Witten. Sind es die gute Luft und die Liebe, die ihn jung halten. Jung? Emil Brinkhoff ist der älteste Camper Witten. Es gab nicht nur schöne Momente.
- 97 Jahre alt ist Emil Brinkhoff. Er ist damit der älteste Camper Wittens.
- Schon als Kind ist er mit seinem Vater immer zur Ruhr gegangen.
- Übernachtet wird allerdings zuhause am Bodenborn. Noch immer zischt er sich gerne ein Bierchen
Emil lacht viel. Die Haut ist sonnengebräunt, die Baseballkappe mit „New York“ sitzt perfekt. An seiner Seite hat er Waltraud, die sich liebevoll um ihn kümmert. Oder er kümmert sich um sie. Rudert sie zum Beispiel die Ruhr bis Wengern hoch. Dazu muss man wissen: Emil Brinkhoff feierte am Mittwoch (17.7.) den 97. Geburtstag. Er ist der älteste Camper Wittens.
Klar will er hundert werden, „mindestens“. Mit seinem Vater, der früh starb und den Emil inzwischen um gut 60 Jahre überlebt hat, ist er schon als Kind immer an die Ruhr gegangen. „Damals war hier nur Wiese“, zeigt der unglaublich fitte Jubilar auf den Campingplatz von Peter Steger an der Uferstraße in Bommern. „Wir waren da drüben.“
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„Da drüben“ ist das Stück Land, das wie eine Insel aussieht, weil zwischen ihr und dem Campingplatz noch der alte Arm der Ruhr liegt, „Spiek“ genannt. Die eigentliche Insel liegt daneben und gehört inzwischen bekanntlich dem Investor Markus Bürger. „Da drüben“, wo Emil früher mit seinen Kindern Fußball gespielt hat, ist heute das Naturschutzgebiet Ruhraue Gedern. Betreten verboten.
Emil ist ein Camper der ersten Stunde. Sein „Wolf“, der in die Jahre gekommene Wohnwagen, hat inzwischen gut 40 Jahre auf dem Buckel. Natürlich hat der älteste Camper Wittens einen Logenplatz, erste Reihe, mit rosa Blümchen und Blick direkt auf die Ruhr. Mal sitzt er mit seiner Waltraud, die er mit knapp 90 auf einer Busfahrt nach Polen kennengelernt hat, auf der „Terrasse“ ganz nah am Wasser, mal unterm Vordach oder an einem hinteren Tisch neben dem Wohnwagen. Kurzum: ein Paradies, in dem man alt werden kann. Alt?
Die Bratkartoffeln und der Eintopf schmecken immer noch
Emil hat‘s zwar mit den Knien, aber ansonsten ist er topfit. Hört gut, erinnert sich gut, zischt gern noch mit Conny, Detlev und Teddy von nebenan ein Bierchen, und die Bratkartoffeln und der Eintopf schmecken auch noch hervorragend. Und dann ist da natürlich das späte Liebesglück, das ihm mit Waltraud aus Nienburg im hohen Alter zuteil wurde.
Herrlich die Geschichte, wie Emil die Norddeutsche vor fünf Jahren dazu bewegen konnte, zu ihm ins Ruhrgebiet zu ziehen. Damals war bei ihm die Luft knapp geworden, und er musste ins Krankenhaus. „Auf der Rückfahrt von der Klinik hat er mich an der ersten Ampel gefragt: Kannste dir vorstellen, für immer bei mir zu bleiben?“, erzählt Waltraud. „An der zweiten Ampel habe ich gesagt, dass ich mir das überlegen muss, und an der dritten Ampel hat er gefragt, ob ich es mir überlegt hätte.“ Heute verbringt die 77-Jährige die Sommer mit Emil in Witten, also meistens auf dem Campingplatz, das andere halbe Jahr wohnt er bei ihr im idyllischen Dorf an der Weser.
Dort ist Emil inzwischen ebenfalls bekannt wie ein bunter Hund, so wie auf dem Platz an der Uferstraße in Bommern. „Er duzt sich bei uns mit dem Bürgermeister, und die Kinder sagen Opa Emil zu ihm“, erzählt Waltraud lachend. Und sie reisen auch noch gern, dann aber ohne Wohnwagen und Vorzelt. Kreuzfahrten, Sylt, Ägypten - Hauptsache ans Wasser. Denn der Emil „schwimmt noch wie ein Aal“.
Die Ruhe an der hier so idyllischen Ruhr, das Bötchenfahren, das Schwimmen im Sommer - und sicher auch die geselligen Runden auf dem Platz - sind die Hauptgründe für Emils ewig währende Campingleidenschaft. Aber es war auch nicht alles schön. Der 97-Jährige hat schon Wasserleichen gefunden. Ein totes Mädchen verfolgt ihn heute bis in den Schlaf.
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Er hat noch die Sprengung der Möhnetalsperre im Zweiten Weltkrieg erlebt, als die Flutwelle am 17. Mai 1943 Witten erreichte und auf der vorgelagerten Insel bei Steger nur noch das Dach des dortigen Hauses aus dem Wasser ragte. Dafür ist ihm die Jahrhundertflut 2021 erspart geblieben. Da schipperte er mit seiner Waltraud gerade durch die Fjorde Skandinaviens.
Bei aller Liebe zum Campen, übernachtet wird immer zuhause am Bodenborn. „Ist doch viel bequemer“, sagt Emil. Ausnahmen gab es selten. „Höchstens wenn ich besoffen war.“ Aber das sei nicht oft vorgekommen. Und was wünscht sich der gelernte Maschinenschlosser, der bei den Edelstahlwerken gelernt hat und mit 60 bei Opel in Rente ging, zum 97.? „Gesundheit und dass alles so bleibt, wie es ist.“ Gerade schwimmt ein Schwan vorbei, als wollte er gratulieren.