Witten. Deutschland ältester DJ hat Witten jahrelang eingeheizt. Der Holländer erwartet vom Oranje-Team bei der Fußballparty einen heißen Tanz.
Ruud van Laar ist Deutschlands ältester Profi-DJ. Das sagt der inzwischen 81-Jährige aus Utrecht, der dem Partyvolk in Wittens Werkstadt lange Jahre eingeheizt hat, selbst von sich. Weniger bekannt ist, dass der Niederländer auch Fußball-Fan ist. Beim Halbfinale am Mittwoch erwartet er vom Oranje-Team einen heißen Tanz. Für die Stunden rund ums Spiel hat Ruud van Laar längst einen Plan.
Sein Herz schlägt für die niederländische Elftal, wie das Team im Nachbarland genannt wird: „Ich habe meinen holländischen Pass noch“, sagt der hauptberufliche Musikfan. Dabei wollte er Mitte der Siebziger Jahre tatsächlich Deutscher werden. Doch die Kosten der Einbürgerung waren ihm damals zu hoch. „Da musste man 10.000 Mark bezahlen.“
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Niederländischer Ausweis hin, deutscher Wohnort her: Ruud van Laar sieht sich als Weltbürger. Mit 14 Jahren schon setzte er sich von zuhause ab, tingelte mit einem Freund durch Europa, landete schließlich in Deutschland, im Ruhrgebiet. Die Musik gab den Takt vor, fünf Jahre lang in Wittens Werkstadt.
Für Ruud van Laar ist Rares Wahres, die heimlichen Hits aus Pop, Jazz, Weltmusik. Seine Fans lieben ihn dafür. Allzu viel Mainstream auf dem Plattenteller mag der Kult-DJ nicht. Das hat ihm nicht nur Freunde gemacht. „So ist das Gebilde Ruud van Laar entstanden.“ Und wie kam der Fußball in sein Leben? Über Umwege.
Borussia Dortmunds Europapokal-Sieg entfachte Fußballfieber
Fußball hat ihn stets interessiert, weil der Sport die Massen so sehr begeistert wie nur wenig sonst. Ruud van Laar spürte schnell: Die Geschichten rund ums Kicken verbinden Menschen; sie sind sozialer Kitt. Ruud van Laar wollte immer mitreden.
Schnell merkte er, dass Borussia Dortmund fürs östliche Revier so unverzichtbar ist wie Kohle für den Pütt. Spätestens seit dem Europapokalsieg des BVB gegen Liverpool 1966 hatte der Club nicht nur Ruud van Laars Hirn, sondern auch sein Herz erreicht – wie die niederländische Nationalmannschaft.
DJ sah WM-Finale 1974 im Knast
Die Weltmeisterschaft 1974 mit dem legendären Endspiel sah er allerdings im Gefängnis. „Ich hatte eine größere Geldbuße zu bezahlen. Ich hätte Raten zahlen müssen, und ich habe sie nicht bezahlt. Ich habe das Finale Deutschland gegen Holland mit deutschen Knackis verfolgt.“
Der Globetrotter betont, dass seine Sympathie für das Oranje-Team nichts mit übersteigertem Nationalismus zu tun habe. Zugleich sieht er Teile seiner Landsleute kritisch. „Die Holländer gelten zwar als tolerant. Sie sind aber nicht toleranter als die Deutschen oder andere. Die Toleranz ist bei vielen eher eine oberflächliche Freundlichkeit, ein oberflächliches Spaßhaben miteinander.“
Ruud van Laar muss es wissen. In Bayern würde der DJ und Gastronom als Gaudibursch gelten. Wegen seiner Nachtschichten ist er so gut wie nie im Stadion gewesen. Fußball ist für ihn ein Fernsehsport.
Der Tipp fürs Halbfinale Niederlande-England
Über die Elftal sagt er: „Ich habe nie an einen Durchmarsch geglaubt.“ Aber Ruud van Laar war sich bereits vor der Europameisterschaft sicher, „dass wir sechs, sieben Jungs haben, die turniersicher sind, die auch in großen Mannschaften in Europa spielen oder gespielt haben“. Das sei „eine gute Basis“.
Als Favorit für den Titel sieht Ruud van Laar die niederländische Mannschaft nicht zwingend. Deren bisheriger Erfolg habe auch etwas damit zu tun, „dass sie nicht gleich die ganz großen Gegner hatte“, weder in den Gruppenspielen noch in den K.o.-Runden. Nun kickt Holland gegen England. Wie gestaltet Ruud van Laar seinen Fußballabend?
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Vielleicht sieht er sich das Spiel zuhause an – oder im Café Erdmann im Dortmunder Kreuzviertel. Fest steht für den ehemaligen DJ aus der Werkstadt allerdings: „Ich will erst mal durch die Stadt laufen, um Holländer und Engländer zu treffen. Das ist schon eine wilde Angelegenheit. Egal wie das Spiel ausgeht: Ich freue mich auf Gespräche mit biertrinkenden Menschen.“ Den passenden Dress hat Ruud van Laar schon: einen Hut in Oranje. Wie lautet sein Tipp?
Holländer und Briten
74 Niederländer und 46 Briten haben ihren Hauptwohnsitz in Witten gemeldet. Das sagte Stadt-Sprecherin Heinke Liere auf Anfrage der WAZ. Die Daten beziehen sich auf den Stichtag 30. April 2024.
Er geht mit vorsichtigem Optimismus ins Halbfinale. „Aufgrund der mannschaftlichen Qualität sage ich, dass die Holländer etwas besser dastehen als die Engländer.“ Der DJ erwartet die „holländische Tanzkarawane“ im Finale in Berlin.