagen hätten die Leute ja vielleicht lieber Eis gegessen, „ich hoffe, dass wir das im nächsten Jahr auch anbieten können“, sagt die Endzwanzigerin, die schon in Bars in Spanien gekellnert hat. Die „Prinzessinnentorte“ soll das süße Sortiment ebenfalls noch erweitern, ein Sahnekuchen mit Vanillecreme, Himbeeren und obendrauf Marzipan - „typisch schwedisch“. Apropos Marzipan.
Freunde aus Schweden kamen im Sommer überraschend zu Besuch
Linda freut sich schon ganz dolle auf die Weihnachtszeit, wenn die Schweden ganz viel mit Safran machen, Käsekuchen zum Beispiel oder eine Art süße Brötchen. „Coming home for christmas“, fährt sie zum Fest nach Hause? Das Café kann sie kaum entbehren und bisher war sie nicht einmal daheim. „Im Sommer sind meine Freunde zu mir gekommen und haben mich überrascht.“
Ein Gast hat ihr übrigens selbst gemalte Bilder geschenkt, die jetzt im L & A-Café an der Wand hängen. Rotes Holzhaus, daneben ein Boot, dahinter ein blauer See, gelb-grüne Landschaft und ein tiefer Himmel. Schwedische Idylle pur. Von Bullerbü hat das Ladenlokal in Witten aber nichts. Dafür bietet es täglich frischen „Swedish Cake and Coffee“. Viel Spaß also beim „Fika“ machen. Und nicht nur durch die Scheibe schauen.
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