Witten. Wer ein Ferienparadies vor der Haustür sucht, beim Camping in Witten kann man es finden. Idylle pur. Wenn man den richtigen Platz hat. Frag Emil.
Angeblich muss man ja die Dänen fragen, wie das mit dem Glück geht. Sie gelten als die glücklichsten Menschen auf der Welt. Aber so weit muss man, noch dazu in Corona-Zeiten, gar nicht reisen. Den Bodenborn ein kleines Stück rauf, dann links in die Uferstraße und immer geradeaus. Beim Campingplatz Steger scharf links runter. Dort wartet alles, was man zum Glücklichsein braucht. Fragt Emil.
Emil Brinkhoff ist am Freitag 93 geworden und hat einen der schönsten Plätze auf der ganzen Anlage. Direkt vorne am „Spiek“, wie sich der alte Ruhrarm nennt, dort, wo einem Enten und Schwäne „Gute Nacht“ sagen und die Frösche frühmorgens fröhlich ihr Konzert anstimmen. Emil ist ein Camper der ersten Stunde. Kein Wunder, bei dem Alter.
Acht mal acht Quadratmeter direkt am alten Ruhrarm in Witten
Er hat die Parzelle gleich am Wasser, acht mal acht Quadratmeter, mit grau-blauem Vorzelt (wird in diesem Jahr erneuert) und dem alten Wohnwagen vom Helmut („der ist jetzt auch schon acht Jahre tot“). Der Wohnwagen, sagt Emil, war noch nie auf der Straße, und wenn man dieses kleine Paradies auf Erden besucht, versteht man, warum.
Als wär das Glück noch nicht perfekt, hat sich Emil noch ‘ne 20 Jahre jüngere Frau geangelt, die liebevoll das Blumenbeet gleich am Steg hegt und pflegt. Da blühen die lila Astern und die hellen Pfingstrosen, gelb die Chrysanthemen und rosa der Phlox.
„Hier“, zeigt Waltraud Stünkel (72) auf ein Stück etwas unregelmäßig verteilter Erde, „das haben mir die Nutrias zerzaust.“ Waltraud, die aus dem hohen Norden kommt, sagt das durchaus liebevoll. Denn sie ist eine große Tierfreundin, das merkt man schnell.
Waltraud schwärmt von den vielen Tieren direkt vor ihrer Parzelle
„Eisvögel, Uferschwalben, Blesshühner, vier Arten von Gänsen“… Waltraud kommt regelrecht ins Schwärmen. „Die Haubentaucher bauen ihr Nest auf dem Wasser. Inzwischen schwimmt das Junge schon mit. Das war erst so klein und saß auf dem Buckel der Mutter“, sagt sie. „Und gucken Sie mal da, ein weißes Nutria, das junge!“ Tatsächlich, da schwimmen sie, die biberähnlichen Geschöpfe, die längst in der Ruhr heimisch geworden sind.
Man muss eigentlich gar nicht viel reden. Nur gucken. Und genießen. Das milde Abendlicht fällt auf die gegenüberliegende RWE-Insel. Zwei kleine Kähne, blau und rot, liegen am Anleger. Mit einem rudert Emil noch jeden Tag ein, zwei Stunden die Ruhr rauf. Er übernachtet zwar in seiner Wohnung in Bommern, aber morgens ist er immer da. Muss ja nach dem Rechten sehen. Auch im Winter.
Emil hat mit einem VW-Bus auf dem Campingplatz in Witten angefangen
Fern, im Hauptstrom, schießen ab und an die Sportler in ihren langen, schnittigen Booten vorbei. Auf Emils Grill liegen noch ein paar Würstchen. Zum Geburtstag haben die Kinder („die sind hier groß geworden“) und die Enkel Hähnchenschnitzel, Frikadellen und Kartoffelsalat mitgebracht.
Klar, kommt auch der Chef vom Platz, Peter Steger, auf ein Bierchen vorbei. „Der Emil kannte mich schon, als ich noch in die Hose gemacht habe“, sagt der 75-jährige Bommeraner und reicht ein Fläschen rüber. Ritter Pils. Als wäre die Zeit stehen geblieben.
„Ich bin mit ‘nem VW-Bus auf der anderen Seite angefangen“, erzählt Emil. Auf dieser durchs Wasser getrennten „anderen Seite“, wo heute das rote DLRG-Häuschen steht, standen einst noch zahlreiche Campingwagen – bis Anfang der 70er aus der Wasserschutzzone 2b 2a wurde, wie Peter Steger erzählt, und „wir rüber mussten“. Auf Emils heutiger Parzelle war einst der Parkplatz. „Wir hatten damals 160 Wohnwagen. Irgendwo mussten die Autos ja hin“, sagt Steger. Heute sind es noch knapp ein Drittel.
Im Corona-Sommer ist es erstaunlich ruhig in der Wohnwagengasse
Aktuell ist es in der Wagengasse erstaunlich ruhig, trotz Corona-Urlaub in der Heimat und obwohl viele Stammgäste aus Witten kommen. Man kann die Gäste an diesem Abend fast an einer Hand abzählen.
Dort stehen ein, zwei Zelte von den Bildhauern auf Steinhausen und jungen Mädchen, die mit dem Rad gekommen sind, hier hockt ein Ehepaar aus Heidelberg vorm Wohnmobil, das die Tochter in Heven besucht, da kommen die Beckings von der Humboldtstraße, die gerade den elften Geburtstag von Sohn Leif gefeiert haben, aus ihrem Blockhaus. „Hier ist alles entspannter als zuhause in der Wohnung“, sagt Mutter Caroline (45), die sich auf drei Wochen am Wasser freut. „Wir haben Urlaub!“
Zurück zu unserem anderen Geburtstagkind, Emil, dem gelernten Maschinenschlosser, der vor über 50 Jahren mit seiner verstorbenen Frau die Sportlerklause in Bommern hatte und der die letzten 18 Jahre seines Berufslebens bei Opel geschraubt hat. Verdammt lang her. Lebensgefährtin Waltraud schlingt ihre Arme um den Mann mit blauer Shorts und Käppi. Hier könne man auch toll angeln, sagt der Seniorpartner. „Du hast doch schon ‘nen großen Fisch gefangen“, meint Peter Steger lachend. „Er ‘ne junge Bachforelle und ich ‘nen alten Hecht“, nimmt Waltraud schlagfertig den Ball auf.
Das nennt man Glück.