Witten/Bochum/Dortmund. Sie wollten das ganz dicke Ding drehen - vorbei am Wittener Finanzamt. Jetzt steht ein Quartett vor Gericht. Darunter ist ein Ex-Anwalt.
Mit zwielichtigen Ticketgeschäften sollen vier Männer den Fiskus um Millionen geprellt haben – zu den Angeklagten gehört auch ein Ex-Anwalt. Worum geht‘s konkret?
Karten für Rammstein-Konzerte, BVB-Spiele und viele andere Top-Events: Jahrelang sollen vier Männer über umstrittene Ticketbörsen am ganz großen Gewinnrad gedreht haben. Jetzt stehen sie in Bochum vor Gericht. Es geht um Steuerhinterziehung, Alias-Namen, Agenten und ausländische Firmen – und um einen mutmaßlichen Millionenschaden. Mittendrin: das Finanzamt in Witten.
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Hauptangeklagter vor der 13. Wirtschaftskammer am Bochumer Landgericht ist ein Mann aus Warburg. Er befindet sich in U-Haft. Neben dem 44-Jährigen sitzen ein ehemaliger Rechtsanwalt (68) und sein Sohn (29) aus dem Sauerland. Auf dem sozialen Netzwerk LinkedIn ist der Ex-Anwalt mit einem Profil als „selbständiger Jurist in Witten“ aktiv. Vierter Angeklagter ist ein 51-Jähriger aus Wuppertal, angeblich jahrelang eine Art Unterstützer.
„Die gesamte Vorgehensweise war konspirativ angelegt.“
Der vorbestrafte Hauptangeklagte soll bereits seit mehr als zwölf Jahren mit Konzert- und Fußballtickets gehandelt haben. Umsätze und Einnahmen soll er nie versteuert haben. Der 44-Jährige soll unter Aliasnamen oder über sogenannte Agenten Eintrittskarten erst angekauft - und sie dann mit Topzuschlägen über die Ticketbörsen Viagogo, Ebay und Seatwave weiterverkauft haben. „Die gesamte Vorgehensweise war konspirativ angelegt“, sagt Staatsanwalt Ekkehart Carl. Denn die betroffenen Fußballclubs, darunter auch Borussia Dortmund, das gegen den 44-Jährigen sogar ein „Stadionverbot“ verhängt hatte, hatten den Verkauf von Eintrittskarten über die umstrittenen Plattformen wie Viagogo längst kritisch ins Visier genommen – und ihre Tickets personalisiert und deren Weiterverkauf strikt verboten.
Einkünfte hätten laut Anklage beim Finanzamt Witten erklärt werden müssen
Ab 2017 soll der Hauptangeklagte den Ex-Anwalt und seinen Sohn aus dem Sauerland mit ins Boot geholt haben. Zur Verschleierung soll das Trio Firmen im benachbarten Ausland gegründet und über diese „Sammelstellen“ den Geldtransfer abgewickelt haben.
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Eine der wichtigsten Aufgaben des Ex-Anwalts soll es gewesen sein, Abmahnungen von Veranstaltern abzublocken. Bis Oktober 2021 sollen die sogenannten Viagogo-Dealer mehr als zwei Millionen Euro Umsatz-, Gewerbe- und Einkommenssteuer hinterzogen haben. Die Einkünfte hätten laut Anklage unter anderem beim Finanzamt Witten erklärt werden müssen, das mit Blick auf ehemalige Wohnsitze zuständig gewesen ist.
Der Hauptangeklagte hat über seinen Verteidiger Andreas Perner ein Geständnis abgelegt, der Ex-Anwalt und sein Sohn sind sich hinsichtlich Steuerhinterziehung keiner Schuld bewusst. Für den Prozess sind aktuell noch 15 weitere Verhandlungstage bis zum 30. Oktober anberaumt.
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