Düsseldorf. Die Finanzämter stehen vor einem Berg noch unbearbeiteter Einsprüche. Bringt der Protest die Grundsteuerreform ins Wanken?

Die nordrhein-westfälischen Finanzbehörden müssen sich mit einem kaum abzuarbeitenden Berg an Einsprüchen gegen die Grundsteuer beschäftigen. Neueste Zahlen belegen dies.

Laut der Antwort des NRW-Finanzministeriums auf eine Anfrage des Essener FDP-Landtagsabgeordneten Ralf Witzel wurden in diesem Jahr bisher 415.000 Einsprüche gegen Steuerbescheide zum Beispiel zur Einkommen- und zur Umsatzsteuer sowie zu etwa 25 anderen Steuerarten gezählt. Davon entfallen fast 100.000 allein auf die Grundsteuer.

Vor der Grundsteuerreform spielten die Einsprüche fast keine Rolle

2023 bezogen sich laut der Landesregierung von zwei Millionen Einsprüchen gegen Steuerbescheide 1,27 Millionen auf die Grundsteuer. 2021, also vor der Grundsteuerreform, ging es nur in einem Prozent der Einsprüche um die Grundsteuer.

„Das Grundsteuerchaos erreicht immer neue Negativrekorde. Einspruchszahlen in Millionenhöhe zeigen, dass Steuerpflichtige drohende Mehrbelastungen beim Wohnen nicht länger hinnehmen und verständlicherweise Rechtsmittel gegen die Neuberechnung einlegen“, sagte FDP-Landtagsfraktionsvize Witzel dieser Redaktion.

Führt die Einführung gesplitteter Grundsteuer-Hebesätze am Ende zu noch mehr Protest?

Er vermutet eine weitere Eskalation des Protestes, wenn Wohn- und Gewerbeimmobilien in manchen Städten mit unterschiedlichen Hebesätzen belastet werden sollten. Der Landtag hat vor Kurzem gegen den Widerstand vieler Städte den Weg freigemacht für eine Splittung der Grundsteuer-Hebesätze, um Privateigentümer von Immobilien vor drohenden Steuererhöhungen zu schützen.

Bisher mussten die Finanzämter den Angaben zufolge in rund 183.000 Fällen der insgesamt etwa 1,5 Millionen Einsprüche die Grundsteuerbescheide korrigieren. Hunderttausende Einsprüche hängen offenbar noch in der Warteschleife.

In den Ruhrgebietsstädten ist der Protest gegen die Grundsteuer sehr ausgeprägt. Die Dortmunder Finanzämter verzeichneten zwischen Juni 2022 und dem 3. Juli 2024 insgesamt rund 57.000 Einsprüche gegen die Grundsteuerwerte und gegen die Grundsteuermessbeträge. Essen kommt auf 50.000, Duisburg auf 30.000 und Bochum auf 27.000 Fälle.

Überall in NRW Grundsteuer-Protest

Beispiele für Einsprüche gegen die Grundsteuer in anderen Städten in NRW, gerundete Zahlen, Zeitraum: Juni 2022 bis 3. Juli 2024: Hagen (10.800), Gelsenkirchen (16.400), Dinslaken (10.700), Kleve (15.600), Mülheim an der Ruhr (17.400), Oberhausen (20.000), Wesel (9600), Arnsberg (12.600), Bottrop (10.000), Hattingen (8400), Lüdenscheid (7000). Quellen: NRW-Finanzministerium/Landtagsbüro Ralf Witzel)

Landesregierung : „Das Steuerrecht wird immer komplexer“

Die starke Zunahme bei den Einsprüchen führt das NRW-Finanzministerium in seiner Antwort auf die „von Jahr zu Jahr zunehmende Komplexität des Steuerrechts und die vermehrte vorsorgliche Einlegung von Einsprüchen“ zurück. Der sprunghafte Anstieg von 2022 auf 2023 hänge „ganz überwiegend“ mit Protest gegen die Grundsteuerbescheide zusammen.

Zuletzt hatte der Städtetag NRW dem Finanzministerium vorgeworfen, den Kommunen „irreführende Daten“ zur Verfügung zu stellen. Die Finanzverwaltung zeigt auf ihrer Webseite, mit welchen Hebesätzen eine Stadt auch nach der Grundsteuerreform aufkommensneutral bleiben könne, also keine Verluste oder Gewinne erzielen würde. „Diese Zahlen stimmen aber nicht“, behauptet der Städtetag.

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