Witten. Marion Rupietta begleitet Menschen, bei denen die Gefahr eines Delirs besteht, durch den Klinikalltag. Ihr Job ist einzigartig am EvK Witten.
Von diesem Datum haben bestimmt viele noch nichts gehört: Am 13. März ist „Welt-Delir-Tag“. Genauso unbekannt ist vermutlich der Beruf, den Marion Rupietta seit sechs Jahren ausübt: Die Wittenerin arbeitet als einzige Delir-Kraft im Ev. Krankenhaus (EvK) und vermutlich im ganzen Umkreis. Sie lindert durch engen persönlichen Kontakt Ängste, die bei besonders gefährdeten Patientinnen und Patienten vor einer OP entstehen können.
Ganz genau handelt es sich bei einem Delir um ein Krankheitsbild, das sich während eines stationären Klinikaufenthalts durch Verwirrung, Teilnahmslosigkeit, Unruhe oder auch aggressive Zustände äußern kann, heißt es seitens des EvK. Ursache können eine Narkose, eine Operation oder grundsätzlich der Aufenthalt im Krankenhaus sein. Ein Delir kann schwere Auswirkungen haben - von einer längeren Verweildauer in der Klinik über ein erhöhtes Demenzrisiko bis hin zu einer Verkürzung der Lebensdauer.
„Das Alter spielt dabei eine große Rolle“, sagt Marion Rupietta. Besonders gefährdet seien demnach Menschen mit Demenz. Auch bestimmte Medikamente begünstigen die Erkrankung. Doch ebenso können jüngere Menschen ein Delir entwickeln, wenn sie etwa eine psychische Erkrankung oder das Down-Syndrom haben oder Autisten sind. Etwa 60 Patientinnen und Patienten pro Monat benötigen Marion Rupiettas Begleitung. 80 Prozent davon gehören zur älteren Generation, schätzt die 60-Jährige.
Wichtigste Vorbeugung ist die persönliche Ansprache. Täglich steht Marion Rupietta im Austausch mit den Stationen und den diensthabenden Chirurginnen und Chirurgen, die ihr mitteilen, welche Patienten delirgefährdet sind. „Ich bin dann einfach für sie da“, sagt die Wittenerin.
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Sie versucht, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, ist schon beim Anästhesie-Vorgespräch mit dabei. Geduldig erklärt sie ihren Schützlingen, was mit ihnen auf der Intensivstation passiert, welche Geräte um sie herum sind, warum ihnen Zugänge gelegt werden oder warum sie nicht wie gewohnt auf der Seite schlafen können.
Am Tag der Operation fährt Marion Rupietta gemeinsam mit dem Betroffen von der Station zum OP-Bereich, zieht sich in der Schleuse schnell sterile Kleidung an, um dann im OP-Saal gleich wieder Händchen halten zu können. Wachen die Patienten nach dem Eingriff auf, ist sie ebenfalls zur Stelle. „Damit sie in ein vertrautes Gesicht schauen und sofort wieder einen Orientierungspunkt haben.“ Denn es ist die Orientierung, die verloren geht. „Und dann erfasst sie Panik.“
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Bisher habe sie es immer geschafft, beruhigend auf die Menschen einzuwirken. Schwieriger wird‘s auf der Intensivstation, wo es laut und hell ist und kein geregelter Tag-Nacht-Rhythmus besteht. Dann müssen unter Umständen Medikamente verabreicht werden. Denn ein Delir könne gefährlich werden. „Wenn sich plötzlich jemand den Katheter rauszieht oder mit frisch operiertem Knie aufstehen will.“
Fachkraft: Häufige Aufenthalte bringen keine Routine
Mehr als ein Drittel der begleitungswürdigen Patienten im EvK kennt Marion Rupietta. Sie sind Wiederkehrer, die für bestimmte Eingriffe regelmäßig ins EvK kommen. Häufige Aufenthalte führen bei ihnen aber keinesfalls zu Routine. Im Gegenteil. „Delirgefährdete Patienten denken: Jetzt ist schon so lange alles gut gegangen, irgendwann muss doch mal etwas passieren“, weiß Marion Rupietta. „Doch das kann ich gut auffangen.“ Ihre verlässliche Begleitung beruhigt auch die Angehörigen.
Marion Rupietta ist eigentlich Altenpflegerin und hat eine Zusatzausbildung zur Delir-Kraft gemacht. „Ich fand das spannend“, sagt sie. Auch nach sechs Jahren liebt sie ihre Arbeit wie am ersten Tag. Und wenn sie, die gleich um die Ecke vom EvK wohnt, beim Einkaufen im Boni-Center einen Patienten trifft, dann freut sie sich über das Wiedersehen. „Wenn ich mitkriege, dass es demjenigen gutgeht, dann ist das ein schöner Moment.“