Ruhrgebiet. Zwei Wochen der EM 2024 sind schon wieder herum. Was die Gastronomie jetzt über die Fans sagt - und ein Engländer über Gelsenkirchen.
Da soll man keine schlechte Laune kriegen als Fußball-Fans und Engländer: Sie sind in der Arena auf Schalke beim Spiel gegen Serbien mit Leichtbier abgespeist worden. Die 2,8-Prozent-Plörre war vermutlich der wahre Grund, warum in Richtung der Stadt Gelsenkirchen einige hässlichere Worte fielen. Wie das vom „shithole“ („Drecksloch“). Wenn die Engländer am Sonntag wiederkommen, kriegen sie daher diesmal richtiges Bier. Die Slowakei gilt ja auch nicht als Hochrisikogegner. Der Schalke-Aktivist Oliver Kruschinski begrüßt die Engländer so: „Welcome back in #shitholeGelsen. We missed you!“ Offenbar hat man sich vertragen.
Die EM hat Halbzeit. Man kann nach diesen zwei Wochen sagen, dass über Gelsenkirchen hinaus die Spiel-Städte rundum glücklich sind mit ihrer Europameisterschaft. Das Wetter spielt gerade buchstäblich mit, das Sommermärchen 06 verdunkelt die EM 24 nicht mehr. Gastronomie und Hotellerie ziehen ihre Zwischenbilanz, die Städte hoffen auf weitere positive Folgen, und auf den zentralen Plätze und in den Straßen herrscht gute Laune. „Wir haben so tolle Gäste, Engländer, Schotten, Belgier, Amerikaner“, sagt der Wirt Christopher Reinicke (39): „Alle haben sich verstanden, das macht richtig Spaß.“
„Was ich sehe und höre: Da ist richtig Tango“
Er hat sein Restaurant „Mit Schmackes“ in Dortmund auf die EM eingestellt. „Mit Schmackes ins Endspiel“ steht draußen auf einem Transparent, die Karte bietet unter anderem „Tifosi-Schnitzel“ (mit Tomate) und „Allez-les-bleus-Schnitzel“ (mit Camembert), zehn Fernseher warten allein im Innenraum auf Zuschauer. „An Spieltagen haben wir Heimspielniveau des BVB: voll“, sagt Reinicke: „Sonst ist es nicht jeden Tag brechend voll, aber das ist jetzt Stöhnen auf allerhöchstem Niveau.“ Sein Lokal liegt umsatzzfördernd am Weg zum Stadion, nicht einmal in der Innenstadt, nicht am Alten Markt, dem EM-Epizentrum der Stadt: „Was ich sehe und höre: Da ist richtig Tango.“
In Düsseldorf haben sie schon ausgerechnet, was die Fans aktuell einbringen. „Manche Altstadt-Wirte machen den fünffachen Umsatz“, sagt Thomas Neuhäuser, Projektleiter bei der Stadt für die EM. Allein die fünf EM-Spiele brächten 250.000 Fans in die Stadt, „wenn jeder nur 100 Euro ausgibt, sind das schon 25 Millionen“. Dazu kommen die vielen Menschen in den Fanzonen und die vielen, vielen, vielen Fans, die einfach so die Altstadt füllen. Düsseldorf denkt aber darüber hinaus: „Das ist die Chance, Menschen für Düsseldorf zu begeistern, die wir sonst nicht erreichen.“
„Hotels sind mittags halbleer und abends ausgebucht“
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Mögen sie wiederkommen. Mit Familie, mehr Zeit und Geld. Darauf spekulieren auch die anderen. Gelsenkirchen. Köln. Dortmund. Außerhalb von Hotellerie und Gastronomie profitiere der Einzelhandel nicht groß von den Fans, sagt Thomas Schäfer: „Viele sind in der Stadt, aber in Geschäfte gehen sie nur, um sich abzukühlen oder etwas zu trinken zu kaufen. Ein paar kaufen noch Fanartikel, ein paar auch Geschenke.“ Schäfer, der Geschäftsführer des „Handelsverbands Westfalen/Münsterland“ in Dortmund, sieht aber langfristig „die Chance, dass sie erkennen: Hier gibt‘s was Tolles zu sehen, zu entdecken.“ Sie kämen dann wieder.
Fußballfans sind keine Messegäste. Das ist die Erfahrung von Hans-Günther Oepen, dem Sprecher der Düsseldorfer Hoteliers. „Im Vorfeld haben wir uns deutlich mehr erhofft, als anfangs kamen“, sagt er: „Aber jetzt ist es so, Buchungen kommen spontan von jetzt auf gleich. Hotels sind mittags halbleer und abends ausgebucht.“ Das Buchungsverhalten sei völlig anders als bei Messen. Der Umsatz hänge aber auch ein bisschen davon ab, wie finanzkräftig die jeweiligen Gäste seien: „Gegen Spanien war die Stadt voller Albaner. Aber ich weiß nicht, wo sie übernachtet haben. Vielleicht im Ausland oder beim Camping.“ Unterm Strich sagt Oepen: „So enttäuscht wir anfangs waren, so gut läuft es jetzt. Verglichen mit einem normalen Juni: Sehr gut!“
Nach einem Besuch in Köln liegt Gelsenkirchen wieder vorn
Doch zurück nochmal nach Gelsenkirchen. „In einer anderen Stadt hätten die Leute mich vielleicht verprügelt“, so Paul Brown, einer der englischen Fans, die im Internet über die Stadt lästerten. Aber hier habe man ihm gesagt: Wir sollten uns treffen. Brown war inzwischen auch in Köln, berichtet er, und nach dieser Erfahrung liege Gelsenkirchen vorn. Das Bier, vermutlich.
Es gibt noch eine zweite Stadt, die aus England vorab beschimpft wurde: Frankfurt. Boulevard-Journalisten haben nach einem Besuch das Bahnhofsviertel als „Zombieland“ bezeichnet und „Deutschlands schlimmsten Slum“. Jetzt hat ein Kollege der „Frankfurter Rundschau“ englische Fans in einer randvollen Kneipe ebenda befragt, und das muss man einfach abschließend widergeben. Viel Spaß! Reporter: „Haben Sie Angst?“ Kenny: „Was?“ – „Ob Sie Angst haben. Gefährlich hier?“ – „Was?“ Tom: „Du weißt schon, Zombieland.“ Kenny: „Ich war in Südafrika, ich war in Seoul, in Russland – ich war in Manchester! Ich habe wirklich keine Angst vor Frankfurter Zombies.“
Wir werden euch vermissen!