Witten. Wilfried Böckmann müsste sein Flurstück im Wittener Papenholz roden lassen. Allein kann er die Kosten für die Pflege nicht mehr stemmen.

Wenn sich alle ums Klima sorgen und mehr Bäume, gar einen Bürgerwald fordern, möchte auch Wilfried Böckmann gehört werden. Denn der Waldbesitzer müsste seine 2200 m² Parzelle mit vorwiegend 80 bis 120 Jahre altem Buchenbestand im Papenholz eigentlich abholzen lassen. Um der „Verkehrssicherungspflicht“ zu genügen, sprich Spaziergänger vor herunterfallenden Ästen zu schützen, steht er vor heftigen Kosten. Ein Forstmitarbeiter hat ihm deshalb geraten, seinen Wald roden zu lassen.

„Aber mir würde das Abholzen in der Seele wehtun“, sagt der 69-Jährige. Seit dem letzten Sommer sucht Wilfried Böckmann eine Lösung für sein Flurstück, das seit jeher in Familienbesitz ist. Denn die Zahl der von Hitze verursachten Trockenabbrüche hat zugenommen – so nennt man es, wenn ein belaubter Ast ohne jegliche Anzeichen plötzlich abbricht. Und vielleicht jemanden trifft?

Wald bringt keinen wirtschaftlichen Nutzen

Zwar nutzen gemäß Bundeswaldgesetz Spaziergänger den Wald auf eigene Gefahr, der Eigentümer haftet aber, sobald der Baumbestand an eine öffentliche Straße grenzt. Bei Wilfried Böckmann ist dies der Fall: Seine Parzelle zwischen Oberkrone, Hevener Mark und Papenbruch grenzt an eine Straße, die viele Autofahrer als Abkürzung nutzen. Käme dort jemand zu Schaden, würde Böckmanns Versicherung zahlen. Aber nur, wenn er nachweist, dass der Baumbestand zweimal jährlich kontrolliert und gepflegt wurde.

Wilfried Böckmann arbeitet als Landwirt im Nebenerwerb. Hier auf einem seiner Felder, im Hintergrund seine Waldparzelle.
Wilfried Böckmann arbeitet als Landwirt im Nebenerwerb. Hier auf einem seiner Felder, im Hintergrund seine Waldparzelle. © FUNKE Foto Services | Thomas Nitsche


„Darum habe ich über einen Baumpflegedienst die infrage kommenden Bäume in einem Baumkataster erfassen lassen“, berichtet Böckmann. Allein das kostet pro Jahr mehrere 100 Euro. Eine der hohen Buchen fällen oder bearbeiten zu lassen, koste bis zu 500 Euro. „Ich ziehe keinerlei wirtschaftlichen Nutzen aus der Waldparzelle. Ihr einziger Nutzen liegt in ihrer Bedeutung für das Klima“, sagt Böckmann.

Eine etwa 150-jährige Buche produziere täglich rund 11.000 Liter Sauerstoff, das entspräche in etwa dem Tagesbedarf von 26 Menschen. „Warum, so frage ich, bleibe ich auf den Waldpflegekosten sitzen, während bei Wäldern im Eigentum von Kommunen Pflegemaßnahmen aus Steuermitteln erbracht werden?“ Seine Kostensituation schilderte der Wittener bereits Umweltschutzorganisationen und einem Forstmitarbeiter. Dessen Tipp: „Die Bäume umsägen, dann haben Sie 20 Jahre lang Ruhe.“

Lösung wäre eine Waldgenossenschaft

Dem Landesbetrieb Wald und Holz NRW sind viele Fälle bekannt, in denen private Waldbesitzer damit überfordert sind, ihre Waldflächen zu pflegen und das Holz zu ernten – gerade in Zeiten von Windwurf und Borkenkäferbefall. Eine Lösung sieht der Landesbetrieb in den Bemühungen von Wittener Waldbesitzern, eine Waldgenossenschaft zu gründen. „Das ist durchaus eine Option, wie man in Zukunft Wald effektiv bewirtschaften und damit erhalten kann“, sagt Jens Hückelheim, der das Projekt betreut. Das Modellprojekt würde sich über mehrere kleinparzellierte Waldflächen am Wartenberg erstrecken. Von den 150 Hektar gehören ungefähr die Hälfte der Stadt und die andere Hälfte etwa 25 privaten Eigentümern. Noch läuft das Verfahren, ein Sachverständiger wird nun beauftragt, jedes einzelne Flurstück zu bewerten und einen Gesamtwert zu ermitteln. Der Landesbetrieb möchte diese Idee vorantreiben: „Die Wittener Waldgenossenschaft wäre eine der ersten Neugründungen in den letzten Jahrzehnten“, so Hückelheim. „Im Ruhrgebiet gab es so etwas bislang noch nicht.“ Wilfried Böckmann würde bei einem Gemeinschaftswald sofort mitmachen – um seinen eigenen Wald zu retten.