Witten. Die Postbank verlässt Wittens City. Kunden schimpfen, Händler klagen, Fachleute warnen. Bürgermeister König indes bleibt cool. Warum?

Die Postbank schließt und damit auch die Post: In der Stadtgalerie gibt‘s bald einen weiteren Leerstand. Das sorgt in Witten für Unmut. Nicht nur bei der Kundschaft: Kritische Stimmen kommen auch von der Standortgemeinschaft Witten-Mitte und der IHK. Bürgermeister Lars König jedoch bleibt gelassen. Warum?

Wie berichtet, verlassen Postbank und Post die Räumlichkeiten im Erdgeschoss am 19. August. Stadtgalerie-Chef Stephan Schnitzler, Geschäftsführer der Phoenix development, erklärt aber erneut, der Hauptmieter Deutsche Post habe den Mietvertrag bisher nicht gekündigt.

Bürgermeister Lars König mag in der Kommunalpolitik die rote Karte zücken können. Auf privatwirtschaftliche Entscheidungen wie das Postbank-Aus hat er jedoch kaum Einfluss.
Bürgermeister Lars König mag in der Kommunalpolitik die rote Karte zücken können. Auf privatwirtschaftliche Entscheidungen wie das Postbank-Aus hat er jedoch kaum Einfluss. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Geldinstitut begründet Schritt mit Digitalisierung des Geschäfts

In der Region zieht sich die Postbank aus zahlreichen Standorten zurück, mit Witten schließt die letzte Filiale im EN-Kreis. Die Postbank will ihr Filialnetz bis Ende 2026 von etwa 550 auf rund 320 Standorte fast halbieren. Im Gegenzug will die Deutsche-Bank-Tochter bundesweit elf regionale Beratungscenter für Service-Angebote per Video und Telefon aufbauen, etwa in Essen und Wuppertal.

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Das Unternehmen begründet seinen Schritt mit verändertem Kundenverhalten. „Wir stellen fest, dass unsere Mobile- und Online-Angebote zunehmend stärker genutzt werden, und zwar über alle Altersgruppen hinweg“, hieß es.

Trotz des Postbank-Rückzugs sieht Wittens Rathaus-Chef die Innenstadt „nach wie vor gut aufgestellt“. Laut Stadtsprecherin Heinke Liere seien neben Sparkasse und Volksbank drei weitere Geschäftsbanken in der Innenstadt mit Filialen vertreten.

Heinz Greune ist das Lachen vergangen. Der LP- und Wein-Händler hält die Postbank-Entscheidung für einen schlechten Witz.
Heinz Greune ist das Lachen vergangen. Der LP- und Wein-Händler hält die Postbank-Entscheidung für einen schlechten Witz. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Bürgermeister König habe im Vorfeld Kontakt zu Postbank und Post aufgenommen, „insbesondere um zu klären, welche Alternativen den Wittener Bürgerinnen und Bürgern künftig zur Verfügung stehen“. Stadtsprecherin Heinke Liere: „Unmittelbare Auswirkungen auf die untere Bahnhofstraße erwarten wir durch diese Unternehmensentscheidung nicht.“ Das sehen nicht alle so.

Angelika Bilow-Hafer ist meist gut gelaunt. Der Postbank-Rückzug hat ihr allerdings die Stimmung verhagelt.
Angelika Bilow-Hafer ist meist gut gelaunt. Der Postbank-Rückzug hat ihr allerdings die Stimmung verhagelt. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Sportartikel-Händler befürchtet Image-Schaden für Postbank

Feti Güvenc ist Nachbar der Doppelfiliale Post/Postbank in der Stadtgalerie. Der Geschäftsführer des Intersport-Geschäfts sieht eine Verschlechterung des Dienstleistungsangebots – das er bisher selbst nutze. Zugleich befürchtet Feti Güvenc einen Imageschaden für beide Unternehmen: „Für die Bürger ist das nicht schön.“ Ähnlich bewertet Heinz Greune die Lage. Er betreibt seit einem Jahr an der Hammerstraße den Laden „Schall & Rausch“. Greune ironisch: „Das meinen die doch nicht ernst?“ Der Innenstadt tue der Schritt nicht gut, „auf keinen Fall“.

Standortgemeinschaft: „Ziemliche Katastrophe“

Die Vorsitzende der Standortgemeinschaft Witten-Mitte, Angelika Bilow-Hafer, hat die Entwicklung nicht überrascht. Zu oft seien Post und Postbank zuletzt geschlossen gewesen, angeblich wegen Mitarbeitermangels. An Nachfrage der Kundschaft habe es jedoch nicht gefehlt. „Ich sehe das als eine ziemliche Katastrophe.“ Die Verlagerung der Dienstleistungen in DHL-Shops in Kiosken sei keine gleichwertige Alternative. Bilow-Hafer sieht zugleich den City-Handel geschwächt.

Die IHK springt ihr bei. „Aus unserer Sicht tun sich die Banken damit nicht unbedingt einen Gefallen“, meint Fachfrau Jenni Duggen. Die Geldinstitute verprellen Kundschaft, die bereit sei, „höhere Gebühren zu zahlen, um Dienstleistungen vor Ort weiter nutzen zu können“. Auch für die Infrastruktur in City und Stadtteilen sei die Schließung einer Bankfiliale „nicht unproblematisch“. Denn: „Postbanken und andere Geldinstitute sind aus unserer Sicht Frequenzbringer, auch in Zeiten, in denen vieles online läuft.“

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Duggens Fazit: „Die Schließung der Postbank-Filiale in der Wittener Stadtgalerie ist ein herber Verlust, auch, weil es damit zu einem neuen, nicht unerheblichen Leerstand im innerstädtischen Einkaufszentrum kommt.“ Es sei „notwendig, dass die Fläche schnellstmöglich eine Nachnutzung bekommt“.

Feti Guevenc (bei der Präsentation von Wanderrucksäcken) ist von den Abwanderplänen der Postbank kaum amüsiert.
Feti Guevenc (bei der Präsentation von Wanderrucksäcken) ist von den Abwanderplänen der Postbank kaum amüsiert. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Derweil macht sich in der Bevölkerung vielfach Frust breit. Postbank-Kunde Hans-Jürgen Fleczok (85) wählt am Geldautomat drastische Worte. Er nimmt das Postbank-Aus als Teil eines schleichenden Abstiegs der Stadt wahr. Der einstige Siemens-Ingenieur schimpft pauschal auf die Stadtverwaltung: „Die kümmern sich um nichts.“ Zur Postbank hat Fleczok schon einen Plan: „Ich werde meine Konten auflösen.“

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