Witten. Mitten in der Pandemie hat sich in Witten ein neuer Verein gegründet. Er will sich für mehr Inklusion einsetzen. Die Mitglieder haben viel vor.
Trotz Corona haben es sieben Engagierte geschafft, einen Verein zu gründen. Er heißt „Meisterwerk Mensch“. Das Ziel: Die Inklusion, also das Miteinander von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung, stärker auch im kulturellen Alltag der Stadt zu verankern. „Wir möchten ein wohlwollendes öffentliches Bewusstsein für Menschen mit Behinderung schaffen“, formuliert es Dorit Remmert, eine der Initiatorinnen.
Ihr Sohn Jakob hat selbst eine Beeinträchtigung. „Wenn wir mit ihm auf dem Spielplatz, beim Sport oder im Musical unterwegs sind, fragen wir uns oft: Wo sind die anderen Kinder mit Behinderung?“, sagt die 43-Jährige. Jeder habe seinen Grund, warum er sich im Verein einbringt. Auch eine Frau, die selbst im Rollstuhl sitzt, ist mit dabei. Sie habe zum Beispiel enorme Schwierigkeiten, in Herbede einen Friseur zu finden, den sie barrierefrei erreichen kann.
Wittener Verein hat sich mitten in der Pandemie gegründet
Im Oktober 2020 haben sie sich gegründet, inzwischen hat sich die Zahl der Aktiven bereits auf 14 verdoppelt. Der eigentliche Impuls sei gewesen, Menschen mit Behinderung in einem Café eine Beschäftigungsmöglichkeit zu bieten. Tatsächlich hat der Verein sich auf die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten begeben, hat Anträge gestellt, mit der Stadt gesprochen. Nun zeichne sich ab, dass das „Krümelreich“ – so soll das inklusive Familien-Café mal heißen – wohl Platz in einem leeren Ladenlokal an der Bahnhofstraße findet. Im Frühjahr, so die ehrgeizige Hoffnung, wolle man eröffnen.
Werbung machen sie schon dafür: mit der „Krümel-Lore“, einem Lastenrad. Es steht bei Remmerts an der Breite Straße in der Garage und kann von allen ausgeliehen werden – sei es für eine Probefahrt oder um tatsächlich etwas zu transportieren.
Erste Aktion in Witten: ein inklusives Zirkusprojekt
Anfangs sei es wegen Corona schwierig gewesen, Menschen überhaupt so zusammenzubringen, wie sie sich das vorgestellt haben, erinnert sich Dorit Remmert. 2021 haben sie dann losgelegt. In der ersten Woche der Herbstferien gab es ein inklusives Zirkusprojekt mit zwölf Kindern. Gestemmt wurde es mit Unterstützung des Deutschen Kinderhilfswerks im Rahmen des Projekts „Kultur macht stark“. Zuletzt hat der Verein auf dem Weihnachtsmarkt zwei Aktionen angeboten. Bei den „Geschichten am Stall“ etwa habe eine Gebärdendolmetscherin übersetzt.
„Man muss solche Teilhabe viel mehr mitdenken“, sagt Katya Bremer (49), der die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention sehr am Herzen liegt. „Es gibt so viele Kinder und Erwachsene, die keinen Kontakt zu Menschen mit Behinderung haben.“ Durch die Gebärdendolmetscherin seien sie zumindest darauf aufmerksam gemacht worden, dass es auch taube Menschen gibt.
Engagierte Wittener setzten auf Kooperation
Natürlich will der Verein das Rad nicht komplett neu erfinden oder alles selbst machen. Deshalb setzt er auf Kooperationen mit bestehenden Einrichtungen, etwa der Lebenshilfe oder dem Christopherushof, wo Katya Bremer lange gearbeitet hat. Dort werde schon viel im Bereich kulturelle Bildung getan, aber eben meist nur für jene innerhalb des Hauses. Dass bewusst etwas für Menschen mit und ohne Behinderung angeboten wird, sei eher selten. „Gut funktionierende Sonderwelten“ nennt Bremer diese Einrichtungen, die oft nicht mittendrin, sondern am Rand der Stadt zu finden sind.
Spenden sammeln und Fördermittel beantragen
Für die Anschaffung des Lastenrads hat der Verein Meisterwerk Mensch über die Spendenplattform der Volksbank Bochum-Witten Privatspenden gesammelt, ergänzt durch Fördermittel des Landes NRW. Das Rad kann jeder und jede in Witten kostenlos über Dorit Remmert ausleihen: 01520-9332835.Die weiteren Pläne des Vereins für 2022: Aktuell läuft ein Antrag auf Fördermittel beim Fonds Soziokultur im Rahmen des Bundesprogramms „Neustart Kultur“ für eine Förderung mit dem Arbeitstitel „Kultur für Alle“. Bei der Aktion Mensch hat der Verein Mittel für ein sozialraumorientiertes Projekt beantragt. Es soll Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderung auf der Ebene von Familien fördern. Info: www.meisterwerkmensch.de.
Abgesehen davon finde ein Zusammenleben oder -arbeiten aber auch in der City kaum statt. Inklusion im Sozialraum Karl-Marx-Platz, wo viele Vereinsmitglieder wohnen? Fehlanzeige. Bis jetzt jedenfalls. Der Verein will auch die Kommune einbeziehen, wünscht sich mehr Barrierefreiheit in der Stadt und dass viele Bürgerinnen und Bürger da „mutig mitmachen“.
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Natürlich wissen sie, dass es ein „Mehr“ an Kommunikation braucht, wenn Menschen mit Behinderung bei einer Sache mitmachen. Auch mehr Geld. Anträge zu stellen, damit haben die Vereinsmitglieder kein Problem. Das kennen die meisten – viele von ihnen Pädagoginnen, Schauspieler, Musiker – schon von ihrer hauptberuflichen Arbeit. Doch sie finden, es lohnt sich. „Menschen mit Behinderungen haben auch besondere Fähigkeiten“, sagt Dorit Remmert. Und das sollte in Witten zukünftig mehr Beachtung finden.