Witten. Wilfried Böckmann hat sein Flurstück im Wittener Papenholz fällen lassen. Das fiel ihm nicht leicht. Warum er sich dazu entschieden hat.

Noch zeugen unzählige auf dem Boden liegende Baumstämme davon, dass am Rande des Papenholzes in Witten bis vor Kurzem rund 80 teils hundert Jahre alte Bäume in den Himmel geragt haben. Wilfried Böckmann, Besitzer der Parzelle an der Straße Oberkrone, hat sie in der vergangenen Woche fällen lassen. „Es ist ein Trauerspiel“, sagt der 72-Jährige mit Blick auf das Grundstück hinter seinem Haus. Doch er habe für sich keine andere Option gesehen.

Der Grund für den Kahlschlag: Seine Versicherung hätte in einem Schadensfall nach einem Unwetter, etwa wenn ein Spaziergänger von einem herunterfallenden Ast getroffen worden wäre, nicht gezahlt. Das 2200 Quadratmeter große Waldstück grenzt an eine kleine Straße, die viele Spaziergänger, Radfahrer aber auch Autofahrer benutzen. Zweimal im Jahr hat Böckmann bislang seine Bäume von einem Baumpflegedienst inspizieren lassen, um seiner Verkehrssicherungspflicht nachzukommen.

Eiche war nach Starkregen auf Nachbargrundstück gefallen

Im Juli vergangenen Jahres fiel dann nach einem Starkregen eine Eiche auf das Grundstück seines Nachbarn und beschädigte den Zaun der dortigen Pferdekoppel. Doch die Betriebshaftpflichtversicherung des Waldbesitzers lehnte es ab, für den Schaden aufzukommen. Denn durch die regelmäßige Inspektion des Baumbestandes habe sich Böckmann nichts zuschulden kommen lassen. Weil der Schaden nicht durch Fahrlässigkeit, sondern „höhere Gewalt“ entstanden sei, bestehe kein Anspruch auf Schadensersatz für den Nachbarn.

Wilfried Böckmann vor seinem Grundstück, auf dem bis vergangene Woche noch über 80 Bäume standen.
Wilfried Böckmann vor seinem Grundstück, auf dem bis vergangene Woche noch über 80 Bäume standen. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

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Wilfried Böckmann forschte nach, holte sich juristischen Rat über den Waldbauernverband NRW, bei dem der 72-Jährige Mitglied ist. Und kam zu der für ihn erschreckenden Erkenntnis: Wäre der Baum auf einen Menschen gestürzt und hätte diesen vielleicht sogar zu einem Pflegefall gemacht, würde auch in einem solchen Fall die Versicherung nicht greifen. „Mit dieser moralischen Schuld könnte ich nicht leben“, sagt Böckmann.

Waldbesitzer „sprachlos und empört“ über Haltung der Versicherung

Die Begründung der Versicherung mache ihn „sprachlos und empört“ – vor allem im Hinblick auf den Klimawandel, durch den mit einer Zunahme von Unwettern und Starkregen zu rechnen ist. Die Versicherer sollten sich auf diese neuen Gegebenheiten einstellen, findet Böckmann, der an der Oberkrone aufgewachsen ist.

Forstgesetz verbietet Kahlschlag von mehr als zwei Hektar

Die Rahmenbedingungen für das Bewirtschaften von Waldflächen regelt unter anderem das Landesforstgesetz NRW. Nach diesem muss der Wald etwa „im Rahmen seiner Zweckbestimmung ordnungsgemäß und nachhaltig“ bewirtschaftet werden. Ein Kahlschlag auf mehr als zwei Hektar zusammenhängender Waldfläche eines Waldbesitzers innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren ist verboten. Die rund 0,2 Hektar große Fläche von Wilfried Böckmann liegt weit unter dieser Obergrenze.

Doch das Flurstück hinter seinem Haus soll keinesfalls eine Brache werden. Der Wittener plant bereits die Wiederaufforstung – mit einem Streifen Richtung Straße und Nachbargrundstück, auf dem nur Sträucher und niedrige Bäumen wachsen. „Wenn dann in 50 Jahren ein hoher Baum umkippt, landet er im Wald.“

Pflege der Bäume kostete viel Geld

Schon 2019 hatte der private Waldbesitzer mit dem Gedanken gespielt, seine Bäume abzuholzen. Denn die Pflege seines kleinen Stückes Wald kostete den Wittener eine Stange Geld. Nach eigenen Angaben waren es in den vergangenen fünf Jahren rund 5000 Euro. So viel zahlte er für die zweimal im Jahr stattfindende Kontrolle der Bäume durch den Baumpflegedienst. „Aber ich hätte lieber weiter Geld für die Pflegemaßnahmen ausgegeben, als dieses Desaster zu erleben“, sagt Böckmann. Durch die Fällung der Bäume habe er auch keinen Gewinn gemacht. Im Gegenteil.

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Der neu zu pflanzende Wald hinter seinem Haus solle nun kein Wirtschafts-, sondern ein „Klimawald“ werden, sagt der Rentner. Mit einer bunten Mischung unterschiedlicher Bäume. Bereits jetzt hat der Wittener auf einem anderen Flurstück, einer ehemaligen Schafweide, zahllose Setzlinge gepflanzt: Buchen, Linden, Roteichen, Birken, aber auch einen Nuss- und einen Birnbaum. Einen Teil der noch jungen Pflanzen hat er vor der Rodung aus seinem Waldstück hierher „gerettet“.