Witten-Herbede. Lotto Mooren gilt in Witten-Herbede längst als Kultgeschäft. Inhaberin Klaudia Wesner will sich aber bald zurückziehen. Und dann?
Ein Wort fehlt im Wortschatz von Klaudia Wesner: Langeweile. Die Mittagspause ist gerade vorbei, da gibt sich die Kundschaft des Traditionsgeschäft „Lotto Mooren“ an der Meesmannstraße in Herbede schon wieder die Klinke in die Hand. Mal wird ein Paket abgeholt, mal kommt eine Retoure. Ihr Hermes-Service sorgt für ordentlich Betrieb. Doch bald soll für die selbstständige Einzelhandelskauffrau Schluss sein. Kein Wunder, dass sie dieser Tage fast nur ein Top-Thema hat: die Unternehmensnachfolge.
Einzelhandel ist auch diplomatischer Dienst
Klaudia Wesner tut, was sie liebt, und sie liebt, was sie tut. Das ist mit jedem Wort, mit jedem Blick zu spüren – etwa wenn ein Kunde von den Rückversandbedingungen eines großen Online-Händlers entnervt ist. Als Selbstständige ist sie immer auch im diplomatischen Dienst.
Geschäftstüchtigkeit trifft Menschenkenntnis: Das ist Ergebnis von 48 Jahren Berufserfahrung. „Ich arbeite seit meinem 15. Lebensjahr“, sagt Klaudia Wesner lächelnd.
Vater startete Geschäft vor mehr als 50 Jahren
Eigentlich hat sie noch früher angefangen. Denn der Laden ist ein Familienbetrieb. „Mein Vater hat ihn vor über 50 Jahren eröffnet, ich habe das Geschäft quasi übernommen“, sagt die Tochter. Vor vier Jahren erhielt sie von der IHK eine Urkunde fürs runde Jubiläum. Die hängt diskret an der linken Wandseite neben dem Paketschalter. Klaudia Wesner selbst hat ebenfalls vor kurzem gefeiert. Sie führt das Geschäft seit nunmehr 25 Jahren.
Die 63-Jährige kennt die Kundschaft, und die Kundschaft kennt sie. Da wechselt man nattürlich auch mal ein persönliches Wort. „Das macht Herbede aus. Es hat eben noch den Dorfcharakter. Das ist das Schöne“, sagt Wesner.
Laden ist Herbedes kleinstes Kaufhaus
Ihr Geschäft ist sozusagen Herbedes kleinstes Kaufhaus. Der Hermes-Service läuft sichtbar gut. Zudem sind Romane vom ersten Tag an zu haben, Zeitschriften, Bürobedarf wird auch abgedeckt, samt Grußkarten. Im Frontbereich werden, wie eh und je, Tabakwaren angeboten, dazu Geschenkartikel wie hochwertige Alkoholika. Genussraucher kombinieren beides gern. Und das ist noch nicht alles: „Lotto Mooren“ ist auch ein Mini-Reisebüro.
Klaudia Wesner hat gute und schlechte Zeiten erlebt. Die Corona-Pandemie war auch für sie mit all den Lockdowns belastend. Außerdem verlagert sich das Geschäft teilweise zu Billigheimern und in den Online-Handel. Obendrein haben sich die Lebensgewohnheiten vieler Menschen verändert.
Hilfe von der IHK
Der persönliche Kontakt gilt bei der Industrie- und Handelskammer Bochum (IHK) als wichtiger Baustein ihrer Leistungen. In der Erstberatung werden sowohl Unternehmerinnen und Unternehmer als auch mögliche Nachfolgeinteressenten über alle Aspekte der Firmennachfolge informiert. Es werden auch Hinweise zum weiteren Vorgehen gegeben.
Informieren kann man sich laut IHK ebenfalls unter den Serviceangeboten „nexxt-change Unternehmensbörse“ und „IHK-Nachfolger-Club“. Kontakt: Julian Mikulik, 0234-9113-152; Mail: mikulik@bochum.ihk.de.
Früher hat Klaudia Wesner auch Artikel für Kommunion und Konfirmation geführt. Doch die Nachfrage sank – genauso wie für Bürobedarf. Das Reisebüro läuft aber weiter. Gerade vor den Ferien war ihr Rat wieder gefragt. „Wir arbeiten mit allen Reiseanbietern zusammen.“
Klaudia Wesner spielt ihren Trumpf aus, und der heißt persönliche Beratung: „Zu mir kommen Menschen, die Serviceleistungen schätzen.“ Sie haben gelernt, dass online womöglich billiger gebucht werden kann. Doch weitergehende Informationen sind im Internet oft sorgsam versteckt. Wesner weiß, dass sich längst nicht alle durchs Internet klicken wollen. „Es gibt noch Menschen, die das persönliche Gespräch suchen.“
Die Vielfalt der Aufgaben, die Vielfalt der Gespräche haben die Geschäftsfrau offensichtlich jung gehalten. Dennoch will sie in Kürze ein neues Leben anfangen. Warum?
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Klaudia Wesner denkt über die Antwort nach. „Vor habe ich gar nichts. Ich setze mir keine Ziele. Ich möchte einfach mehr Zeit für meine Familie haben. Mein Mann ist schon seit zwei Jahren Rentner. Und: Enkelkinder sind da.“ Fünf, um genau zu sein. Hat Klaudia Wesner neben ihrer Arbeitszeit auch Freizeit gehabt?
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„Man findet diese Zeit“, sagt sie. Die Herbederin kann sich gut selbst organisieren. Klaudia Wesner ist Sportschützin. Gutes Auge, ruhige Hand, Konzentration und Koordination: Das zeichnet sie aus. Damit hat sie es sogar zur Teilnahme an Deutschen Meisterschaften gebracht.
In diesen Tagen allerdings hofft Klaudia Wesner eher im übertragenen Sinn auf einen Volltreffer: bei der Nachfolge-Suche. Kontakt: 02302-73465.