Witten. Nach einem schweren Unfall fordert eine Wittenerin von Politik und Verwaltung, für mehr Fahrradsicherheit zu sorgen. Was sagen die Gescholtenen?
Geknallt hat es auf der Kreuzung Universitätsstraße/Kleinherbeder Straßen in Heven, am 18. Juni gegen 17.30 Uhr. Der Tag war wolkenverhangen. Elisa Berker hätte den Radweg nicht in Richtung Stadtmitte benutzen dürfen: Das weiß sie. Die Unfallfolgen spürt die E-Bikerin noch immer.
Nach einer Fußoperation muss die Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Hochschule Bochum eine Orthese tragen. Autofahren ist tabu, Elisa Berker ist krankgeschrieben. Regelverstoß hin, Unfall her – die 32-Jährige nennt Gründe, warum Radverkehr im Bereich Universitätsstraße ihrer Ansicht nach gefährlich ist. Zudem hat sie klare Wünsche an Politik und Verwaltung.
Radweg an Universitätsstraße Richtung Witten-Zentrum ist nicht ausgeschildert
Wer wie Elisa Berker vom Bochumer Kalwes zur Universitätsstraße kommt, sieht einen schmalen Fahrradweg abseits der Fahrbahn. Er darf aber nur in Richtung Freizeitbad Heveney benutzt werden. Der vorhandene Radweg ab Querenburger Straße in Richtung Witten-Zentrum ist auf der Kreuzung weder zu sehen noch ausgeschildert. Vom Radverkehr auf der Universitätsstraße ist abzuraten. Dort ist Tempo 70 erlaubt. Viele Bikende benutzen deshalb den Radweg an der Universitätsstraße entgegen der erlaubten Fahrrichtung – wie Elisa Berker.
Ihr geht es beim Ortstermin darum, die Sicherheit für Radfahrer nicht nur rund um die Universitätsstraße zu verbessern. „Es fehlt, dass das Fahrrad genau dieselbe Gewichtung im Straßenverkehr wie das Auto hat.“ Zumindest die Ergebnisse des zweijährlichen „Fahrradklimatests“ des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) geben Elisa Berker recht. Vor zwei Jahren hatte Witten demnach bundesweit noch die viertschlechtesten Radwege.
Erhöht das womöglich die Gefahr von Fahrradunfällen? Die Zahl schwankte in den Jahren 2019 bis 2023 zwischen 52 und 90, wie eine Polizeisprecherin sagt. Ein Trend indes ist nicht erkennbar. Was sagen Politik und Verwaltung dazu?
„Natürlich nimmt die Stadt die Bedürfnisse der Radfahrenden ernst“, sagt Stadtsprecherin Heinke Liere. „So arbeitet etwa ein aus vier Köpfen bestehendes ,Team Radverkehr‘ daran, die Situation von Radfahrenden in der Stadt zu verbessern und die 2019 im Radverkehrskonzept beschlossenen Maßnahmen umzusetzen.“ Liere führt beispielsweise die Radwege an der neuen Pferdebachstraße an, dazu Markierungen und Abtrennungen an der unteren Ruhrstraße sowie die „vielen roten Schutzstreifen“.
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Dabei erwähnt die Stadtsprecherin ausdrücklich den Radweg an der Universitätsstraße in Höhe Kleinherbeder Straße. Die Stadtverwaltung ist demnach dabei, einen Auftrag des Verkehrsausschusses umzusetzen. Inzwischen ist der Radweg im Kreuzungsbereich für den gesamten Verkehr deutlich sichtbar. Weitere Maßnahmen folgen „zeitnah“.
Warum haben innerstädtische Kreisverkehre keine Radspur?
Für Irritationen bei der in Heven verunglückten Radfahrerin Elisa Berker sorgt allerdings, dass Kreisverkehre, etwa an der Johannisstraße, ohne Radspur ausgestattet sind. Stadtsprecherin Liere hält gegen. Die Planung berücksichtigt demnach den „Stand der Forschung zum Thema Sicherheit“. Kleine innerstädtische Kreisverkehre sind bewusst ohne Bike-Spur ausgestattet, „und zwar aus Sicherheitsgründen“. Radfahrende sollen nicht in den toten Winkel von Autofahrenden geraten. Überholen ist nicht möglich.
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Andreas Müller von den Grünen ist Wittens Fahrradbotschafter, im Stadtrat wie im Kreistag. Er trägt die innerstädtischen Kreisverkehre ohne Bike-Spur mit. Radfahrenden rät der Kommunalpolitiker: „Lassen Sie sich nicht an den Rand drängen! Fahren Sie deutlich in der Mitte! Das respektieren die Autofahrer.“
Müller betont, der Politik sei die Verbesserung der Radwege zwischen Zentrum und Ortsteilen wichtig. Zugleich bittet der Politiker die Bevölkerung um Geduld. Lediglich kleinere Maßnahmen können derzeit umgesetzt werden. „Witten ist so arm, dass wir mit Provisorien leben müssen. Die Zeit ist nicht für Goldstandard.“ Wobei sich schon einiges inzwischen getan hat, nicht zu vergessen die „Wutkreuzung“ im Bereich Ruhrstrraße/Gasstraße/Mühlengraben, die durch Markierungen und früheres Grün für Radfahrer entschärft wurde.
Auch wennn Verkehrssicherheit ein Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge ist – der Bike-Gemeinde bleibt die Eigenverantwortung. Die Polizesprecherin sagt, mancher Unfall ließe sich vermeiden, wenn alle Verkehrsteilnehmer „Regelungen des Straßenverkehrs kennen und auch anwenden“. Radfahrenden rät sie, das Verkehrsumfeld aufmerksam zu beobachten. Sie seien oft die schwächeren Verkehrsteilnehmer.
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