Witten. Nach Flucht aus der Heimat, schwerer Krankheit und schulischen Herausforderungen: Osama kämpft sich zurück ins Leben und ins Informatikstudium.
Osama ist mit 14 Jahren nach Witten gekommen. Damals sprach er kein Wort Deutsch. In der Schule hatte er Schwierigkeiten, eine Lehrerin erklärte ihn für „dumm“, wollte ihn früh in die Ausbildung schicken. Doch mithilfe des Vereins „Kontrakt“ hat er sein Abitur an einer anderen Schule mit 2,4 abgeschlossen. Heute ist er 23 Jahre alt und studiert Informatik in Dortmund. Osama erzählt, wie es dazu kam.
Der Verein Kontrakt unterstützt Neuntklässler auf ihrem Weg in den Beruf. Paten und Coaches unterstützen sie. Die Gruppe geht gemeinsam Wandern, kocht zusammen, tauscht sich aus und lernt dabei. Christian Walker, einer der aktuellen Coaches und stellvertretender Bürgermeister, hat Osama seine ersten Sätze auf Deutsch beigebracht. Für den jungen Osama aus Syrien war die Beziehung zu Claudia Formann, der damaligen Vereinsvorsitzenden, und seinen Coaches eine große Hilfe. Sie seien dort eingesprungen, wo ihm seine Eltern nicht helfen konnten. Natürlich seien seine Eltern immer die ersten Ansprechpartner gewesen, doch „viel machen“ konnten diese nicht, „weil sie die Gesetze nicht kannten, die Sprache nicht kannten.“
Osama macht Abitur am Berufskolleg Witten
Hilfe bekam er sogar nach seiner aktiven Mitgliedschaft, als ihm eine Lehrerin Probleme bereitete. Zu diesem Zeitpunkt war Osama aus dem Programm ausgeschieden und wurde von der START-Stiftung des Landes NRW unterstützt. Vermittelt hat diesen Übergang der Verein aus Witten. „Meine Lehrerin hat mich als dumm bezeichnet und gesagt, ich könne kein Abitur machen, sollte mir einen Job suchen“, klagt er. Auf sie gehört hat er nicht. Er wandte sich an seine früheren Förderer und die regten einen Wechsel an das Wittener Berufskolleg an. Dort hat sich Osama ein Vollabitur mit einer Durchschnittsnote von 2,4 erarbeitet.
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Doch nach seiner Abiturprüfung kam der große Schock: Bei ihm wurde ein Tumor entdeckt, erzählt Osama und zeigt auf eine etwa 15 Zentimeter lange Narbe an seinem Hinterkopf. „Ich wurde neun Stunden lang operiert und lag danach eine Woche im Krankenhaus.“ Nach seiner OP ist er wieder auf dem Weg der Besserung, doch sein Studium hat unter den vielen Terminen bei der Physiotherapie, Ergotherapie und Reha etwas gelitten. „Ich habe das Schlimmste hinter mir. Ich bin jetzt im vierten Semester und versuche das nachzuholen, was ich verpasst habe.“
Ohne das Coaching in Witten würde er heute wohl nicht Informatik studieren. „Am Anfang wusste ich nicht, was ich machen will“, gibt Osama zu. Gemeinsam mit seinem Coach fand er es heraus, der IT-Bereich könnte doch etwas für ihn sein. Nachdem all seine Bewerbungen um einen Praktikumsplatz abgelehnt wurden, vermittelte man ihm ein Praktikum in einer IT-Abteilung der Stadt Witten. Dort lernte Osama, wie ein Informatiker zu denken. Weil er das so gut hinbekommen hat und er seine Aufgaben in Rekordzeit löste, habe man ihm geraten, im IT-Bereich zu bleiben.
Lehrerin hatte ihn als „dumm“ bezeichnet - Heute studiert er Informatik
Am vergangenen Mittwoch gab es den feierlichen Schuljahresrückblick mit den aktuellen Kontrakt-Mitgliedern, Coaches und Unterstützern im Parkhotel. Gemeinsam blickte man zurück auf Wanderfahrten, gemeinsames Kochen und eine Müllsammelaktion in der Innenstadt. Die Neuntklässler, die derzeit am Projekt teilnehmen, wollen später Heizungssanitäter, Ingenieur oder Astronaut werden. Nach den Sommerferien nimmt der Verein weitere Schüler auf (Anmeldung unter 02302 581-1011). Werden sie in Osamas Fußstapfen treten?
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