Witten. . Der Bommeraner Campingplatz-Betreiber Hans-Peter Steger war im WDR-Kulturmagazin Westart zu sehen. Ein „Ruhrgebietsmensch“ der besonderen Art.

Es gibt Bommeraner, die tauschen ihre Wohnungen am Bommerfelder Ring seit Jahren im Sommer gegen einen Campingplatz. Ihr grünes Paradies liegt nicht an der Nord- oder Ostsee, nicht im Sauerland oder Bayern, sondern vor der Haustür, nur drei, vier Autominuten von den eigenen vier Wänden entfernt an Bommerns Uferstraße. Das Reich von Hans-Peter Steger und seiner Frau Edeltraut. Der 74-jährige Campingplatz-Betreiber hat es jetzt ins WDR-Kulturmagazin Westart geschafft. Als ein Ruhrgebietsmensch der besonderen Art.

Die Postkarte aus den 50er Jahren zeigt oben die Gaststätte Zu den Ruhrinseln, die Hans-Peter Stegers Mutter Erna auf dem Gelände des heutigen Campingplatzes betrieb. Sie verlieh auch Ruderboote. Repro: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services
Die Postkarte aus den 50er Jahren zeigt oben die Gaststätte Zu den Ruhrinseln, die Hans-Peter Stegers Mutter Erna auf dem Gelände des heutigen Campingplatzes betrieb. Sie verlieh auch Ruderboote. Repro: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services

War Steger aufgeregt, als das Fernsehen vorbeischaute? „Ach was“, winkt der lachend ab. „Der WDR war schon häufiger da.“ Und auch sonst kann Steger so schnell nichts aus der Ruhe bringen. Selbst die Ruhr nicht, wenn sie über die Ufer tritt. Das hat der gelernte Schreiner, der jetzt schon in der dritten Generation am Fluss sein Geld mit Erholungssuchenden verdient, auch dem „Stadtschreiber Ruhr“, Journalist Lucas Vogelsang, erzählt.

Eine Werkstatt voller Erinnerungen

Vogelsang („Heimaterde. Eine Weltreise durch Deutschland“) hat zusammen mit dem Wittener Fotografen Philipp Wente und einem Kamerateam Steger und seiner Frau für den WDR einen Besuch abgestattet. Die Gäste durften auch – wie langjährige Camper – einen Blick in Stegers Werkstatt werfen.

Hans-Peter Steger in seiner Werkstatt voller Erinnerungsstücke. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services
Hans-Peter Steger in seiner Werkstatt voller Erinnerungsstücke. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services

Ein Raum voller Erinnerungen – mit Fotos an den Wänden, präparierten Tieren, Petroleumlampen, alten Töpfen, einer Truhe aus Holz aus den 50er Jahren, die, mit Stangeneis gefüttert, einst Getränke und Lebensmittel kühlte. In der Werkstatt stehen auch ein Tresen – mit Barhockern davor – sowie zünftige Holztische. Hier können Camper, wenn es draußen frisch ist, auch mal ein kühles Blondes trinken.

„Den Kartoffelsalat brauchen wir für unsere Gäste!“

Muss sein: Ein schon in die Jahre gekommener Gartenzwerg hält Wacht auf dem Campingplatz. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services
Muss sein: Ein schon in die Jahre gekommener Gartenzwerg hält Wacht auf dem Campingplatz. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services

Im Sommer zieht es die Gäste in den Biergarten, der 100 Plätze hat, mit angeschlossenem Verkaufsraum und Küche, in der Edeltraut Steger ihren legendären Kartoffelsalat zubereitet. Menschen, die zu ihr an die Uferstraße kommen und den Salat in großen Mengen fürs heimische Grillfest kaufen möchten, zeigt sie die rote Karte. „Den Kartoffelsalat brauchen wir für unsere Gäste!“

Zurzeit wird Stegers Campingplatz fit für den Frühling gemacht. Der 74-Jährige, der mit seiner Frau seit 1970 in einem Haus auf seinem Platz lebt, auf dem er auch aufwuchs, zeigt auf das angrenzende Gebäude mit den Sanitäranlagen. „Die haben wir grundrenoviert.“

