Neviges. In seinem Fachwerkhaus entstehen Ideen für Projekte in ganz Deutschland: Martin Straßen plant gern ungewöhnliche Projekte. Auch für Neviges hat er Ideen.

Alles, nur nicht normal und langweilig. Und auch bitte nicht abgedreht um jeden Preis. „Mir macht es unheimlichen Spaß, auch mal bekloppte Sachen zu machen, aber immer im Einklang mit der Natur.“ Martin Straßen, Garten- und Landschaftsarchitekt aus Neviges und zudem spezialisiert auf die Sanierung historischer Bauten, ist beruflich bundesweit unterwegs. So wurde sein Park rund um das Anwesen einer hochherrschaftlichen Villa in Hamburg-Blankenese vor Jahren als „Garten des Jahres“ prämiert, eine Auszeichnung, die er schon mehrmals bekommen hat.

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Zurzeit gestaltet sein Büro als eines von vielen Projekten das Bahnhofsviertel in Duisburg, das traurige Berühmtheit durch die Love-Parade Tragödie erlangte. Klar, so etwas sei natürlich alles interessant, aber so richtig in seinem Element ist Martin Straßen, wenn er ein bisschen verrückt sein darf. Wie beim Bau der Baumhaus-Kita, die zukünftig auch in Neviges stehen könnte: Die evangelisch-reformierte Kirchengemeinde zeige brennendes Interesse, freut sich Straßen, der auch Vorsitzender des Bauausschusses der Gemeinde ist.

Schwebende Kita Martin Straßen
Bei der schwebenden Kita sind Wände und Boden an Baumstämmen befestigt. © Martin Straßen | Martin Straßen

Auch Velberts Pfarrer beeindruckte die schwebende Kita

Pfarrer Martin Weidner sowie einige Ausschuss-Mitglieder hätten ziemlich gestaunt und seien hin und weg gewesen beim letzten Ausflug der Gemeinde nach Neuss. Hier steht der Prototyp der revolutionären Kindertagesstätte auf Stelzen, „völlig schwebend, wie ein Baumhaus, es gibt keinerlei Verbindung zum Boden“, erzählt Straßen begeistert. Das Prinzip der Baumhaus-Kita, vereinfacht erklärt: Große Ahornbäume wurden gepflanzt, an deren Stämme eine Edelstahlkonstruktion eingehängt wurde. Diese Konstruktion hält die Wände und den Boden des Gebäudes, das komplett aus Holz besteht. Wie ein Baumexperte bestätigt habe, so Martin Straßen, nehme der Baum durch die Edelstahlbefestigung keinen Schaden.

Der Grüne Pfad ist eine Herzenssache

Büro BSS, Garten- und Landschaftsplanung, Tönisheider Straße 2. Kontakt telefonisch unter 02053 42 33 876 oder per Mail: info@bss-la.de.

Landschaftsarchitektin Astrid Born-Straßen hat 2024 den Grünen Pfad in Neviges konzipiert: Ein Weg mit diversen Stationen für alle Sinnen, der sich vom Schloss durch den Wald bis zur Altstadt schlängelt. Das Projekt, so sagt die Expertin, liege ihr besonders am Herzen.

Baumkronen bilden ein grünes Dach

„Die Dämmung besteht aus Zellulose, das Dach wird begrünt. Es ist kein Hochwasserschutz notwendig, keine Versiegelung“, erläutert der Architekt, der eines besonders reizvoll findet: „Die Bäume werden ja größer, die Kronen wachsen oben zu einer großen Kuppel zusammen. Und von einem Baumhaus träumen Kinder ja immer.“ Ein solches Baumhaus könnte in Zukunft in Neviges an der Siebeneicker Straße stehen. Denn die Kita „Kinderreich“ werde nicht nur langsam zu klein, so Martin Straßen, sie sei auch ziemlich baufällig. Aber deren Abriss und Neubau ist Zukunftsmusik, noch ist nichts konkret, letztlich ist auch alles eine Kostenfrage.

Der Phantasie der Kinder freien Lauf lassen

Aktuell gestaltet Martin Straßen mit seinem Team, Ehefrau Astrid Born-Straßen ist ebenfalls Landschaftsarchitektin, die Außenanlagen von sieben Kitas. Darunter auch die Awo-Kita an der Tönisheider Straße, bei allen Aufträgen beherzigen die Straßens ihr Prinzip: weniger ist mehr. „Kinder brauchen keine Unmengen an Spielgeräten, die merken beim Spielen selbst, wie sie etwas haben möchten. Wir lassen ihnen den Platz, selbst mitzubestimmen, ihrer Phantasie freien Lauf zu lassen.“ Gefreut hat sich Marin Straßen kürzlich über die Prämierung einer Wohnanlage in Köln, deren Außenanlage sein Büro BSS geschaffen hat. Den Preis „Klimaquartier 24“ bekommt zwar der Investor und nicht der Planer, weil es sich um ein vom Land NRW gefördertes Projekt handelt, aber man sei natürlich schon stolz. Unter anderem hat die Jury überzeugt, dass mitten in der Tiefgarage ein großer Baum steht, ermöglicht durch einen großen Luftschacht: „Der Baum wächst, das Regenwasser versickert, außerdem schafft das eine schöne Atmosphäre.“

Dachterrasse in Auch Parkhäuser können hübsch aussehen

Dass Parkhäuser nicht hässlich sein müssen, zeigt sich in Essen-Kettwig und auf dem Gelände der Ruhr-Uni-Bochum: „Da haben wir im großen Stil um neu gebauten Parkpaletten 300 große Bäume pflanzen lassen, zum Teil über zehn Meter hoch. Verstecken hinter Bäumen, das klappt wunderbar.“ Freude bereiten dem Experten zurzeit die Planung zweier Plätze in Hattingen, dem Rathausplatz und einem Platz in Welper, auch ist er jetzt oft in Düsseldorf vor Ort: „In dem ehemaligen ZDF-Sendehaus entstehen Büros, wir machen die Dachterrasse. Da hat man vom 12. Obergeschoss einen Wahnsinnsblick über die Stadt.“ Alles schön und gut, aber nichts gegen Neviges, wo sich die Straßens einfach pudelwohl fühlen.

Seit zwölf Jahren wohnen und arbeiten sie in dem Fachwerkhaus aus dem 17. Jahrhundert an der Tönisheider Straße, das sie selbst renoviert haben. Damals verlegte Martin Straßen sein Büro von Duisburg nach Neviges, mit dem Umzug sei er auch ein bisschen nach Hause gekommen: „Ich bin ja auf dem Dönberg aufgewachsen. Wenn wir früher nach Neviges fuhren, war für mich als Kind die Attraktion Aldi und Minigolf Binder.“ Mittlerweile findet der renommierte Landschaftsarchitekt hier noch vieles andere reizvoll: „Neviges hat so viel Potenzial, man muss es nur sehen und nutzen.“