Witten. Angesichts der großen Hitze ist bei der 17. Wittener Tafelmusik echtes Durchhaltevermögen gefragt. Die meisten Gäste sind aber gut vorbereitet.
Abends um sieben fängt das an, was man so was eine „italienische Nacht“ nennt, trotz deutscher Sperrspunde ab 22 Uhr... Es dürften immer noch um die 30 Grad in der Innenstadt sein. Aber langsam können die Gäste durchatmen. Es geht ein leichter Wind und die über 40 Tische, von denen viele anfangs noch in der prallen Sonne standen, stehen nun allesamt im Schatten. Nie dürfte es bei einer Wittener Tafelmusik heißer gewesen sein als bei dieser 17. Verflixte sieben. Verflixt? Von wegen: Die Stimmung ist prächtig.
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Dafür sorgt nicht zuletzt „Flori‘s Lemon‘s Bar“, eine von mehreren mobilen Künstlergruppen, die über die Festmeile zieht. Gerade gibt sie den Welthit „L*Italiano“ zum Besten. Der Gitarrist in gelben Flipflops, Sängerin Floriana trägt ein helles Kleid voller Zitronen und beim Refrain fangen die Ersten an zu tanzen: „La sciatami cantare“, lasst mich singen. „Zugabe“ hallt es wenig später über den Berliner Platz.
Für das Salz in der Suppe dieser verschwitzen 17. Tafelmusik sorgen aber natürlich einmal mehr die Gäste, die Wittener, die trotz 32 Grad im Schatten in die Innenstadt gekommen sind. Mit Strohhüten und kurzen Hosen, Sonnenbrillen und Sonnenschirmen. Sie haben Kühlboxen mit kalten Getränken und Tupperdosen voller Leckereien dabei.
Bei der Hitze ist vor allem leichte Kost angesagt, Tomaten-Mozarella-Sticks, Pitta mit Spinat, Käse oder Schinken, Gurken, Weintrauben, Baguette mit leckeren Dips. „Und Melonen zum Abkühlen“, sagt Bärbel Kirstein (64) an einem Tisch vor der Stadtgalerie. Gastgeber Romeo Frey (78) ist es in der letzten Woche gerade noch gelungen, einen im Schatten zu erwischen.
Kaufhaus-Chefin Christine Gassmann-Berger bietet auf dem Berliner Platz Pumpernickel mit Fischaufstrich an. Fisch? „Hat mein Mann gemacht“, „das lag bis gerade in den Eiswürfeln“, sagt die 69-Jährige beruhigend. Über den Tisch sind als Deko kleine künstliche Zitronen gespannt. „Am Anfang haben wir noch die pralle Sonne mitgenommen“, erinnert sich Kosmetikerin Susanne Hoffmann an den Aufbau gegen 16 Uhr, der gefühlt mitten in die Mittagshitze fiel.
Wessen Tisch anfangs in der Sonne steht, wie einige vor der Stadtgalerie, braucht echtes Steh- beziehungsweise Sitzvermögen. Das beweist Leser Ulrich Knäpper (66), der den WAZ-Tisch gewonnen hat. Der ehemalige Bogestra-Beschäftigte nimmt die Hitze mit Humor. „Der Dudelsackspieler bringt ein bisschen Wind“, sagt er lachend, als Björn Frauendienst gerade im Schottenrock der wahnsinnigen Wärme den Marsch bläst. Die Schotten kann nichts erschüttern, kennen wir ja von der EM.
Enkeltochter des Wittener WAZ-Gewinners kommt gerade aus dem Pool
Knäppers Enkelin Nina (10) kommt gerade aus dem Pool und spricht die Wahrheit an diesem Tag gelassen aus. „Es ist schon sehr heiß.* Der Nachbartisch hat sich gut auf den vorläufigen Wärmerekord in diesem Sommer vorbereitet. Der große graue Sonnenschirm, den Christian Lücking (48) zwei Tage zuvor noch extra bei Amazon bestellt hat, ist fest an den Tisch geschraubt. Schwitzen muss die Freizeitgruppe „Meet Five“ trotzdem.
Claudia („60 +“) fächert sich Luft zu, Christine (71) hat einen kleinen Regenschirm aufgespannt. „Wenn man nichts tut, geht‘s“, sagt sie lachend. Katrin (48) hat sogar Kartoffelsalat mit Majo dabei („ich hab ja ne Kühlbox“). Neben Frikas und Fleischwurst gibt‘s auch vegetarische Muffins - lecker, mit Zuccini, Käse, Tomate und Ei. Viele Gäste trinken anfangs nur Mineralwasser. Für Alkoholisches hat man ja immer noch den Abend.
Die Reihen wirken diesmal etwas lichter, tatsächlich stehen nicht so viele Tische wie sonst auf der Meile und es sind auch weniger Besucher gekommen. „Zwei Tische sind gar nicht besetzt. Vielleicht sind die Leute in der Ruhr“, sagt Stadtmarketing-Chefin Sandra Gagliardi. Sie selbst hat sich noch extra mit Sonnencreme eingedeckt. Das hat das Stadtmarketing auch noch in den sozialen Medien gepostet: Sonnenschutz nicht vergessen! Eine Tischreihe fehlt auch wegen der mobilen Bäume vor der Stadtgalerie. Na, vielleicht spenden die ja ein bisschen Schatten.
Klima-Allianz sitzt neben Grünen, die Frauen vom Lionsclub sind da und Jasmin Dreszer (41) ist mit ihren Kindern gekommen. Letztere sitzt von Anfang an im Schatten, „der Tisch ist optimal“. Und für die Kinder gibt‘s natürlich ein Eis. „Ich hatte sogar zwei“, ruft ein kleiner Junge.
Fazit: Die 17. Wittener Tafelmusik, die im Vorfeld wegen der deutlich erhöhten Tischgebühren (40 statt 25 Euro) und einer erst eingeführten, dann wieder zurückgenommenen Zwangsspende von fünf Euro hier und da für Unmut gesorgt hatte, ist wieder ein Erfolg. Unvergessen bleibt sie allein schon wegen der Rekordhitze. Um 21.40 Uhr - 20 Minuten vor Schluss - werden die Gäste wegen „einer aktuellen Gewitterwarnung“ nach Hause geschickt. Eine Stunde später gießt es in Strömen. Glück gehabt.
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