Die Ruderboote schaffte Stegers Mutter Erna an

Wann startet die Saison? „Wir müssen mal sehen. Ostern ist es oft noch zu kalt, vielleicht Ende April.“ Der späteste Termin sei der 1. Mai – „auch wenn es dann stürmt oder schneit“. Stegers Campingplatz versprüht den Charme der 50er und 60er Jahre. Und das ist auch so gewollt, sagt das Ehepaar. „Wir wollen hier nichts Modernes machen.“ Nostalgisch muten auch die neun Ruderboote an, die Steger verleiht und die vor 45 Jahren seine Mutter Erna angeschafft hat.

Der Supersommer 2018 habe ihnen viele Gäste beschert, erzählen die Stegers. Ebenso wie der Ruhrtalradweg. Sportliche, die von der Quelle der Ruhr im Hochsauerland bis zur Mündung des Flusses in den Rhein bei Duisburg-Ruhrort radeln, legen gerne eine Rast auf dem Bommeraner Campingplatz ein. Auch Schweizer, Holländer und Belgier liebten den Radweg, weiß Steger zu berichten. „Was wir in all den Jahren hier schon mit Leuten erlebt haben, darüber könnten wir ein Buch schreiben“, fügt seine Frau schmunzelnd hinzu.

Edeltraut Steger über ihren Mann: „Der kennt nur Arbeit“

Wohnwagen-Idylle am Fluss: Rund 50 Stellplätze hat Stegers Campingplatz an der Ruhr. Außerdem gibt es eine Wiese, auf der gezeltet werden kann. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services
Wohnwagen-Idylle am Fluss: Rund 50 Stellplätze hat Stegers Campingplatz an der Ruhr. Außerdem gibt es eine Wiese, auf der gezeltet werden kann. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services

Nur zum Schreiben haben sie und ihr Mann gar keine Zeit. Hans-Peter Steger ist das, was man im Pott früher einen Malocher nannte. „Der kennt nur Arbeit“, meint seine Frau. Bis zu seiner Rente hat Steger angestellt als Schreiner gearbeitet. „Nachmittags ging’s dann auf den Campingplatz.“ Eine selbst gewählte Doppelschicht. „Ich hatte schon als Jugendlicher keine freien Wochenenden mehr, weil ich hier meinen Eltern geholfen habe.“ Seine Generation sei halt belastbar, fügt er augenzwinkernd hinzu.

Und der Ruhestand? „Da gibt es keinen Termin. Wir machen weiter, solange wir das können.“ Wenn es nicht mehr geht, will Sohn Andreas (52), ebenfalls Schreiner von Beruf, weitermachen. Einmal woanders leben, vielleicht in einem Seniorenheim – da schüttelt Hans-Peter Steger heftig den Kopf. Und hat wieder den Schalk im Nacken: „Da gebe ich mir lieber einen Schuss.“

DIE RUHR NAHM STEGER DEN VATER, DEN BRUDER UND DEN OPA

Hans-Peter Steger ist seit 59 Jahren Mitglied der DLRG und strikt gegen den Vorschlag, an der Bommeraner Uferstraße wieder ein Naturfreibad einzurichten – an der Stelle, an der heute die Schwalbe anlegt. Von 1928 bis 1958 gab es dort ein privat geführtes Strandbad. Steger: „Oben sieht der Fluss ruhig aus und unten ist die Strömung.“

Auch seinen Gästen sagt der 74-Jährige, dass das Schwimmen in der Ruhr verboten ist. „Aber manche machen es trotzdem.“ Steger warnt aus eigener leidvoller Erfahrung. Seinen Vater hat er selbst 1978 frühmorgens tot aus der Ruhr geborgen. Sein Bruder starb 1943 mit fünf Jahren im Fluss, Stegers Großvater 1927. „Die Ruhr ist heimtückisch.“