Essen/Bremen. Behörden müssen gegen rechtswidrig auf dem Gehweg parkende Fahrzeuge vorgehen. Ein neues Urteil könnte auch die Lage in NRW verändern.
In Bremen haben Anwohner mehrerer Straßen dagegen geklagt, dass die Stadt nichts gegen rechtswidriges Gehwegparken vor ihren Häusern unternimmt. Wird der Parkraum jetzt auch im Ruhrgebiet knapper?
Grundsätzlich ist Parken auf dem Gehweg verboten
Es geht um drei Einbahnstraßen der Hansestadt. Fahrbahnbreite zwischen 5,00 m und 5,50 m, auf beiden Seiten mit Gehwegen zwischen 1,75 m und 2,00 m breit. Und mit einem Parkproblem. Seit Jahren – das ist unstrittig - wird dort auf beiden Straßenseiten nahezu rund um die Uhr auf den Gehwegen geparkt. Verkehrszeichen, die das erlauben, gibt es in den Straßen nicht.
Schon im Dezember 2018 verlangten fünf Anwohner von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde, geeignete Maßnahmen gegen das sogenannte „Gehwegparken“ zu treffen. Die Behörde aber lehnte den Antrag ab. Daraufhin zogen die Anwohner vor Gericht.
Dabei ging es nicht um die Frage, ob das „aufgesetzte Parken“, bei dem man in der Regel mit zwei Rädern auf dem Bordstein steht, erlaubt ist oder nicht. Das ist in der bundesweit geltenden Straßenverkehrsordnung nämlich längst geregelt. Ohne ein entsprechendes Schild (Verkehrszeichen Nr. 315) ist das aufgesetzte Parken laut § 12 Absatz 4 und 4a verboten.
Für großflächige Kontrollen fehlt das Personal
Dennoch wurde es auch in den Großstädten des Reviers nicht immer geahndet. Was ungewöhnlich ist – schließlich tragen Knöllchen mancherorts nicht zu knapp zum Auffüllen der Stadtkassen bei. Aber wo kein Kläger, da kein Richter. Zumindest niemand, der Strafmandate ausstellt. Um in großem Stil zu kontrollieren und Strafmandate zu verteilen, fehlt es in den meisten Städten an Personal. Und Freunde macht man sich damit auch nicht. Noch gut in Erinnerung ist die Aufregung im Dortmunder Kreuzviertel, als es nach jahrelanger Duldung des Gehwegparkens Ende 2022 plötzlich Knöllchen regnete. Das habe kurzfristig geholfen, erzählt ein Anwohner des Viertels. „Aber seit nicht mehr ständig kontrolliert wird, stehen die Gehwege wieder voll.“
Die Frage im Bremer Fall war dann auch viel mehr, ob betroffene Anwohner von der Straßenverkehrsbehörde verlangen können, gegen das aufgesetzte Parken vorzugehen. Genau in diesem Punkt waren sich das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht Bremen, die sich bisher damit beschäftigen, uneinig. Deshalb musste nun das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheiden.
Erschwert wurde das Ganze dadurch, dass es keine verbindlichen Regelungen zu den Maßen von Gehwegen gibt. Zwar empfiehlt die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, ein gemeinnütziger Verein zur Mobilitätsgestaltung, eine Breite von 2,5 Metern. Eine Verpflichtung, sich daran zu halten, gibt es aber nicht. Dafür aber ein weiteres Problem.
Autos werden immer größer
Waren Pkw wie der Ford 12M, Opel Kadett und natürlich der VW-Käfer in den 1960er Jahren im Schnitt 1,63 Meter breit, erreichten sie schon vor fünf Jahren durchschnittlich 1,85 Meter – ohne Außenspiegel. Große SUV kommen – allerdings mit Spiegeln – mittlerweile auch auf 2,20 Meter. Aber es muss gar kein schwerer Geländewagen sein. Auch am Beispiel des VW-Golf zeigt sich, wie sehr mancher Pkw in die Breite gegangen ist. Die erste Generation war weniger als 1,80 Meter breit, schon der Golf war auf mehr als 2,07 Meter Breite angewachsen. Und Kombis sind mittlerweile viel länger als früher.
Jedenfalls ist im Bremer Fall die Gehwegbreite durch verbotswidrig abgestellte Autos auf „deutlich unter 1,5 Meter“ geschrumpft. Zu wenig für die Richter, vielmehr eine „unzumutbare Funktionsbeeinträchtigung“, vor allem, weil unter diesen Umständen ein „Begegnungsverkehr nicht mehr möglich“ sei. Und Mütter mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrer haben selbst ohne Gegenverkehr keine Chance, zu passieren.
Wie schnell müssen die Städte handeln?
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes hätte die Stadt Bremen in der konkreten Situation deshalb zwingend gegen die Falschparkenden einschreiten müssen. Etwa durch Knöllchen oder Abschleppen. Nein, entschied dagegen das Oberverwaltungsgericht, eine Pflicht, unmittelbar einzuschreiten, bestehe derzeit noch nicht. Die Stadt könne auch zunächst ein Konzept „für ein stadtweites Vorgehen und eine Priorisierung besonders intensiv betroffener Straßen entwickeln“.
Eine Ansicht, der sich das Bundesverwaltungsgericht am Donnerstagabend angeschlossen hat. Da das unerlaubte Gehwegparken in der gesamten Stadt, insbesondere in den innerstädtischen Lagen weit verbreitet sei, sei es nicht zu beanstanden, wenn die eine Stadt zunächst die am stärksten belasteten Quartiere ermittelt, Straßen mit besonders geringer „Restgehwegbreite“ bevorzugt und ein entsprechendes Konzept für ein stadtweites Vorgehen umsetzt.
Grundsätzlich handeln allerdings müssen die Kommunen. Wie viele Parkplätze mittelfristig bundesweit betroffen sind, lässt sich derzeit noch nicht genau sagen. „Da werden“, ahnt der Verkehrsdezernent einer Großstadt aus dem Ruhrgebiet, der ungenannt bleiben möchte, „über kurz oder lang zehntausende Parkmöglichkeiten verschwinden.“