Neviges. Von seinem Nevigeser Büro aus plant Landschaftsarchitekt Martin Straßen Traumgärten bundesweit. So wandelt er auch auf den Spuren der Ruhrbarone
In diesen Tagen ist Landschaftsarchitekt Martin Straßen mit seiner Frau Astrid wieder ziemlich oft Richtung Hamburg unterwegs. Dass die beiden mit Fingerspitzengefühl in ganz Deutschland Gartenträume wahr werden lassen, hat sich auch hier schnell herumgesprochen. Ja, Hamburg mache immer viel Spaß, sagt der sympathische Diplom-Ingenieur. Von seinem kleinen, feinen Büro in der Tönisheider Straße aus lässt seine Firma BSS Gartenträume in ganz Deutschland wahr werden. Die letzten Projekte: Diverse Villen ehemaliger Ruhrbarone, die zum Teil jetzt anderweitig genutzt werden.
Pläne aus dem Jahr 1908 berücksichtigt
Wie zum Beispiel die Villa Fritz Thyssen im Mülheimer Villenpark Uhlenhorst. „Da konnten wir uns richtig austoben, der Bauherr hatte uns da freie Hand gelassen.“ Das Anwesen stand nach einem Brand 1993, bei dem die Industrielle Marita Grillo ums Leben kam, lange leer. Nach behutsamer Sanierung entstanden in der ehemaligen Thyssen-Villa luxuriöse Eigentumswohnungen, teilweise 500 Quadratmeter groß, mit Schwimmbad und allem erdenklichen Luxus. Nur um das Drumherum hatte sich lange niemand gekümmert – bis der Fachmann aus Neviges anrückte. „Das Tolle war: Es gab einen Plan aus dem Jahr 1908, den haben wir verwendet, haben alte Strukturen wieder aufgebaut. Zum Beispiel haben wir bei der Vorfahrt altes Pflaster vom Militärring in Köln wiederverwendet.“
Aus dem Wald einen Park schaffen
Oder das als „Villa Küchen“ bekannte Anwesen des Kommerzienrates Gerhard Küchen, Enkel des Stahlbarons Mathias Stinnes. Das 1913 erbaute riesige Landhaus liegt ebenfalls im Villenpark Uhlenhorst und beherbergt jetzt eine Nobel-Seniorenresidenz mit gehobener Gastronomie. Hier wartete eine ganz andere Herausforderung auf den Landschaftsarchitekten: „Es ging um 60.000 Quadratmeter, ziemlich verwildert. Da haben wir erstmal mit der Motorsäge geplant“, erzählt der 52-Jährige. „Haben frühere Sichtachsen wieder hergestellt, Lichtungen geschaffen. Da mussten wir erstmal Struktur hinein bekommen, aus einem Wald einen Park schaffen.“
Und plötzlich war die Blutbuche weg
Ein Projekt, das seit drei Jahren läuft und noch immer nicht fertig ist. Wie er an solche Aufträge kommt? Martin Straßen zuckt mit den Schultern: „Das spricht sich wohl herum, ist ein bisschen wie Schneeball-System.“ Ob ihm das „planen mit der Motorsäge“ nicht schwer gefallen sei? Nein, in diesem Fall nicht, so Straßen. Es habe sich ja um ein völlig zugewachsenes Grundstück gehandelt, man habe nur alte Strukturen wieder entdeckt. Was ihm dagegen in der Seele weh tue: „Wenn von heute auf morgen plötzlich prächtige Bäume verschwinden, wie hier in Neviges die Blutbuche, die neben dem alten Krankenhaus stand. Oder vor Jahren eine Blutbuche im Weinbergviertel.“
Nicht nur wegen der aktuellen Klimadiskussion sei dies bedauerlich: „Das sind Bäume, die haben eine Geschichte, und die erzählen auch Stadtgeschichte. Und die kommen dann ersatzlos weg.“ Leider gebe es in Velbert keine Baumschutz-Satzung, bedauert Ehefrau Astrid Straßen-Born, und ihr Mann ergänzt: „Wir sind aktuell jede Woche in Hamburg, die pflanzen und erhalten weit mehr als hier.“
Auch Gärten für Otto Normalverbraucher
Erfolg bei „Gärten des Jahres“
Das Büro BSS Garten- und Landschaftsarchitekten hatte 2018 und 2019 erfolgreich an dem Wettbewerb „Gärten des Jahres“ teilgenommen. Hier kürt eine Jury der Berufsverbände die 50 schönsten Privatgärten in Deutschland. Österreich und der Schweiz.
Die Sanierung denkmalgeschützter Gebäude ist ein weitere Schwerpunkt des Büros. Weitere Informationen auf www.bss-landschaftsarchitekten.com
Was nicht heißen soll, dass sich die Familie nicht in Velbert und insbesondere Neviges wohl fühle. „Velbert müsste nur ein bisschen mehr an sich arbeiten, auch mal mutig sein, eigene Ideen entwickeln, nicht nur nach den anderen Städten schielen“, sagt Martin Straßen, der im Moment unter anderem die das Projekt „Düsseldorf nördliche Spitze“ betreut. 1700 Wohnungen entstehen hier, sein Büro BSS plant die Grünanlagen samt Innenhöfen. Bei allen Großaufträgen: In seinem Nevigeser Büro entstehen durchaus auch Pläne für Otto Normalverbraucher. Dass der heimische Garten wieder geschätzt wird, erfährt Martin Straßen besonders jetzt in der Corona-Krise: „Da fällt zum Beispiel die USA-Reise flach, und die Leute fragen: Was bekomme sich denn für 6000 Euro? Die sind dann baff, wenn ich sage: einen neuen Garten.“
Die Planer weiträumiger Traumgärten lieben es übrigens selbst ganz bescheiden und haben Freude an den prächtigen Rosen vor ihrem Haus im Herzen von Neviges. Drei Jahre lang haben sie das alte Bürgermeisterhaus bis zum Einzug 2015 saniert. Martin Straßen: „Das war vor allem das Werk meiner Frau.“